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Vom rechten Frieden.

(Zum Johannis-Fest.)

Mit der heutigen frohen Feier, dem schönsten unserer Feste, haben wir abermals ein neues Maurerjahr begonnen und gern die Gelegenheit benutzt, uns einander aufs Herzlichste zu beglückwünschen. Auch jetzt möchte ich noch für jeden unter uns, für unsere alt-ehrwürdige Loge wie für die den ganzen Erdkreis umfassende Bruderkette einen wohlgemeinten Wunsch mit den Worten des Dichters aussprechen:

Holder Friede, süsse Eintracht,
Weilet, weilet freundlich über dieser Stadt!

Dieser Wunsch darf als ein zeitgemässer angesehen werden. Die ganze Menschheit scheint im Kampfe mit einander begriffen zu sein, fast alle Völker der Erde stehen sich bewaffnet gegenüber, zwischen zwei Nationen ist ein blutiger Krieg entbrannt, die in unserem theuren Vaterlande jüngst vorgenommenen Wahlen liessen aufs Neue im grellen Lichte die schroffen Gegensätze der sich oft in so gehässiger Weise bekämpfenden Parteien erkennen. So ists draussen in der profanen Welt. Und ist es etwa anders auf dem weiten Gebiete der Freimaurerei? Ach, wie oft muss auch da der Genius des Friedens schmerzerfüllt sein Haupt verhüllen! Um so sehnlicher wünschen wir: Friede sei mit uns!

Unser Wunsch bezieht sich zunächst auf den edlen Herzensfrieden. Was ist unter diesem Frieden zu verstehen? Wie gewinnen wir ihn? Es giebt gewiss hohe, für den Menschen werthvolle Güter auf dieser Erde: Vermögen, ein behagliches Heim, Gesundheit des Leibes und Frische des Geistes, Erfolg im Beruf, Ehre und Ansehen. Und doch, so schätzenswerth auch diese Güter sein mögen, es giebt etwas Höheres, das sie alle überragt und überdauert: der Friede des Herzens, die innere Stille, das wirkliche Glücklichsein. Der Dichter Ewald v. Kleist lässt in seiner Idylle »Irin« ein liebliches Bild von dieser inneren Harmonie vor unserem Geiste entstehen. Es ist ein linder Sommerabend. Die goldene Abendsonne sendet ihre letzten freundlichen Grüsse verklärend auf die Erde. Ruhig liegt der See vor uns, den klaren Himmel in sich widerspiegelnd. Ein Vater sitzt mit seinem Knaben im Kahn und fährt langsam dahin.

»Wie schön ist Alles und wie froh
Und glücklich macht uns die Natur!«

so ruft der Sohn entzückt aus.

Ja«, so sagt der würdige Greis, »sie macht uns froh
Und glücklich, und du wirst durch sie
Glückselig sein dein Lebelang,
Wenn du dabei rechtschaffen bist,
... O Geliebtester!
Ich werde nun in Kurzem dich
Verlassen und die schöne Welt,
Und in noch schönern Gegenden
Den Lohn der Redlichkeit empfahn.

 

... Jetzt wartet schon
Das Grab auf mich. Ich fürcht' es nicht.
Der Abend meines Lebens wird
So schön als Tag und Morgen sein. –
O Sohn, sei fromm und tugendhaft!
So wirst du glücklich sein, wie ich,
So bleibt dir die Natur stets schön.«

Da haben wir ein anmuthiges Symbol des edlen Herzensfriedens, des Friedens, in dem ein treuer Mensch sich eins weiss mit seinem Gewissen, mit guten Menschen, mit Gott. Diesen Frieden wünschen wir uns, nach diesem Frieden sehnen wir uns.

Der du von dem Himmel bist, alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist, doppelt mit Erquickung füllest.
Ach, ich bin des Treibens müde! Was soll all' der Schmerz, die Lust!
Süsser Friede, süsser Friede, komm, ach komm in meine Brust!

Durch welches Mittel können wir Frieden gewinnen? Die Menschen suchen das Glück in der Regel ausser sich, im Genuss, in Zerstreuungen, in Vereinen, in der Arbeit. Du wirst ihn nie ausser dir, sondern nur in dir finden, in stiller Sammlung. Nimm dir täglich Morgens und Abends eine Viertelstunde, in der du allein mit dir bist, ganz allein mit dir, allein mit deinem Gott! Lass die Stunden, die du hier zubringst, Stunden stiller Andacht sein! Gieb deinen Sonn- und Feiertagen das Gepräge der Stille und der Weihe! Verkehre mit gleichgesinnten friedliebenden Freunden und Brüdern! Gieb dich dem Herrn hin, der der Friedefürst heisst! Dann kommt der Friede, der vom Himmel ist, in deine Brust. Und dieser Friede bleibt, falls du ihn als ein herrliches Kleinod hütest, immer bei dir; mag ihn auch dein eigenes Fleisch und Blut zuweilen stören, mögen deine Mitmenschen –

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben,
Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt! –

deinen Frieden hin und wieder beeinträchtigen – hast du wirklich Frieden in deinem Herzen, dann kann ihn die Welt mit ihrer Noth nicht daraus vertreiben; du wirst in dem Maasse reicher an edlem Herzensfrieden werden, als du Gottes Kind wirst.

