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Elftes Kapitel.

Ich geleitete Märker nachher bis zur Flurtür. Während wir noch vor der Tür einen letzten Händedruck austauschten, kam – Doris Marville im bloßen Kopf, einen schweren indischen Seidenschal um die Schultern, die Treppe herauf und ging, unseren Gruß kühl erwidernd, weiter nach dem Boden zu.

Märker rief mir noch ein: »Auf Wiedersehen« zu und verschwand um die Treppenbiegung.

Zum Glück hatte er nicht bemerkt, wie rot ich geworden war, als ich Doris sah.

Der Menschen Herz soll ja wohl ein wunderlich Ding sein. Und Dichter sprechen von der Liebe auf den ersten Blick – Ich hatte, obwohl selbst Schriftsteller, nie daran geglaubt, hatte diese urplötzliche Hinneigung zu einem Wesen des anderen Geschlechts trotzdem oft genug »ausgeschlachtet«. Man sieht: Poeten sind die größten Heuchler.

Ich war mir noch nicht klar darüber, ob nicht etwa jetzt hier im Spukhause das Wunder sich bei mir vollzogen hatte, aus einem Saulus einen Paulus zu machen. Ich sträubte mich vorläufig noch mit aller Macht dagegen, mir selbst einzugestehen, daß Symptome von recht bedenklicher Art darauf hindeuteten, Doris Marville wäre mir alles andere als gleichgültig.

War's unter diesen Umständen wunderbar, daß ich meine Flurtür erst laut zuschlug, sie dann aber sofort wieder leise öffnete, um zu lauschen, wo Doris blieb?!

Ich hörte das Knarren der Stufen bis etwa zur Mansarde hinauf. Dann kamen eilige Schritte die Treppe wieder herab.

Seltsam! Doris hatte also kehrt gemacht, nachdem sie scheinbar zwecklos bis zum Bodenraum gegangen war. Und nun lief sie wieder denselben Weg sehr hastig abwärts –

Ich zog meine Tür behutsam zu und lauschte –

Jetzt waren die Schritte auf dem Treppenabsatz dicht vor meiner Tür – Ah – zweimal knarrte die Diele –

Dann – ja, was bedeutete das?! Ich hätte doch noch hören müssen, wie die Stufen zwischen zweitem und erstem Stockwerk unter Doris' eilenden Füßchen vor Wonne aufstöhnten –?! – Aber – nichts davon – nichts – Völlige Stille plötzlich –

Doris mußte vor der Tür des Chemikers, des Nachfolgers des rätselhaften Herrn Wehrhut, stehen geblieben sein – noch immer stehen – noch immer –

Ich hielt die Ungewißheit nicht länger aus.

Ganz sacht öffnete ich wieder meine Tür, Millimeter für Millimeter fast –

Kein Mensch da – Leer der Treppenabsatz – leer –!

Ich faßte mir an die Stirn. – Träumte ich?! Wo war Doris – wo?! – Ach – es gab nur eine Erklärung: bei Schellhorn! Und der Chemiker mußte sie sogar erwartet haben! Hätte sie drüben geläutet, hätte ich es ja hören müssen! Mein neuer Mieter hatte also schon aufgepaßt und sie schnell eingelassen –

Mein Herz begann in ein Galopptempo überzugehen –

Wieder ein Symptom?! – Etwa Eifersucht schon –?!

Weg mit den Gedanken! Ich hatte ja Hoseas Auftrag! Das Rendezvous wollte ich stören –

Ich lauerte noch geduldig etwa zehn Minuten hinter meiner Tür. Mein Kommen sollte nicht auffallen –

Dann ging ich hinüber – Die beiden losen Dielen knarrten – Sie hatten auch unter den Füßen des Mannes geknarrt, der auf den Kanzleirat geschossen hatte.

Wenn dieser Mann nun doch Percy Marville gewesen war, Doris' Vater –?! Dann – liebte ich die Tochter eines Diebes und – Revolverhelden, milde ausgedrückt –

Das schoß mir durch den Kopf, als mein Finger den elektrischen Druckknopf suchte –

Die Glocke schrillte. Ich fuhr zusammen – Als ob sie nicht hätte schrillen müssen?! – Aber – meine Nerven taugten nichts mehr, und meine Gedanken hatten einen schlanken, vornehmen Mann im Polizeigefängnis besucht und gefragt: »Darf ich als anständiger Kerl Ihre Tochter heiraten, oder sind Sie –?«

Die Tür öffnete sich handbreit – Die Sicherheitskette – früher bei Wehrhut fehlte sie! – blieb vorgelegt.

