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Herz und Welt.

Wenn schon oft die Zeit es gefordert hat, daß der Mensch sich nach innen befestige, so ist es in der Gegenwart doppelt nötig. Von Jahr zu Jahr vermehrt sich der Kampf der Ansichten, welche an dem Geiste zerren, ihn hierher, dorthin zu zu ziehen suchen. Im religiösen, staatlichen und gesellschaftlichen Leben kann man diese Erscheinung wahrnehmen, welche den Frieden der Gemüter, oben und unten, bei Mann und Weib, immer mehr zerstört. Aber es ist nötig, daß diese Krankheit der Geister sich austobe, damit wieder eine bessere Zeit komme, damit die innerlich einheitlichen Menschen immer mehr erkennen, daß sie sich einigen müssen, um das, was wir an edlen Gütern von den Vätern her besitzen, zu erhalten, und das zu beseitigen, was den Gesetzen der echten christlichen Liebe widerstrebt.

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Wer, in welchem Kreise immer, der Wahrheit dienen will, muß sich darauf gefaßt machen, Anstoß zu erregen. Alle, deren Wesen in irgend einer Form die Lüge bildet, werden ihn offen oder heimlich bekämpfen und selbst Freunde werden ihm raten, nachzugeben, »weil es doch nichts nütze«. Gewiß ist's thöricht, oder jugendlich, mit dem Kopfe durch jede Wand rennen zu wollen, aber es giebt Mauern, welche den Stein nur heucheln; die glatte geschmeidige Lüge giebt sich den Anschein, an ihre Festigkeit zu glauben, die besonnene Wahrheitsliebe stößt den Aberglauben um und arbeitet auch langsam daran, festere Vorurteile zu beseitigen. Aber es gehört viel Geduld dazu.

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Schön ist's, nach der höchsten Güte Bilde
Handeln stets und sprechen sanft und milde;
Dennoch schafft es göttliches Behagen,
Manchmal menschlich grob um sich zu schlagen.

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Es dauert lange Zeit, ehe der Mensch das innere Gleichgewicht findet. Immer wieder kommen Augenblicke, wo eine wilde Sehnsucht nach allem Erdenkbaren uns sturmgleich erfaßt, wo uns das Leben schaal, alles Erreichte wertlos erscheint und wir in die Welt hinausrennen möchten, das »Glück« zu suchen. Aber diese Rückfälle in die Jugendstimmungen werden um so schwächer, je mehr man seine Vernunft bildet und mit ihr einen gewissen Humor, welcher lächelnd diese Bocksprünge der Phantasie betrachtet.

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Wer sich durch die Gemeinheit einzelner Menschen verstimmen läßt, der ist eigentlich lebensunfähig. Man lerne sie zu durchschauen, und man wird dann auch in ihr so viel Dummheit finden, daß ein erlösendes Lachen die Seele von dem quälenden Druck des Augenblicks befreit. Alles, worüber du einmal erst herzlich gelacht hast, hat für immer den verwundenden Stachel verloren.

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Es ist sehr thöricht, unter vielen harmlosen Narren den einzig Klugen spielen zu wollen. Ja selbst die Weisheit kann zum Leben etwas Narrheit oft nicht entbehren.

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Willst mich ob meiner Thorheit schelten?
Bedenk', ich lass' auch Deine gelten.
Wie viel' wir auf dem Erdenballe,
Ein wenig Thoren sind wir alle.

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Als großes Los im Leben mir
Ein seltsam Ding erscheint:
Wenn über das man lächeln kann,
Was einst man hat beweint.

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Oft scheint uns das Los jener beneidenswert, welche frei von Lebenssorgen den edelsten Antrieben ihres Geistes folgen und sie gestalten können. Wir vergessen dabei zu leicht, wie erst der Kampf und der Kummer uns die Einsicht erschlossen haben, daß die Ideale das einzig wahrhaft Lebende seien.

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Jeden Gedanken, welcher neu in dem Geiste sich erzeugt, für wirklich neu zu halten, ist ein Kennzeichen der Jugend. Ihr verzeiht man es auch, wenn sie dann als Heilswahrheit in die Welt hinausschreit, was schon die Urväter gewußt haben. Die Menschheit hat schon so unendlich viel gedacht, daß selbst »neue« Gedanken meist nur alte sind, derer sie sich wieder erinnert.