Wo Glaube, da Liebe,
Wo Liebe, da Friede.

Zu dem edlen Herzensfrieden schenke uns der a. B. a. W. den edlen Hausfrieden! Als eine Freistätte des Friedens in dieser friedlosen Welt hat der gütige Vater der Menschen ihnen ein stilles trautes Heim gegeben. Im freundlichen Kreise der Familie soll der Mann immer wieder den Frieden finden, der ihm so oft im feindlichen Leben getrübt wird. In ihrem Hause soll die Frau die hohe Befriedigung gewinnen, die ihr die glänzendsten Gesellschaften doch nicht geben können. Friede sei mit dir! so spricht der treue Mann zur Gattin, sie schützend gegen alles Feindselige. Friede sei mit dir! so beruhigt die sanfte Gattin den Gatten und sucht ihm als ein Engel des Friedens die Sorgen aus seinem Angesicht zu verscheuchen und die Steine des Anstosses aus seinem Wege zu räumen. Wie glücklich das Haus, wo solcher Friede waltet! Wie reich das Ehepaar, dem das Allerbeste und Allerschönste nicht fehlt, der edle Hausfriede! O, dass in unseren Häusern, liebe Brüder, dieser Friede allezeit die Herrschaft führte: Lasst uns mit unseren theuren Schwestern in schöner Harmonie und süsser Eintracht, wie ein Herz und eine Seele, die Lasten des Lebens mit einander tragen und die Pflichten des Hauses mit einander erfüllen, vereint in der Liebe, die sanftmüthig und freundlich ist, vereint im Glauben an den Herrn, der den Frieden giebt. –

Der rechte Freimaurer besitzt eine Friedensstätte in seinem Herzen, eine andere in seinem Hause und eine dritte, ihm besonders liebe, in seiner Bauhütte. Auch mit Bezug auf diese wünscht er:

Holder Friede, süsse Eintracht,
Weilet, weilet freundlich über dieser Stadt!

Aus der Geschichte wie aus der Idee der Königlichen Kunst ergiebt sich zur Genüge die erhabene Bestimmung der Loge als eine Stätte des Friedens. Als zu Anfang des vorigen Jahrhunderts treue Männer zur Ausübung der Freimaurerei einen Bruderbund schlossen, trieb sie dazu das sehnliche Verlangen nach einer Heimath des Friedens; sie wollten von ihrer Arbeitsstätte fernhalten religiösen und politischen Hader, wie überhaupt allen Zank und Streit; einmüthig und aus reinem Herzen wollten sie friedlich-still Gott anbeten im Geist und in der Wahrheit und als sittlich tüchtige Männer in jeder Beziehung gewissenhaft ihre Pflichten erfüllen. Es war demnach die Loge im besten Sinne des Wortes eine Heimath des Friedens, die Brüder aber Männer, welche Frieden hatten und Frieden hielten. So mannigfach und tief eingreifend die Wandlungen des Freimaurerthums auch gewesen sein mögen, – die ideale Bestimmung jeder g. u. v. Loge ist gottlob dieselbe geblieben.

Was im Allgemeinen von dem Freimaurerthum gilt, das gilt insbesondere auch von unserer Bauhütte. Das hat Jeder von uns erfahren können. Wir verdanken unserer ehrwürdigen und geliebten Bauhütte viele Stunden süssen Friedens, viele Stunden edler Arbeit mit treuen Brüdern, viele Stunden, die uns erquickten und erbauten, die uns das Herz warm machten für ideales Leben, viele Stunden, die uns wie mit Flügeln der Freude heraushoben aus dem Dunstkreis der gewohnten Sorgen und uns hinaufstellten auf eine sonnige, lichte Höhe, von der wir erkannten, dass über den Sternen der Friede wohnt, von der wir auch unseren Lebensweg erkannten, der zum Frieden führt. Das waren weihevolle Stunden, Stunden, die uns beim Verlassen dieser heiligen Halle bekennen liessen: Wie glücklich fühlten wir uns hier heute wieder! Welch ein tiefer Friede erfüllte uns in diesen Stunden!

Das erfahren wir auch heute am Johannisfeste, an dem schönen Feste, das eine wunderbare, eine besänftigende und doch begeisternde Wirkung auf uns ausübt, das schöne Fest, das unsere Brust mit der Rose schmückt, dem Symbol der Liebe und der Unschuld, das schöne Fest, das uns emporschauen lässt zu Johannes dem Täufer, unserem verklärten Schutzpatron, der nach hartem, beharrlichem Kampfe den Frieden der Ewigkeit gewonnen hat, das schöne Fest, das uns zuruft: Seid einig, einig, einig! Und von unserem Bundesgeist bewegt, geloben wir: Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern.