Schellhorns feistes Gesicht lugte durch die Spalte.

»Ah – Sie sind's, Herr Malwa – Entschuldigen Sie schon, – ich bin gerade bei einem wichtigen chemischen Experiment, das keine Unterbrechung verträgt. – Haben Sie also etwas Wichtiges?«

»Ja. Wann ist das Experiment zu Ende? – Ich werde wiederkommen.«

»In zehn Minuten.«

»Gut – auf später, Herr Doktor!«

Ich stand wieder hinter meiner Tür. Sicher mit drohenden Falten auf der Stirn.

Was sollte ich nur davon denken –?! Doris bei diesem Menschen, der hier fremd war, der aus Breslau zugezogen war?! – Vielleicht kannte sie ihn von früher her – Das blieb immerhin ein Trost –

Ich stand und lauschte –

Da – wirklich! – Doris huschte davon, die Treppe hinab – Ich hörte Röcke rauschen – frou-frou-Seide –

Dann saß ich »ihm« gegenüber. Er war mein Feind geworden. – Wie häßlich der Kerl war – Und diese Frisur –! Dieses festgeklebte Haar – scheußlich! Auch das Organ so schleimig, so heiser –

»Womit kann ich Ihnen dienen, Herr Malwa?« fragte er nun, sich die Hände reibend und süßlich lächelnd.

Ein Ekel – und dazu Doris –!

Ich hatte die Antwort schon bereit.

»Sie sind Chemiker und Erfinder, Herr Doktor. Ich erwarte da als Hausbesitzer natürlich, daß Sie hier keinerlei Versuche machen, womöglich mit Explosivstoffen, durch die das Leben und die Gesundheit der anderen Mieter oder das Haus selbst irgendwie gefährdet werden könnten. – Das wollte ich Ihnen sagen. Sie werden auch eine schriftliche Erklärung dieses Inhalts abgeben müssen. Ich muß mich vorsehen.«

»Sehr gern – sehr gern!«

Das Vorderzimmer, in dem wir uns befanden, war vielleicht noch armseliger möbliert wie vorher bei Wehrhut mit den Levisohn'schen Sachen –

Während Schellhorn sehr lange an der Erklärung schrieb, schaute ich mich sehr genau um. Aber ich entdeckte nichts Besonderes.

Der Doktor wollte sich mit mir dann offenbar noch auf eine längere Unterhaltung einlassen. Ich aber schützte dringende Geschäfte vor und ging.

Die mir entgegengestreckte Hand dieses Scheusals übersah ich –

Drüben in meinem Wohnzimmer schaute ich mir die Niederschrift Schellhorns nochmals genau an. Ich verstehe ein wenig von Handschriftendeutung.

Nein – was hatte das Ekel nur für eine Pfote? Das war ja das reine A-B-C-Schützen-Gekritzel –

Hm – oder – oder – Ein Verdacht zuckte blitzartig in mir auf –

Abermals prüfte ich die Schrift. – Verstellt – natürlich verstellt – kein Zweifel! Und – zum Donner – diese Haken an einigen Buchstaben –, die hatte ich doch schon mal gesehen und dabei gedacht: ein gewalttätiger Charakter –! – Wo aber nur, wo –?!

Ich fand keinen Weg, der in die Vergangenheit zu der anderen Schrift, dem anderen Schreiben hinführte.

Ich gab die Sache auf – vorläufig.

Dann dachte ich wieder an Doris, an die böse Enttäuschung, daß sie – und das Scheusal sich so genau kannten, so genau – bis zum heimlichen, hastigen Besuch am Tage.

Und ich dachte weiter: Wenn Du Dich trotzdem so nach ihr sehnst, – Du bist doch Hausbesitzer, kannst leicht Dir jederzeit etwas in der Wohnung ansehen wollen –!

Dann saß ich Doris wirklich gegenüber. Ich war als Tröster, nicht als Spion zu ihr gekommen, und diese Ueberzeugung gab mir eine überlegene Ruhe. – Ich berichtete ihr zunächst, was ich wußte, betonte, daß das Schränkchen doch zur Fortschaffung Wehrhuts gedient hätte und daß gerade dieser Punkt in seinen dunklen Beweggründen der Polizei noch viel zu schaffen mache, kam dann auf die Tatsache zu sprechen, daß Wehrhut mit verbundener Stirn auf der Straße gesehen worden sei.

