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Christophorus

Christophorus der Große,
Der Heiligen Genosse,
War zuerst Reprobus genannt,
Ehe ihm Christus war bekannt.
Er stammte von Kanaans Riesenheer;
An die zwölf Ellen groß war er,
Breit von Gesicht, schrecklich zu schauen,
Daß er den Leuten war ein Grauen.
In seinem Stolz wollt' er allein
Des größten Herren Diener sein.
Er folgte diesem löblichen Sinn
Und kam zu Kaiser Philippus hin;
Der schien ihm der größte und gewaltig
Ueber die Lande mannigfaltig.
Der Riesenmensch bot ihm also
Seinen Dienst; da wurde froh
Der Kaiser seiner großen Stärke
Zu jedem Kriegs- und Friedenswerke.

Da fügte es sich an einem Tag,
Daß am Hof seines Amtes pflag
Ein Spielmann, der spielte und dazu sang.
Ueber eine Weile nicht lang
Ward von ihm der Teufel genannt.
Da hub der Kaiser auf die Hand
Und segnete sich kreuzesweise,
Weil er zu des Glaubens Preise
Seinen Leib und sein Leben
Christlich hatte dem Herrn ergeben.
Das wunderte den Riesen:
»Herr, was willst du mit diesen
Kreuzweisen Strichen, die ich geseh'n?«
Der Kaiser mußte ihm gesteh'n:
»Das thu' ich, daß der Teufel sich
Zum Herrn nicht mache über mich.«
Da sprach der Riese: »Fürchtest du
Dich so vor ihm, bleib' immerzu
Von meinem Dienste frei! Ich werde
Den Stärkeren suchen auf der Erde!«

Er ging hinweg und suchte lang,
Bis er nach manchem Irregang
In einer Wildnis ward gewahr
Einer gar unheimlichen Schar;
Der ritt voraus ein schwarzer Ritter;
Gräulich und bitter
War seine Gestalt. Der hielt dort an
Und fragte so den Riesenmann:
»Was suchst du hier im Wüstenland?«
Da sprach der Riese allzuhand:
»Den Teufel such' ich durch mein Recht.
Ich möchte gerne sein sein Knecht.«
»Der Teufel bin ich selbst,« so sprach
Der schwarze Ritter. »Mit Gemach
Kannst du in meinem Dienste bleiben
Und teilnehmen an unserem Treiben.«

Der Riese blieb bei ihm so lang,
Bis einst die Teufelschar ihr Gang
Ueber eine Straße zwang,
Allwo ein Kreuz gesetzet war.
Da drückte sich die Höllenschar
Vom Wege abseits in den Busch
Durch Dorn und Stein in einem Husch.

Der Riese fragte: »Herr, warum
Gehst du so harten Weg herum
Von der bequemen Straßen?«
Da sprach der Teufel solchermaßen:
»Weißt du denn das nicht? Wir entweichen
Ueberall dem Kreuzeszeichen,
An dem erhangen ward der Christ,
Der unser größter Gegner ist.«
Der Riese sprach: »Wenn es so steht,
Mein' ich, daß deine Macht nicht geht
So hoch wie jene. Drum will ich dir fluchen
Und lieber jenen Christ aufsuchen
Und mich zu ihm gesinden.
Könnt' ich ihn nur auch finden!«

So ging es von den beiden
Endlich an ein Scheiden.
Jener ging hin, der andere her.
Der Riese fand endlich nach seinem Begehr
Einen Einsiedler im Wald,
Der ihm die rechte Märe bald
Von Christus sagte. »Aber wie,«
Rief Christoph, »dien' ich jenem hie?«

»Durch gutes Leben und Demut!«
Also sprach der Einsiedel gut,
»Durch Fasten und durch Beten,
Oder indem du den Nöten
Der Schwachen deinen Beistand leihst.«

Da sagte Christoph: »Sieh', mein Geist
Ist nicht zum Beten unterrichtet,
Noch mein Leib zum Fasten verpflichtet.
Mit meiner Kraft nur kann ich dienen
Den Schwachen.« – »Nun denn, so hilf ihnen!«
Sprach der Einsiedel, »und trage
Die Wanderer, die Tag für Tage
Zu diesem Flusse kommen, hinüber!«

Der Dienst war unserem Riesen lieber.
Er baute sich mit eig'ner Hand
Ein Hüttlein an des Stromes Strand.
Mit einem harten großen Stab
Watete er dann auf und ab,
Die Wanderer auf dem Rücken.

