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XXV.

Martin wühlte im Golde.

Für die ersten zwei Jahre seiner jungen Ehe hatte er Frau Luise nicht dazu bewegen können, das alte Haus in der Potsdamer Straße zu verlassen. Sie widersprach ihm gerade in diesem Punkte mit einer Willenskraft, die er ihr nicht zugetraut hätte.

Also mußte er warten. Und das verstand er ja. Denn er hatte warten gelernt.

Sein Zeitvertreib wurde inzwischen das Geld!

Die geliebte, seine heißgeliebte Asche!

Es gefiel ihm schon gar nicht, daß seine Frau all die Jahre ihre vielen Millionen zu einem ganz geringen Zinsfuß in mündelsicheren Staatspapieren, die noch der verstorbene Gatte angekauft hatte, unangetastet auf der Reichsbank liegen ließ und weiter so lassen wollte.

Mißbilligend runzelte er die Stirn, als er sich über den Stand ihres – – jetzt ja seines Vermögens sofort nach der Heimkehr von der Hochzeitsreise durch den Notar der Gattin Bericht erstatten ließ.

Seine Augen verfinsterten sich.

»Das hieße ja, die Reichsbank reich machen!« schimpfte er vor sich hin und wollte damit ebenso seine Frau wie auch ihren bisherigen juristischen Berater treffen, vor dessen Schreibtisch die Eheleute zu einem besonderen Zwecke gerade saßen.

Denn Martin verlangte zunächst zwei Unterschriften von seiner Gattin.

Die erste hatte sie gleich heute unter eine Generalvollmacht zu setzen, mit deren Vollzug sie ihm ihre geschäftliche Vertretung zur alleinigen und selbständigen Verfügung in allen ihr Vermögen betreffenden Angelegenheiten für Lebenszeit übertrug.

Die zweite sollte einem Erbvertrag gelten, dessen Vorbereitung und Ausarbeitung der Besuch beim Anwalt in zweiter Linie galt.

Dann – nachdem sie ihm ihr volles Vertrauen in seine reiche Erfahrung, von der er ihr stets so viel erzählte, anstandslos bezeigt hatte – begann er wieder einmal ein neues Leben.

Das Geld mußte rollen!

Er jonglierte mit den Millionen wie jene Artisten, die man so oft im Varieté Porzellanteller oder Glaskugeln in der Luft herumwirbeln sah.

Nur daß diese geschickter waren als Martin Weitbrecht. Daß sie ihr Handwerk besser gelernt hatten – – – treffsicherer arbeiteten.

Zunächst wollte er sich eine Machtstellung schaffen. Wollte Einfluß gewinnen.

Hierzu verhalf ihm ein findiger Buchdruckfachmann.

Nach einer kurzen »Konferenz«, in der ihm der neue Helfer hauptsächlich erst recht viel von seinen Beziehungen zur allerhöchsten Stelle im Reiche vorfaselte, beteiligte sich Martin mit einem kleinen Vermögen an einem eben gegründeten Beamtenblatt, das die Opposition gegen die Regierung unterstützen sollte und die Kartellierung aller subalternen Beamten gegen ihren Brotherrn – den Staat – zum Endziel hatte.

Der Buchdrucker, der in seinen verschiedenen Unternehmungen bald »rechts«, bald »links« schreiben ließ und wirklich bei Hofe »von wegen der rechten Richtung« gar nicht schlecht angeschrieben war, führte ihm das vorläufig überhaupt nicht lebensfähige Organ als »Stütze von Thron und Altar« vor.

Und Martin stützte diese Stütze!

Das nannte er »Kräfte ausstrahlen«.

Zum zweiten betätigte er sich auf dem Baumarkt.

Er sagte sich, wenn der alte Großvater Totzke durch Terrainspekulation soviel Geld erübrigt hatte, müsse es auch ihm ein leichtes sein, dieses Geld durch kühne Transaktionen, die er plante, zu verdoppeln – – zu verdreifachen!

»Was der Kuhbauer konnte, mußt Du doch erst recht im Handumdrehen fertig bringen – – –« war und blieb seine feste Hoffnung, sein einziger steter Trost in seiner täglich größer werdenden Geldgier.