Da fragte Doris rasch: »Und über den jetzigen Aufenthalt des alten Herrn weiß man nichts?«

»Leider nein! – Immerhin ist bereits die Frage in Erwägung gezogen worden, Ihren Herrn Vater und Merling aus der Haft zu entlassen.«

Ihre Entgegnung versetzte mich in geradezu maßloses Erstaunen.

»Oh, so dankbar ich Ihnen auch bin, Herr Malwa, weil Ihr gutes Herz Sie veranlaßte, mir diese Neuigkeit nicht vorzuenthalten: unseren Wünschen entspricht es durchaus nicht, daß Herr Merling und mein Vater jetzt schon freikommen.«

Ich starrte sie ungläubig an, meinte, mich verhört zu haben.

Sie lächelte ganz wenig. »Sie werden dies später begreifen, Herr Malwa. Fürs erste aber betrachten Sie bitte diese meine Aeußerung als ein Geheimnis, das ich vertrauensvoll in Ihre Hand lege.«

Ich verlebte noch eine köstliche Stunde in ihrer Gesellschaft. Und als ich mich verabschiedete, reichte sie mir wie einem guten Freunde die Hand und sagte:

»Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Besuch. Ich denke, wir sind jetzt so etwas wie geheime Verbündete.«

Wie im Traum ging ich die Treppe nach oben – In mir war ein Singen und Klingen wie köstlichste Sphärenmusik –

»Wo hast Du denn gesteckt?« begrüßte mich Hosea, der im Wohnzimmer am Ofen stand und eine lange, dicke Zigarre im Munde hatte.

Da wurde ich erst gewahr, daß ja das Gas schon brannte – Ich hatte bei Doris den Flug der Zeit völlig vergessen – Nachdem ich von meiner Visite bei Doktor Schellhorn erzählt hatte, mußte ich notwendig auf meinen eigenmächtigen Besuch bei Doris Marville näher eingehen.

Hoseas Verhalten hatte sich geändert, als ich erklärt hatte, wie eilig Doris in der Wohnung Schellhorns verschwunden war. Er hatte seinen Platz am Ofen verlassen und hatte sich in die Sofaecke gesetzt. Seine Augen ruhten voller Spannung auf meinen Lippen.

Etwas kleinlaut gab ich zu, daß mein mitfühlendes Herz mir einen Streich gespielt und ich Fräulein Marville anvertraut hätte, was wir von dem wiederaufgelebten Wehrhut wußten. Ich fürchtete, Hosea würde mir Vorwürfe dieserhalb machen. – Er tat es nicht, sondern sagte nur: »Recht genau erzählen – recht genau!«

Ich erwähnte daher auch die merkwürdige Aeußerung der Tochter Marvilles: »daß es unseren Wünschen durchaus nicht entspricht, wenn mein Vater und Merling jetzt schon freikommen –«

Hosea pfiff leise durch die Zähne. Dann sagte er: »Hör' mal, Phantasiemörder, wir wollen jetzt mal über Deine kritische Urteilskraft ein wenig reden. Ist Dir bisher nicht im geringsten aufgefallen, daß ein Mann mit einer Kugel im Schädel wohl kaum vier Stunden nach seiner Verwundung vergnügt auf der Straße spazieren gehen kann, wie dies doch hier der Fall gewesen zu sein scheint –?! – Bitte, unterbrecht mich nicht! – Gewiß, es kann vorkommen, daß die Kopfschüsse keine schlimmen Folgen haben. Aber jeder Arzt wird bestätigen, daß ein sofortiges Herumlaufen nach einer solchen Verletzung ausgeschlossen ist. – Was muß man daher annehmen?«

»– daß das Stubenmädchen und ihr Schatz, der Unteroffizier sich geirrt haben,« sagte Borwin schnell. »Es war nicht der Kanzleirat, den sie gesehen haben wollen.«

»Und das Pflaster auf der Stirn?« meinte Hosea ironisch.

Borwin und ich schwiegen.