Möge ein Jeder von uns ernstlich dafür sorgen, dass dieses Gelübde sich verwirklicht! Hüten wir uns vor aller Gleichgültigkeit und bequemem Sichgehenlassen! Hüten wir uns aber auch vor dem ungestümen, rücksichtslosen Vorgehen, vor dem Terrorisiren! Bekämpfen wir mannhaft die böse Lust, den Eigenwillen überall durchzusetzen, Böses mit Bösem zu vergelten, Beleidigungen zu wittern und Empfindlichkeiten zu zeigen! Statt sich gegenseitig zu befehden, sollten die Brüder der Welt zeigen, dass sie eins sind in der Liebe. Stellen wir uns darum unter die Zucht des göttlichen Geistes und unter die Zucht seines Gesetzes!

Vergebens werden ungebundene Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.
Wer Grosses will, muss sich zusammenraffen,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

Halten wir darum in unverbrüchlicher Treue fest an den Grundgesetzen der Königlichen Kunst, an dem lebendigen, herrlichen, in der That sich beweisenden Glauben an Gott, sowie in der Liebe zu den Brüdern und zu allen Menschen! Bleibt in der Liebe! Nur dann sind wir rechte Johannisjünger, nur dann bleibt die Loge Carl zur gekrönten Säule eine traute Stätte edlen Friedens, in der wir uns wohl und glücklich fühlen.

Holder Friede, süsse Eintracht,
Weilet, weilet freundlich über dieser Stadt!

Der Bruder, der Frieden in sich, in seinem Hause und in seiner Loge gefunden hat, wird diesen Frieden auch der unter der Zerrissenheit und dem Unfrieden seufzenden Menschheit bringen. Gelegenheit dazu wird er reichlich finden. O, wer hineinsehen könnte in die Häuser unserer Stadt, in die Herzen unserer Mitmenschen, der würde darin leider nur zu oft Unfrieden, Jammer und Noth finden! Wie manche arme Familie sitzt sorgenvoll am spärlichen Abendbrot! Da der Mann die Seinen in treuloser Weise verlassen hat, so weiss die Mutter mit ihrem Häuflein Kinder nicht ein noch aus. Wie sollen sie Frieden haben! – In wie vielen Häusern haben sich die Herzen entzweit. Mann und Frau, Bruder und Schwester gönnen sich schon längst kein freundliches Wort mehr. Trauernd weicht der Engel des Friedens von ihnen. – Wie mancher Zweifler ringt nach der Lösung der Räthsel des Weltlebens, nach der Lösung der Fragen: Woher kommt die Menschheit? Wohin geht sie? und verliert dabei das kostbare Gut des Friedens! – Wie manche angefochtene Seele sucht Versöhnung auf verkehrtem Wege! – Nach Frieden verlangt der Kranke, nach Frieden sehnt sich der Sterbende.

O, dass zu ihnen alle der Friede käme! O, dass der Gott des Friedens bei einem Jeglichen einkehrte mit seinem reichen Troste! Unsere Pflicht aber bleibt es, ihm bei solchem Friedenswerk Helfer zu sein. Es giebt nichts Schöneres für den, der Frieden hat, als Frieden zu geben und Frieden zu stiften, als ein bekümmertes Angesicht in ein fröhliches umzuwandeln und in ein gequältes Menschenherz den Balsam des Friedens zu träufeln. Der Freimaurer bringt den Frieden durch sein sanftes Wesen, seinen friedlichen Wandel, seine herzliche Theilnahme, sein versöhnliches Wort, sein stilles Wohlthun.

O, sei ein Friedensbringer! Du wirst dadurch den Frieden deines Herzens vermehren. Was der Mensch säet, das wird er ernten. Wer Unfrieden säet, der wird Unfrieden ernten. Dagegen wächst der Friede Derer, die Frieden haben, Frieden halten und Frieden stiften. Tiefen, ewigen Frieden im Herzen, gehen sie hindurch durch diese Welt des Unfriedens, hinauf in die himmlische Heimath, wo die Liebe nimmer aufhört, wo auch der Friede nimmer aufhört.

Darum erfülle deine Pflicht als Freimaurer! Habe Frieden, halte Frieden, stifte Frieden! Vielleicht ist dir dazu nur noch eine kurze Frist gegeben. Auch an diesem fröhlichen Feste grüsst dich abermals ein schlichter Hügel, der auf dich wartet, dein Grabeshügel. Möge die Inschrift auf demselben eine wahre sein: Er ruht in Frieden, er ruht in Gott. –

Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heissen!

Br. G. Schlott.


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