Und er kaufte Terrains in allen Gegenden der Weltstadt und bezahlte sie mit Preisen, die er in zehn Jahren günstigster Entwicklung beim Wiederverkauf nicht würde verlangen dürfen.

In den Kreisen der Berliner Bauschieber wurde er bald eine komische Figur.

Man amüsierte sich weidlich über diese eigenartige Erscheinung auf dem Baumarkt.

Aber auch bekannt wurde er. Wo irgendein schlechtes Geschäft zu machen war, wo eine faul gewordene Hypothek, die niemand mehr beleihen wollte, zum Verfall kam – – da gab es nur einen, dem man die Sache vortrug. Und wenn man es geschickt anfing, wenn man seiner Geldgier die rechte Falle stellte, war er unrettbar verloren.

Und blind tappte er von einer Falle in die andere.

Das nannte er »Werte schaffen«.

Zum dritten war es seine Sucht nach äußeren Ehrungen, die ihn überall noch lächerlicher machte, als er schon war.

Suchte er irgendwelchen Verkehr in vornehmen Kreisen, denen er nun einmal entstammte – – er blieb ihm versagt.

Verschlossen ward ihm jede bessere Gesellschaftsklasse von vornherein.

Vorsichtige Versuche, in irgendeine der vornehmen Vereinigungen Berlins einen Vorstoß zu wagen, wurden gebührend zurückgeschlagen.

Und verwundet mußte er sich mit seiner Schlappe zurückziehen.

Oft erntete er außer dem Schaden auch noch den Spott der bösen Menschheit.

So forderte man ihn manchmal auf, zu Wohltätigkeitsfesten großen Stils, bei denen der einzelne in der großen Menge verschwand, beträchtliche Geldopfer zu bringen.

Und er steuerte nur zu gern und gierig dazu bei, um sich vielleicht so eine Stellung in der Gesellschaft zu erkaufen.

Aber es wurde nur ein Spießrutenlaufen für ihn und Luise.

Alle Operngläser richteten sich auf das ungleiche Paar. Man tuschelte sich seine Geschichte zu!

Auf dem Ball blieb er gemieden.

Die gute Gesellschaft wollte ihm ihre Mißachtung bezeugen.

Und sie tat dies rücksichtslos!

»Mit dem Weitbrecht kann man nicht verkehren! Der hat ja nur des Geldes wegen ein altes Weib geheiratet,« flüsterte man sich verständnisinnig zu und lächelte dabei malitiös.

Mißmutig-verdrossen zog er sich wieder um eine Erfahrung reicher in sein vierzigpferdiges Auto zurück, das ihn nach Hause brachte, wo er sich wenigstens unbespöttelt zeigen konnte.

Aber wer sagte ihm denn, daß nicht auch das eigene Dienstpersonal sich über ihn und seine Ehe belustigte?

Die Portiers der Nebenhäuser grienten ihn jedenfalls frech an, wenn er über die Straße ging.

Und so stieg er meist schon im Hausflur in seinen Wagen, um ihren aufdringlichen, mokanten Gesichtern zu entgehen.

So verging der erste Winter.

Im Sommer entzog er sich den stechenden Blicken der bösen spottsüchtigen Berliner für wenige Monate.

Sein Auto brachte ihn erst nach Rehberge, wo er einige Wochen residierte und Luisen sogar gestattete, den kleinen Emil ins Haus zu nehmen.

Nach Ablauf seiner Sommerferien wurde der Junge wieder ins Kadettenheim zurückgeschickt.

Die Gattin überließ er jetzt der seiner Ansicht nach vollauf genügenden gemütlichen Gesellschaft des Inspektors Hörnig und des neuen jungen Dorf Schulmeisters, nachdem es ihm durch die Macht seiner Millionen gelungen war, jenen bureaukratischen Herrn Schwarz, dem er die Aufregung am Tage seiner Trauung nicht verzeihen mochte, in seiner Eigenschaft als Schulpatron aus der Lehrerstellung zu vertreiben.

Denn er selbst schützte der Gattin dringliche Geschäfte vor, nahm Abschied und reiste nach Berlin.

Von da machte er einen Abstecher nach Ostende, wo er sich »endlich allein« in den langentbehrten Strudel eleganter Vergnügungen stürzte.