»Kinder, – die Chemie muß hier helfen!« sagte Hosea gönnerhaft. »Der Major glaubte einen Kugeleinschuß an dem Kopf des auf dem Läufer Liegenden vor sich zu haben. Die Wunde muß also wohl große Aehnlichkeit mit einer Einschußöffnung gehabt haben. – Ich müßte Euch nun eigentlich einen langen Vortrag über ein Gemisch verschiedener Substanzen halten, will mich aber darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß es ein chemisches Gemenge gibt, das äußerlich genau so aussieht wie Blei, in Wirklichkeit aber, als Kugel aus einem Revolver abgeschossen, sehr bald nach dem Verlassen des Laufes zerspringt und völlig unschädlich ist. – Ich sage: Sehr bald! Wird allerdings ein solches Geschoß aus nächster Nähe jemandem vor die Stirn geknallt, so gibt es doch eine Verletzung ab, die dann bei oberflächlicher Besichtigung leicht für einen echten Einschuß gehalten werden kann. – Daß Wehrhut mit einer derartigen Kugel Bekanntschaft gemacht hat, habe ich bereits bei meinem ersten Besuch in seiner Wohnung festgestellt. Ich fand auf dem Läufer noch winzige Reste der geplatzten Kugel und ließ sie durch Vermittlung Märkers von dem Palmburger Gerichtschemiker untersuchen. Märker kennt also diese Einzelheit, die, wenn man sie als Grundlage für Kombinationen nimmt, recht wichtige Schlüsse ergibt. Zum Beispiel: Der ganze Ueberfall auf Wehrhut könnte nur vorgetäuscht sein! Es könnte also eine fein vorbereitete Komödie vorliegen, die man zu irgend welchen Zwecken in Szene gesetzt hat. – Hiergegen spricht jedoch sehr vieles. Ich will das nicht näher ausführen. Die ganze Weiterentwicklung der Sache ist jedenfalls nicht derart, daß man mit dieser Möglichkeit rechnen darf. Nein – Wehrhut sollte beseitigt werden. Daß der Ueberfall mißlang, daß der Kanzleirat nur für kurze Zeit ohnmächtig wurde und mit Hilfe des Schränkchens fortgeschafft werden konnte, nachdem er zusammen mit Merling zu Marvilles hinuntergelaufen war, – dies alles hat der Angreifer wahrhaftig nicht beabsichtigt! Er hat also die Bleikugeln der Revolverpatronen nicht gegen die harmlosen Geschosse ausgetauscht, sondern ein anderer tat's, einer, der wußte, daß man ihm nachstellte, der die Gefahr vorausahnte, gerade so wie ich jetzt ahne, daß man mir auflauert – Und dieser andere kann nur Wehrhut selbst gewesen sein! – Spinnen wir diesen Gedanken noch weiter aus. Gehen wir auf die Ausführung der Tat näher ein! – wir haben bereits zweifelsfrei nachgewiesen, daß der Angreifer hier aus Deiner Wohnung kam, lieber Phantasiemörder, daß er die beiden losen Dielen zum Knarren brachte, bei Wehrhut anläutete und sicherlich die Waffe schon bereit hielt. Das Folgende dürfte sich dann so abgespielt haben: Wehrhut öffnet die Tür. Er sieht einen Fremden, nicht den, den er als seinen Feind kennt. Der Fremde drängt den alten Herrn in den Flur, hebt den Arm, feuert aus kürzester Entfernung. Der Kanzleirat fällt sofort hintenüber, und der Attentäter, überzeugt, daß der Mord vollbracht ist, flieht hierhin zurück. – Ich sagte: Wehrhut sieht einen Fremden vor sich! Wäre es sein Feind gewesen, hätte er wohl Mittel und Wege gefunden, den Ueberfall trotz der Plötzlichkeit zu verhindern. Dieser Fremde kann nun entweder ein guter Freund des Gegners des Kanzleirats gewesen sein, oder – der Gegner selbst in einer Verkleidung. Ich nehme das letztere an und denke dabei an das Hermine Löckner-Gespenst, und zwar aus folgenden Gründen: der Mörder mußte doch immerhin damit rechnen, jemandem im Treppenhause zu begegnen, obwohl er zu der Ausführung der Tat nur ganz kurze Zeit gebrauchte. Eine solche Begegnung verlor aber alles gefährliche, wenn der Mann als Geist Hermine Löckners auftrat, da vor diesem wahrscheinlich alle Hausbewohner elend ausgerissen wären nach dem guten Vorbild des Herrn Lehrers mit dem fürchterlichen Namen Bruchstück. – Ihr seht: der Mörder ist in seiner Art ein ganz listenreicher Geselle! Ich bin überzeugt, daß er Tante Hermine spielte, als er die harmlose Kugel abfeuerte. – Der Ueberfall war glänzend vorbereitet, – fraglos! Nur damit hatte der »Geist« nicht gerechnet, daß sich bei seinem kurzen Besuch bei Wehrhut in dessen Wohnung gerade der Maler Merling befand und daß – die Kugel eigentlich keine Kugel war! Der schöne Plan erhielt also von vornherein zwei üble Risse, und diese Risse klafften dann immer weiter, bis man durch sie wie wir jetzt hindurchschauen und den Dingen auf den Grund gehen konnte. – Der Geist Hermine Löckners ist mithin kein bloßer Schabernack, um das Haus hier zu beunruhigen, sondern ein wohlüberlegtes Mittel, um den Mordversuch in möglichst geheimnisvolles Dunkel zu hüllen.« –