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Auch das Schweigen kann beredt sein. Manche Menschen haben eine Art zuzuhören, welche uns den Geist beflügelt und das Herz öffnet. Ein Blick, eine Bewegung, ein flüchtiges Lächeln verrät uns volles Verständniß und lockt Gedanken aus uns hervor, deren wir uns nicht bewußt waren. Andere aber schweigen wie ein Eisberg, so daß uns Herz und Hirn einfrieren und wir mit einem seelischen Schnupfen davongehen.

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Der »feinste Ton« entstammt nur adligem Gemüte, Es ist die »Form« des feinen Herzens Blüte.

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Am Himmel eine Wolke steht,
So fest, als wär' es eine Mauer,
Doch kommt das Wetter, sie vergeht
Nach einem kurzen Regenschauer.
Manch Leid, vor dem Dein Herz gebebt,
Nach Thränen schnell vorüberschwebt.

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Wenn Dich ein Leid in Banden hält,
Kannst Du doch neue Hoffnung saugen:
Schau Nachts hinauf zur Sternenwelt,
Am Tag in reine Menschenaugen.

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Wenn man genau weiß, weshalb man unglücklich sei, so läßt sich noch meistens ein Mittel finden; bedauernswerter sind jene Menschen, die sich unglücklich fühlen, weil sie bei bestem Willen nichts in ihren Verhältnissen finden, was ihnen ein Recht giebt, sich unglücklich zu fühlen.

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Kein Glück und kein Leid sind so groß, wie sie aus der Ferne betrachtet erscheinen.

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Bedingung.

Wer uns will bessre Wege weisen,
Soll selber auch auf ihnen reisen.

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Was man im Allgemeinen »gute Menschen« nennt, sind jene Leute, welche dem Nächsten so lange herzlich trockenes Brod gönnen, wie sie selber sich mit saftigen Braten nähren können.

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Wer Dich gebrauchen kann, wird Dich mit Lächeln begrüßen, wer Dich gebraucht hat, geht an Dir zumeist kühl vorüber. Dabei kannst Du doch gewinnen: wenn Du die schwere Kunst lernst, zu vergeben. Sie wird Dir leichter werden, gedenkst Du, daß manche auch Dir zu vergeben hatten.

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Nur gemeine Naturen empfinden die Dankbarkeit als Last, die besseren aber halten sich auch dann von der Pflicht nicht entbunden, wenn sie den einstigen Wolthäter zu achten nicht mehr im Stande sind.

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Wer für das Gute Dank begehrt,
Der ist des Dankes gar nicht wert.

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Mancher spricht von Anderen nur Gutes. Es kann das ebenso gut Beweis von mildem Sinn, wie von verschlagener Berechnung sein – es ist oft sehr schwer das Richtige zu finden.

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Die unausstehlichsten Menschen sind mir die »Geistreichen«. Haben sie eine kluge Bemerkung gemacht, so lassen sie die Blicke wandern, um die beifälligen Mienen »einzusammeln«; machen sie einen Witz, so nicken sie sich selber im Geiste zufrieden zu; und spricht ein Anderer, so fühlen sie sich beleidigt. Komisch ist's wenn mehrere solcher Geister zusammentreffen: dann antwortet eigentlich nie einer dem andern, sondern sie halten nur bedeutsame Selbstgespräche und jeder hält die anderen für anmaßend.

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Große Geister sollten stets irgend einen Fehler haben, z. B. einen Höcker, ein Schielauge, oder sollten sonstwie in wenig beneidenswerten Verhältnissen leben. Das wäre das beste Mittel, um die gemeine aber geradegewachsene Mittelmäßigkeit mit dem geistigen Uebergewicht zu versöhnen.

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Es nennt »Charakter« sich so mancher Narr,
Der in der Blüte schon geworden starr;
Von dem wird dann als »Renegat« behandelt,
Wer sich indessen hat zur Frucht gewandelt.

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Die Zeit ist nur Gebild des Scheins,
Die Menschheit aber sie ist eins.
Ist auch der Denker längst gestorben,
Hat Ruh' der Täter sich erworben:
Gedanke lebt, es lebt die Tat
Und beide wandeln ihren Pfad,
Den neuen Taten beigesellt
Und schaffen Segen, Fluch der Welt.

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