»Ach, könnt' es mir nur einmal glücken,«
So dachte er, »dem großen König,
Der Christus heißt, dem alles fröhnig,
Selber dienen zu dürfen! Jedoch
Er hehlt sich, scheint es, immer noch.«

Da hörte er in einer Nacht
Eines Kindleins Stimme sacht
Ihn rufen; und er ging hinaus;
Doch fand er gar nichts vor dem Haus.
Er ging zurück. Zum zweitenmal
Hörte er jener Stimme Schall.
Doch als er wieder trat vor die Thür,
War niemand da. Er sank hinfür
Wieder hin zum Schlaf,
Bis ihn die Stimme zum drittenmal traf.
Da sah er vor sich steh'n ein Kind,
Gar hold und lieblich. Treu gesinnt
Nahm es der Riese auf seinen Rücken.
Doch immer schwerer fühlte er drücken
Des Kindes Last. Es war, als ob
Er Felsen und Gebirge hob,
Sodaß er kaum, mit Todesgefährde,
Das Kindlein brachte auf feste Erde.
Als er es setzte auf das Land,
Da sprach er zu ihm allzuhand:
»Ei, Kind, ich habe in meinem Leben
Schon manche Probe der Stärke gegeben;
Doch wurde mir kein Dienst so schwer
Wie heute. Sag', wo kommt das her?«

Da sprach das Kind: »O Riesenmann,
Du thatest, was kaum einer kann!
Du hast, ich will dir's wahrlich sagen,
Heute die ganze Welt getragen
Mit aller Herrlichkeit und Pracht
Und den dazu, der sie gemacht.
Denn sieh', ich bin es, ich bin Christ,
Der dein Gott und dein König ist.
Wenn auch nur in Kindleins Gestalt,
Hab' ich doch aller Welt Gewalt.
In meiner Hand trag' ich die Welt,
So wie den Ball ein Kindlein hält.
Pflanz' in die Erde voll Vertrauen
Deinen Stab, so sollst du ihn schauen
Morgen voll von Blüte und Frucht:
So glaubst du mir in frommer Zucht.«

Und so geschah's. Von jener Stunde
Hieß er Christophorus aus dem Grunde,
Weil er Christi Träger war.
Vom Geist getrieben lauter und klar,
Ging er umher, Christus zu lehren
Und alle Leute zu bekehren.
Ihm ward gegeben im fremden Land,
Daß er alle Sprachen sprach und verstand.
Durch seinen Stab, der Blüten trug,
Bekehrte er des Volks genug
Zu Samos dort in Lydia,
Was mancher Heide ungern sah.
So stark er war, er rächte nicht,
Was man ihm that, nach Christenpflicht.

Ein Heidenherzog hörte dort
Von diesem Riesen, und sofort
Schickte er aus zweihundert Mann,
Ihn zu ergreifen. Da sie ihn sah'n,
Liefen sie fort erschreckt und verwundert.
Da schickte der Richter noch zweihundert.
Die trafen ihn in seinem Gebet.
Christophorus trat vor sie, stät
Und treu, und er predigte ihnen,
Bereit, dem Herrn allzeit zu dienen.
Und davon glaubten alsogleich
Gar manche an das Himmelreich.

Freiwillig ging er dann zum Herrn.
Als der ihn sah, hätt' er ihn gern
Zu seinem Diener gleich gehabt,
Hätt' ihn geehrt und reich gelabt.
Doch er wollte nichts von seinen Schätzen.
Da ließ ihn der Fürst gefangen setzen
Und, die an seine Predigt glaubten,
Ergreifen und sogleich enthaupten.
Das that er gehorsam dem Beschluß
Des bösen Kaisers Decius.

Noch wollte es der Fürst im Guten
Versuchen. Er ließ den Hochgemuten
Durch zwei schöne Frauen bereden.
Doch er zerriß der Arglist Fäden,
Sodaß die Frauen sich selbst bekehrten,
Die Götzen zerschlugen und begehrten,
Mit diesem Heiligen zu sterben,
Die Martyrkrone zu erwerben.
Nicäa und Aquilina hießen
Die Frauen, die sich so martern ließen.

Mit Besen schlug man den Heiligen jetzt;
Ein glühender Helm ward ihm aufgesetzt.
Man zwang ihn auf eine eiserne Bank,
Begoß ihn mit siedendem Pech gar lang,
Band ihn sodann an einen Pfahl,
Schoß auf ihn Pfeile ohne Zahl.
Da traf des Fürsten Aug' ein Pfeil,
Und sterbend sprach der Held: »Dein Heil
Kannst du noch erwerben nach meinem Tode,
Wenn du gehorchest diesem Gebote:
Nimm mein Blut und misch es mit Erde,
Davon dein Auge sehend werde!«

Der Richter that nach des Märtyrers Wort;
Und durch des Toten Blut sofort
Ward sehend sein Auge und sehend sein Sinn.
Den Heidenwahn, er warf ihn hin
Und wurde gläubig. Dies war der Sieg
Des Heiligen, der zum Himmel stieg.

Christophorus, 25. Juli 250. Passional II. S. 345 f. Kaiser Philippus 244-249; Kaiser Decius 249-251.


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