»Der Mörder weiß doch ohne Zweifel, daß sein Plan mißglückt ist,« meinte ich jetzt. »Er müßte also, wenn er nicht eben als Geist aufgetreten wäre, in größter Angst um seine Sicherheit sein. Und wenn –«

Hosea winkte mit der Hand ab.

»Zwecklose Erörterungen, Phantasiemörder! – Ich sage Dir: Der Mörder war auch derart bestürzt, als er den wahren Verlauf der Dinge erfuhr, daß er verschiedenes tat, was er besser unterlassen hätte!«

»Was denn zum Beispiel?« fragte Borwin schnell.

»Schrei' nicht so! Du hast mich erschreckt!« fuhr Hosea wütend auf, dem Messer und Gabel aus der Hand gefallen waren.

Diese Wut war natürlich Komödie. Aber was dahinter steckte, brachten wir nicht heraus.

Wir gaben es schließlich auf, aus Hosea eine Erklärung herauszulocken.

Als ich dann behauptete, Hosea wisse doch fraglos, wer der Mörder sei, erwiderte er ganz ernst:

»Ich weiß es wirklich, – seit heute aber erst. Vermutet habe ich's schon seit einigen Tagen. – Gebt Euch aber keine Mühe, den Namen von mir zu erfahren. Und – schweigt!« –

Eine halbe Stunde später fand sich Bruchstück zum Skat ein.

Ich hatte vermutet, daß Hosea ihn nach allem möglichen ausfragen würde. Nichts davon. Nur etwas fiel mir auf.

Als Hosea einmal zum Reizen daran war, sagte er ganz leise »Coeur-Solo« an. Bruchstück hatte ihn nicht verstanden und fragte:

»Was war's, Herr Garblig?«

»Sie scheinen schlecht zu hören, Herr Lehrer,« meinte Hosea lächelnd. »Für einen Jugenderzieher nicht gerade angenehm einer Rotte von fröhlich frechen Jungens gegenüber!«

»Oh – Sie irren, Herr Garblig. Ich habe ein vorzügliches Gehör!«

»So – so. Das freut mich. Sie haben ja auch gemerkt, daß der Major und ich heute nachmittag uns von den Bodenfenstern die Aussicht angesehen haben.«

»Allerdings. Obwohl Sie beide doch leise auftraten, – was Sie wohl zugeben werden.«

»Ja – wir wollten Sie nicht stören. – Also: Coeur-Solo! – Wer bietet mehr?«

Aus diesem Gespräch war mir die Aeußerung wichtig, daß der Major und Hosea »leise aufgetreten« waren, und auch meines Freundes Erklärung: »Wir wollten Sie nicht stören.« – Dieser Grund für einen möglichst lautlosen Besuch der Mansarde war meiner festen Ueberzeugung nach nicht der richtige, sondern nur eine Verlegenheitslüge. Ich wurde für Minuten sehr unaufmerksam, da ich darüber nachgrübelte, ob Hosea vielleicht tatsächlich des Eiszapfens wegen auf dem Boden gewesen war, von dessen niedrigen Fenstern aus man bequem die Dachrinne in Augenschein nehmen konnte, an der sich die riesigen Eisnadeln immer wieder bildeten, sehr zu Meister Gottliebs Aerger.

Der weitere Verlauf des Skatabends brachte nichts Bemerkenswertes.


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