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Vorwort zur ersten Auflage

Als der Ritter von Lang sein Amt eines bairischen Staatsarchivars aufgab, weil er zu schweren Urkundenfälschungen zum Besten der Staatskasse nicht die Hand bieten wollte, sagte sein König, Max der Erste, in der Abschiedsaudienz zu ihm: »Aber hören Sie, Sie haben einen Mund wie ein Schwert. Es wäre gut, wenn Sie sich künftig etwas mäßigten.«

Indem Lang diese Begebenheit berichtet, setzt er hinzu: Den Nachhall eines ähnlichen Vorwurfs vernahm ich auch ein paar Jahre später durch Herrn Minister von Lerchenfeld, als ich ihm ironisch mein Glück pries, unter zwei Landschaftspräsidenten, Thürheim und ihm, gestanden zu haben, welche nachher Minister und meine so außerordentlichen Gönner und Beförderer geworden. Mit aufgehobenem Finger und an der Tür stehend, wohin er mich begleitet, rief er: »Herr von Lang! Herr von Lang! Hätten Sie es über sich gewinnen können, Ihre Zunge zu mäßigen, ich weiß nicht, in welcher Karriere Sie nicht vielleicht schon zum höchsten Ziele gelangt wären.« Nur noch mit halber Seite zur Tür gewandt, erwiderte ich: »Euer Exzellenz, das hat Gott verschieden ausgeteilt. Einige erwerben ihre Majorate durch die Geburt, andere erhalten heimfallende Lehen vom König. Meine Dotation ist die Zunge.« Der Minister mußte lachen und versetzte darauf: »Die Gerechtigkeit muß man Ihnen widerfahren lassen. Sie wissen Ihre Domänen gut zu benutzen.«

 

Ich glaube, daß beide Kritiker, der König und der Minister, den Ritter Lang scharf und deutlich erkannt haben, daß aber auch die Art, wie der diese Begebenheiten erzählt, ungemein charakteristisch für den Mann ist. König und Minister hatten keine sonderliche Ursache, von seinem Benehmen entzückt zu sein; aber aus der Kritik, die sie sich nicht enthalten konnten, ihm ins Gesicht zu sagen, klingt doch – für mein Gefühl wenigstens – unverkennbar heraus die Hochachtung vor dem kernhaften Wesen des unbestechlichen Mannes und wohl gar eine gewisse innerliche, ungewollte Freude grade an den Knorren und Zacken dieses »Unbequemen«.

»Eine Zunge« – und eine Feder – »wie ein Schwert.« Allerdings. Schneidigere Waffen hat wohl selten ein Mann geschwungen. Aber er hat sie in einer guten Sache geführt im Kampfe für Wahrheit und Recht. Darum glaub' ich auch, daß es gut ist, dieses halb verschollene Buch wieder ans Licht zu ziehen.

Als im Jahre 1842, sieben Jahre nach dem Tode des Ritters Karl Heinrich von Lang, diese Memoiren erschienen, erregten sie, nach mißlungenem Versuch, sie mit Achselzucken lächelnd totzuschweigen, den bekannten »Sturm der Entrüstung«. Aber nicht etwa gegen die an den Pranger gestellten Narren und Verbrecher, sondern gegen den Verfasser. Kein Wunder. So manche hohe, vornehme, reiche Persönlichkeit war bis ins tiefste Mark getroffen. Was war zu machen? Oh, sehr einfach. Nach dem bewährten Grundsatz: si fecisti, negawenn du es getan hast, leugne – erklärte man einfach: »Es ist nicht wahr; der Ankläger verleumdet!«

Aber widerlegt hat ihn keiner. Und das wäre doch wohl der Mühe wert gewesen, wenn es eben möglich gewesen wäre. Denn der Ankläger war ja nicht der erste beste Hergelaufene, sondern einst ein hoher Beamter, der seine Tüchtigkeit und seinen Gemeinsinn jahrzehntelang durch Taten bewiesen hatte.

Mag auch nicht jede Einzelheit von dem, was Lang berichtet, buchstäblich nachgewiesen sein, an der Richtigkeit seiner Schilderungen ist nicht zu zweifeln, und dies ist für uns Fernerstehende die Hauptsache. Das den Langschen Tropfen aufgeklebte Warnungsetikett »Mit Vorsicht zu benutzen« – ist immer zu beachten, auch den allerberühmtesten Historikern gegenüber. Ich möchte an dieser Stelle nur bemerken, daß manche der von Lang mitgeteilten Fälle auch von anderen durchaus zuverlässigen Autoren, z. B. Feuerbach, auf Grund von Akten und amtlichen Schriftstücken bestätigt worden sind.

Man könnte nun vielleicht sagen: »Wozu denn diese alten Skandalgeschichten – um die es sich zu handeln scheint – wieder aufrühren? Das ist doch unerquicklich.« O nein, im Gegenteil. Diese Memoiren gehören zu den erquicklichsten Büchern, die es gibt, durch den echten, goldenen Humor, der in ihnen waltet. Es wird wohl nicht viele Leser geben, die über diesem Buch nicht manchmal laut auflachen. Und es sind ja auch beileibe nicht nur die bösen Sachen aus der »guten alten Zeit«, die Lang uns vorführt. In buntem Gewimmel läßt er an uns vorüberziehen die Bilder einer heiteren Jugendzeit, die Serenissimuswirtschaft an einem Duodezhöfchen, das alte Wien, das noch wirklich die Stadt der Phäaken war, ungarisch-serbische Wirtschaft im Schweineparadies, und so vieles andere, vor allem aber das, übrigens von jeher anerkannte, Meisterstück der bunten Narrenwelt des Rastatter Kongresses!

 

In bezug auf die Art der Darstellung drängt sich ein Vergleich mit dem Magister Laukhard auf, dessen »Leben und Schicksale« ich ja ebenfalls dem Staube einer unverdienten Vergessenheit entriß und in der gleichen Lutz'schen Memoirenbibliothek veröffentlichte. Möchte Ritter Lang, der denn doch ein ganz anderer Mann war, ebenso viele Freunde finden wie der Magister, mit dem er den hellen kritischen Kopf und den äußerst scharfen Blick für die Zustände seiner Zeit – der bösen alten Zeit – gemein hat!

Im Frühjahr 1910.
Viktor Petersen.

Die drei ersten Auflagen des Werkes in der Memoiren-Bibliothek erschienen in zwei Bänden (Dritte Reihe, Band 9 und 10). Durch Wahl einer kleineren Type und durch einige Streichungen ist es jetzt möglich geworden, diese zwei Bände in einem zu vereinigen und damit den Preis des Werkes erheblich zu verbilligen.


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