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Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Der König Dādbîn und seine beiden Wesire.

»O König, – Gott erhalte dein Reich! – es war einmal im Lande Tabaristân ein König, Namens Dādbîn, der zwei Wesire hatte, von denen der eine Sūrchân und der andre Kārdân hieß. Nun hatte der Wesir Sūrchân eine Tochter, wie es in jener Zeit kein schöneres, keuscheres und frommeres Mädchen gab, denn sie fastete, betete und diente Gott, dem Erhabenen; und ihr Name lautete Arwā. Als der König Dādbîn von ihren Tugenden vernahm, hängte sich sein Herz an sie, und er rief seinen Wesir und sprach zu ihm: »Ich wünsche, daß du mich mit deiner Tochter vermählst.« Der Wesir versetzte: »Erlaube mir, sie zu fragen; wenn sie einwilligt, vermähle ich dich mit ihr.« Und der König entgegnete: »Beeile dich.« Da begab sich ihr Vater zu ihr und sagte zu ihr: »Meine Tochter, der König begehrt dich von mir und will dich heiraten.« Sie erwiderte jedoch: »O mein Vater, ich will überhaupt nicht heiraten; willst du mich jedoch vermählen, so sei es mit einem Manne, der unter mir steht und den ich an Adel übertreffe, damit er sich nicht zu einer andern kehrt und nicht von oben herab auf mich sieht; vermähle mich jedoch nicht mit einem, der vornehmer als ich ist, damit ich nicht wie eine Dienstmagd bei ihm bin.« Hierauf kehrte der Wesir zum König zurück und teilte ihm die Worte seiner Tochter mit; der König aber begehrte sie nur um so leidenschaftlicher und sagte zum Wesir: »Wenn du mich nicht aus freien Stücken mit ihr vermählst, so nehme 67 ich sie mit Gewalt.« Da kehrte der Wesir wieder zu seiner Tochter zurück und überbrachte ihr die Worte des Königs, worauf sie versetzte: »Ich brauche keinen Mann.« Als der Wesir dies nun dem König vermeldete, ergrimmte er und bedrohte den Wesir, worauf dieser mit seiner Tochter floh. Als dem König dies zu Ohren kam, schickte er zur Verfolgung seines Wesirs Truppen aus, daß sie ihm den Weg abschnitten, und zog selber aus, bis er ihn eingeholt hatte, worauf er ihm mit seiner Keule das Haupt zerschmetterte und seine Tochter mit Gewalt an sich nahm. Dann kehrte er in seine Wohnung zurück, heiratete sie und suchte sie heim. Arwā ertrug in Ergebenheit ihr Schicksal und stellte ihre Sache Gott, dem Erhabenen, anheim, ihm Nacht und Tag in Dādbîns Haus aufs frömmste dienend. Eines Tages nun traf es sich, daß der König verreisen mußte, weshalb er seinen zweiten Wesir Kārdân vor sich kommen ließ und zu ihm sprach: »Ich habe dir ein Unterpfand anzuvertrauen, jenes Mädchen nämlich, die Tochter des Wesirs Sūrchân, meine Gemahlin, und ich wünsche, daß du sie selber hütest und in acht nimmst, da ich auf der Welt nichts Lieberes besitze.« Da sprach Kārdân bei sich: »Fürwahr, der König ehrt mich hoch durch dieses Mädchen.« Hierauf sagte er: »Freut mich und ehrt mich.« Als nun der König abgereist war, sprach der Wesir bei sich: »Ich muß mir doch einmal jenes Mädchen ansehen, das der König so sehr liebt.« Hierauf versteckte sich der Wesir an einem Platz, um sie zu sehen, und, als er sie erblickte, fand er, daß sie die Beschreibung noch übertraf, so daß er verwirrt und verstört wurde und sich so sehr in sie verliebte, daß er zu ihr schickte und ihr sagen ließ: »Erbarme dich meiner, denn ich komme vor Liebe zu dir um.« Sie ließ ihm jedoch antworten: »O Wesir, dir ist ein Gut anvertraut, verrate es daher nicht, sondern laß dein Inneres sein wie dein Äußeres und beschäftige dich mit deinem Weib und dem dir Erlaubten. Was dies anlangt, so ist's Brunst, und alle Frauen sind einander gleich. Wenn du dir jedoch 68 diese Reden nicht verbieten lässest, so bringe ich dich vor allem Volk in Schimpf und Schande.« Als der Wesir ihre Worte vernahm, sah er, daß sie keusch an Leib und Seele war, und bereute es bitterlich; vor dem König um sein Leben besorgt, sprach er: »Ich muß eine List zu ihrem Verderben ersinnen, sonst komme ich vor dem König in Schimpf und Schande.