Da Rehberge in einem der zahlreichen thüringischen Duodezstaaten lag, war es ihm ganz mühelos gelungen, für teures Geld auf seiner Brust einige Auszeichnungen des um schnöden Mammon stets sehr verlegenen Landesfürstleins zu erhalten.

Um sein Thrönchen nicht zum Wackeln zu bringen, konnte dieser Duodezfürst jeden freiwilligen Beitrag zur Erhöhung seiner Herrlichkeit gebrauchen und quittierte darüber durch eine Ordensverleihung mit wendender Post.

Und zum großen Gaudium aller Berliner Badegäste, die ihn als Sehenswürdigkeit ja genau kannten, trug er diese sichtbaren Gnadenbeweise höchster Huld zu allen Reunions am Frack, der ihn eine glänzende Figur machen ließ.

Die vielen Fremden aber, denen der elegante Herr mit den vielen Orden und dem an den Schläfen schon leicht ergrautem Haar wegen seines martialischen Aussehens immer besonders auffiel, hielten ihn für den Gesandten irgendeines exotischen Reiches.


Der Herbst vereinigte die Gatten wieder in Berlin.

Jetzt waren es wirklich drängende Geschäfte, die Martin erwarteten.

Einige Grundstücke, die er ohne jede eingehende Prüfung der Sachlage viel zu hoch beliehen hatte, waren auf den Antrag anderer Gläubiger unter den Hammer gekommen.

Der Versteigerungstermin stand bevor.

Und Martin machte flugs wieder einen Bruchteil seines Geldes flott und erwarb auf diese Weise stolz und tüchtig ein Haus nach dem anderen.

Nun begann ein Kampf mit den Mietern.

Mit keinem Menschen konnte und wollte er in Frieden leben.

Jeder kleinste Handwerker mußte gegen ihn klagen, um in den Besitz seines wohlverdienten Geldes zu gelangen, das er gutwillig nicht hergab.

Für seine Mieter wurde er eine wahre Gottesgeißel.

Die notwendigsten Reparaturen verweigerte er ihnen. Oder er versprach ihnen baldige Abhilfe, wenn es diesem oder jenem gelungen war, bei ihm durch einen Zufall vorgelassen zu werden.

Sein ehedem so ruhiges Haus glich jetzt einem Taubenschlag.

Agenten kamen und gingen.

Jeder Tag brachte neue Menschen vor ihn!

Die täglich in großer Fülle eingehenden Briefe konnte er kaum noch bewältigen.

Er nahm jedoch keinen Sekretär. Denn über alle Maßen mißtrauisch geworden, witterte er in jedem Menschen Absichten auf seinen Geldsack.

Und zu der Geldgier trat jetzt noch der Geiz.

Frau Luise mußte ihn jetzt immer mehrfach um Erlaubnis fragen, wenn sie sich ein neues Kleid machen lassen wollte.

Dann gab es von seiner Seite schmutzige Vorhaltungen:

»Mein Kind, die Hauptsache ist Bescheidenheit! Einfachheit ist die vornehmste Eleganz einer wirklich feinen Frau! Im übrigen hast Du doch genug Kleider. Wozu denn wieder ein neues?«

Und es kamen oft Stunden, in denen Luise sich bittere Vorwürfe machte über ihre Leichtgläubigkeit, über ihre Schwäche diesem ihr nicht mehr verständlichen Menschen gegenüber.

Schließlich gab sie seinem steten Drängen nach.

Auch sie wollte im Hause wenigstens Ruhe finden.

So wurde das veraltete Grundstück in der Potsdamer Straße zum Verkauf gestellt.

Und aus Martin wurde ein Bauherr.

Auf einer besonders hoch bezahlten Baustelle in der Villenkolonie, an deren Wertzuwachs auf dieser Welt nicht mehr zu denken war, sollte sein neues Haus, ein moderner Protzkasten, erstehen.

Heraus sehnte er sich aus diesem Berlin, das er verfluchte.

Und er floh vor seinen Werten, die er sich in seiner leichtfertigen Sorglosigkeit geschaffen hatte, weit an die äußerste Peripherie der Weltstadt.


Sein Bau erhob sich in der Königsallee.

Er wurde und wuchs, wie er sich ihn lange wartend erträumt hatte.


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