Walther Kabel
Die Antenne im fünften Stock
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8. Kapitel.
Unerwiderte Liebe

Harst hatte nur hin und wieder eine Frage eingestreut.

Jetzt nahm er sein Zigarettenetui hervor . . .

»Sie gestatten wohl, daß ich rauche . . . Ich will nachdenken . . .«

Und rauchend ging er im Zimmer auf und ab. Da stand auch eine Schreibmaschine. Sie gehörte Mary Douglas.

Harald stellte sie auf den Sofatisch und spannte ein Blatt Papier ein, schrieb einige Zeilen . . .

Und – entnahm seiner Brieftasche jenes anonyme Schreiben, das uns auf die Antenne im fünften Stock aufmerksam gemacht hatte.

Sagte dann: »Dieser Brief stammt von Mary, wie die kleinen Fehler dieser Maschine verraten . . . Lesen Sie!«

Er gab Thomas und Lizzia den Brief.

Bestürztere Gesichter als die der beiden Menschen da auf dem Sofa habe ich selten gesehen . . .

Dann fragte Harald Frau Eriksen:

»Hat Ihre Schwester Ihnen gegenüber nie geäußert, daß sie Ihren Schwager Thomas liebe?«

Frau Lizzia wurde sehr verlegen.

»Ja – allerdings . . .«

»Und ist es zwischen Ihnen und Mary nicht zu Szenen gekommen, weil Mary annahm, Thomas habe mit Ihnen eine – Liebelei?«

»Ja – – leider . . .«

»Herr Gott, davon weiß ich ja gar nichts,« rief Eriksen entsetzt . . . »Mary – hat mich geliebt?! Diese exaltierte Mary?!«

Frau Lizzia nickte traurig . . .

»Sie muß Dich sogar bis zum Wahnsinn geliebt haben, Tom . . .«

Harst fragte aufs neue:

»Wußte Mary mit Schußwaffen umzugehen?«

»Tadellos, Herr Harst . . .«

»Besaß sie eine Luftbüchse?«

»Ja – allerdings . . .«

»Und haben Sie vielleicht den letzten Drohbrief, den von gestern, bei sich?«

»Bitte!«

»Ah – auch Schreibmaschinenschrift – genau dieselbe Schrift wie der Brief an mich . . . – Herr Eriksen, Sie ahnen nun wohl schon die Zusammenhänge. Der Geheimbund war – Mary. Mary wollte Sie von Ihrem Bruder und Ihrer Schwägerin für immer trennen, weil sie hoffte, daß sie dann Ihre Liebe erringen könnte. Deshalb die Forderung in den Drohbriefen, die Brüder sollten sich nie mehr sehen . . .«

»Entsetzlich!« stöhnte Frau Lizzia. »Aber – ich traue Mary derartiges schon zu . . . Wie – wie eine Furie ist sie einmal in Neuyork auf mich zugesprungen und hat mir ins Gesicht geschrien, ich hätte ein Verhältnis mit Tom . . .« – Sie begann zu schluchzen.

Harst beruhigte sie.

»Ich werde mit der Polizei nun alles in Ordnung bringen, Herr Eriksen,« wandte er sich dann an den Ingenieur. »Die Sache wird für Sie kein Nachspiel haben. Die Herren der Kriminalpolizei tun mir gern einen Gefallen.« –

Wir verließen dann gemeinsam das Haus in der Waitzstraße und begaben uns auf Haralds Vorschlag hin zu Laukens . . .

Harst meinte, Fräulein Sieglinde habe es wohl verdient, recht bald in alles eingeweiht zu werden.

So lernte auch ich Sigi Lauken kennen . . .

Freilich – viel gesprochen habe ich damals mit Sigi nicht . . . Denn Thomas Eriksen nahm die Gelegenheit sofort wahr und – verlobte sich mit der kleinen Radiospionin . . .

Wie gesagt: Sigi hatte für uns andere wenig Zeit! –

Später haben wir dann in dem Häuschen draußen in der Eigenheimkolonie manch behagliche Stunde bei dem alten Herrn Eriksen gemeinsam mit dem jungen Paare verlebt und oft herzlich gelacht, wenn die Rede auf die Falltüren kam, die der alte Herr zu seiner Sicherheit und zum Schutz gegen die Geheimbündler hergestellt hatte . . .

Ich glaube kaum, daß einer der Leser zu Anfang dieser Geschichte auch nur im entferntesten ahnte, wie die »Antenne« zum Schluß ausklingen würde . . .

Wir, Harst und ich, ahnten es ja selbst nicht . . .

 

*

 

Der folgende Band dieser Sammlung:

Das Gespenst von Kap Tschi-Lao

spielt in den chinesischen Gewässern und behandelt Leben und – Untaten einer geheimnisvollen Persönlichkeit, der erst ein Harald Harst die Maske vom grausamen Asiatengesicht reißen konnte.

 


 


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