« Als nun der König von seiner Reise zurückkehrte und den Wesir nach den Reichsgeschäften fragte, antwortete er ihm: »Alles steht gut, o König, bis auf eine schändliche Sache, die ich entdeckte, und mit der vor den König zu treten ich mich schäme; verschweige ich sie jedoch, so fürchte ich, daß sie ein andrer dem König entdeckt und ich mich in meinem Rat und meiner Treue als ein Verräter erweise.« Der König versetzte: »Sprich nur, denn ich halte dich für wahr und getreu und für einen unverdächtigen Ratgeber in allen Worten.« Da sprach der Wesir zu ihm: »O König, jene Frau, an die sich dein Herz in Liebe gehängt hat und von deren Glauben, Fasten und Beten du so viel Worte machst, thut dies nur aus Arglist und Verräterei, was ich dir beweisen kann.« Beunruhigt hierdurch, fragte der König: »Was ist vorgefallen?« Der Wesir versetzte: »Wisse, o König, einige Tage nach deiner Abreise kam jemand zu mir und sagte: »O Wesir, komm her und schau'.« Dann trat ich an die Thür ihres Gemaches und siehe, da saß sie da, und bei ihr befand sich Abul-Cheir, der Sklave ihrer Vaters, den sie auszeichnet, und sie that mit ihm, was sie eben that. Dies ist's was ich sah und hörte.« Da entbrannte der König in Zorn und befahl einem seiner Eunuchen: »Geh' und hau' sie in ihrem Gemach nieder.« Der Eunuch erwiderte jedoch dem König: »Gott schenke dir langes Leben, o König! Ihr Tod sei nicht in dieser Weise; befiehl vielmehr einem deiner Eunuchen sie auf ein Kamel zu setzen und in eine abgelegene Steppe zu bringen, wo er sie absetzen mag. Hat sie eine Sünde begangen, so wird Gott sie verderben; ist sie jedoch schuldlos, so wird Gott sie am Leben lassen, und der König wird frei 69 von Sünde gegen sie sein. Denn siehe, dieses Mädchen ist dir teuer, und du erschlugst ihren Vater aus Liebe zu ihr.« Da sagte der König: »Bei Gott, du hast die Wahrheit gesprochen.« Hierauf befahl der König einem der Eunuchen sie auf ein Kamel zu laden und sie in einer abgelegenen Steppe auszusetzen und dann wieder heimzukehren, ohne sie weiter zu foltern. Der Page nahm sie und führte sie in die Steppe, wo er sie ohne Speise und Trank zurückließ; sie aber nahm ihren Weg zu einem der Hügel und schichtete Steine vor sich auf, worauf sie dastand und betete und Gott, dem Erhabenen diente. Nun traf es sich, daß ein Kameltreiber des Königs Kisrā Kamele verloren hatte, und der König hatte ihn mit dem Tode bedroht, wenn er die Kamele nicht wiederfinden würde. Da ging der Kameltreiber fort und nahm seinen Weg tief in die Steppen, bis er zu dem Ort kam, an dem sich das Mädchen befand. Als er sie allein dastehen und beten sah, wartete er, bis sie ihr Gebet beendet hatte, worauf er an sie herantrat, sie begrüßte und fragte: »Wer bist du?« Sie versetzte: »Eine Gottesmagd.« Hierauf fragte er sie: »Was thust du an diesem abgelegenen Ort?« Sie erwiderte: »Ich diene Gott, dem Erhabenen.« Ihre Schönheit und Anmut aber bestrickte ihn so, daß er zu ihr sagte: »Hör', nimm mich zum Mann, und ich will voll Fürsorge und Mitleid für dich sein und dir im Gehorsam gegen Gott, den Erhabenen, förderlich sein.« Sie versetzte: »Ich trage kein Verlangen zum Heiraten und will hier allein mit meinem Herrn sein und ihm dienen; wenn du mir jedoch Barmherzigkeit erweisen und mich im Gehorsam gegen Gott, den Erhabenen, fördern willst, so trag' mich an einen Ort, wo es Wasser giebt; dann wirst du mir einen Gefallen erwiesen haben.« Da trug er sie an einen Ort mit fließendem Wasser und setzte sie dort ab, worauf er sie verließ und, verwundert über sie, seines Weges ging. Durch ihren Segen fand er jedoch bald hernach seine Kamele wieder, und, als er nun zum König Kisrā zurückkehrte und dieser ihn nach den Kamelen 70 fragte, erzählte er ihm von dem Mädchen und beschrieb ihm ihre Schönheit und Anmut. Da hängte sich des Königs Herz an sie und er saß mit einem kleinen Gefolge auf und ritt nach jenem Ort, wo er das Mädchen fand. Er staunte über sie, da er sie noch schöner fand, als der Kameltreiber sie ihm geschildert hatte, und sagte zu ihr, indem er an sie herantrat: »Ich bin der König Kisrā, der Großkönig, willst du mich nicht zum Gatten haben?« Sie versetzte: »Was willst du mit mir thun, o König, wo ich ein in dieser Steppe verlassenes Weib bin?« Er entgegnete: »Es muß sein, und, wenn du nicht einwilligst, so lasse ich mich hier nieder und diene Gott und dir und bete Gott mit dir an.« Hierauf befahl der König für sie ein Zelt aufzuschlagen und das seinige diesem gegenüber aufzurichten, damit er Gott mit ihr anbete; dann ließ er ihr Speise senden, so daß sie bei sich sprach: »Dies ist ein König, und es geziemt mir nicht ihn um meinetwillen seinen Unterthanen und seinem Königreich zu entziehen.« Alsdann sprach sie zur Dienerin, die ihr das Essen zu bringen pflegte: »Sag' dem König, er soll zu seinen Frauen heimkehren, denn er bedarf meiner nicht, und ich wünsche an diesem Ort Gott, dem Erhabenen, zu dienen.« Da kehrte die Dienerin zum König zurück und teilte es ihm mit, worauf der König ihr sagen ließ: »Ich trage kein Bedürfnis nach dem Reich, sondern will ebenfalls hier weilen und Gott mit dir in dieser Steppe anbeten.« Wie sie nun diesen Ernst von ihm erschaute, gehorchte sie ihm und sagte: »O König, ich willige in deinen Wunsch ein und will deine Gemahlin unter der Bedingung sein, daß du mir den König Dādbîn, seinen Wesir Kārdân und seinen Kämmerling herbeischaffst, damit sie in deiner Versammlung erscheinen und ich zu dem Zwecke, daß du mich noch mehr liebst, in deiner Gegenwart an sie ein Wort richte.« Da fragte der König Kisrā: »Weshalb willst du dies thun?« Hierauf erzählte sie ihm ihre Geschichte von Anfang bis zu Ende, und daß sie die Gattin des Königs Dādbîn wäre und der Wesir sie 71 verleumdet hätte. Als der König Kisrā dies von ihr vernommen hatte, liebte er sie um so inniger und sagte zu ihr: »Thu', was dir beliebt.« Hierauf ließ er eine Sänfte kommen und schaffte sie in ihr nach seiner Wohnung, worauf er ihren Rang erhöhte und sie heiratete. Alsdann schickte er ein gewaltiges Heer zum König Dādbîn aus und ließ ihn, seinen Wesir und seinen Kämmerling holen und vor sich bringen, ohne ihnen zu sagen, was er von ihnen wollte. Für Arwā aber ließ er im Hofe des Königspalastes ein Rundzelt aufschlagen, und sie trat in dasselbe ein und ließ den Vorhang niederfallen. Als sie dann die Sitze hingestellt und alle sich gesetzt hatten, lüpfte Arwā den Zipfel des Vorhangs und sagte: »O Kārdân, erhebe dich auf deine Füße, denn es geziemt sich dir nicht in einer solchen Versammlung wie dieser vor diesem großen König Kisrā zu sitzen.« Als der Wesir Kārdân diese Worte vernahm, erbebte ihm das Herz, seine Gelenke lösten sich, und er erhob sich, von Grausen erfaßt, auf seine Füße. Hierauf sagte sie zu ihm: »Bei Ihm, der dich an dieser Stätte hat aufstehen lassen, sprich die Wahrheit, was dich bewogen hat, mich zu verleumden und aus meinem Haus und der Hand meines Gatten zu vertreiben und dadurch eines gläubigen Mannes Tod herbeizuführen. Dies ist kein Ort, wo Lüge noch hilft und irgend welche Kunst etwas vermag.« Als der Wesir ihre Worte vernahm und wußte, daß es Arwā war, erkannte er, daß ihm die Lüge nicht frommte und Wahrheit allein nützen konnte. Er ließ deshalb das Haupt zu Boden sinken und sprach weinend: »Wer Böses thut, dem widerfährt Böses, so lange seine Lebenszeit auch dauern mag. Bei Gott, ich bin's, der gesündigt und sich vergangen hat, und, was mich hierzu antrieb, war einzig Furcht, übermäßige Leidenschaft und die Drangsal, die mir auf meiner Stirn verzeichnet stand. Fürwahr, diese Frau ist keusch, rein und frei von allem Fehl.« Als der König Dādbîn dies vernahm, schlug er sich vors Gesicht und sagte zu seinem Wesir Kārdân: »Gott schlag' 72 dich tot! Du bist's, der mich von meiner Gattin getrennt und mir Unrecht zugefügt hat.« Aber der König Kisrā sagte zu ihm: »Gott wird dich sicherlich töten, da du dich übereiltest und in deine Sache nicht Einsicht nahmst und nicht den Schuldigen von dem Unschuldigen unterschiedest. Hättest du dir Zeit gelassen, so hättest du Recht und Unrecht erkannt; als dieser schurkische Wesir deinen Untergang wollte, wo war da deine Einsicht und Überlegung?« Hierauf fragte er Arwā: »Was willst du mit ihnen thun?« Sie versetzte: »Ich will an ihnen das Gebot Gottes, des Erhabenen, erfüllen; der Mörder werde ermordet, und dem Verbrecher werde vergolten, wie er sich gegen uns vergangen hat; dem, der Gutes gethan, werde jedoch Gutes erwiesen, wie er uns Gutes erwiesen hat.« Hierauf erteilte sie in betreff des Königs Dādbîn Befehl, und sie schlugen ihm das Haupt mit einer Keule ein, während sie sagte: »Dies ist für meines Vaters Ermordung.« Dann befahl sie den Wesir auf einem Reittier in dieselbe Steppe zu führen, in die sie ausgesetzt worden war, und sagte zu ihm: »Wenn du gesündigt hast, so wird dich deine Sünde treffen, und du wirst in der Steppe vor Hunger und Durst umkommen; bist du jedoch schuldlos, so wirst du wie ich gerettet werden.« Dem Eunuchen aber, dem Kämmerling, der dem König geraten hatte, sie nach der Steppe zu schaffen, verlieh sie ein kostbares Ehrenkleid und sprach zu ihm: »Ein Mann wie du soll von Königen in ihre Nähe gezogen und von ihnen ausgezeichnet werden, denn du sprachst gut und wahr, und einem Manne soll nach seinen Thaten gelohnt werden.« Und der König Kisrā machte ihn zum Statthalter einer seiner Provinzen. – Wisse daher, o König, daß der, welcher Gutes thut, auch Gutes zum Lohn erhält, und daß der, welcher frei von Schuld und Fehl ist, auch nicht die Folgen zu fürchten hat. Ich aber, o König, bin frei von Schuld, und ich hoffe zu Gott, daß er dem glückseligen König meine Schuldlosigkeit offenbaren und mir den Sieg über meine Feinde und Neider geben wird.« 73

Als der König dies vernahm, legte sich sein Zorn, und er befahl: »Führt ihn bis morgen ins Gefängnis zurück, wo wir dann in seine Sache Einsicht nehmen wollen.«

Sechster Tag.
Der Lohn des Gottvertrauens.

Am sechsten Tage verdoppelte sich der Zorn der Wesire, da sie ihren Willen am Jüngling nicht erreicht hatten und für ihr Leben vor dem König fürchteten. Es traten deshalb drei von ihnen zu gleicher Zeit bei dem König ein und sprachen zu ihm, sich vor ihm niederwerfend: »O König, wir sind treue Ratgeber deines Reiches und sind besorgt um dich; du hast diesen Jüngling schon zu lange leben lassen, und wir wissen nicht, was für einen Nutzen dir dies bringt. Er bleibt von Tag zu Tag am Leben und schwatzt, und der Argwohn gegen dich wächst. Richte ihn daher hin, damit dem Gerede ein Ende gemacht wird.« Als der König diese Worte vernahm, sprach er: »Bei Gott, ihr habt recht, und sprecht die Wahrheit.« Hierauf befahl er den Jüngling vor sich und sprach zu ihm, als er vor ihm erschien: »Wie lange soll ich noch Einsicht in deinen Fall nehmen, wo ich dir keinen Helfer finde und sehe, daß alle nach deinem Blut dürsten?« Der Jüngling erwiderte ihm: »O König, ich erhoffe Hilfe von Gott, und nicht von seinen Geschöpfen: denn, so er mir hilft, vermag mir niemand zu schaden, und so Gott mit mir ist und mir beisteht, um der Wahrheit willen, wen sollte ich da fürchten, um der Lüge willen? Meine Absicht ist rein und wahrhaft zu Gott und ich erhoffe keine Hilfe von den Geschöpfen. Wer Hilfe begehrt, der findet, was Bacht Samân fand.« Da fragte der König: »Wer war der König Bacht Samân, und wie ist seine Geschichte?« Und der Jüngling erzählte:

 


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