Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Neue Entdeckung

Der alte Brktzwisl kam am andern Morgen mit einem Gesicht, aus welchem man sich nicht recht vernehmen konnte, zum Hofrat; er wünschte mit freundlichem Grinsen guten Morgen und zischte doch dabei, wie wenn er Rhabarber zwischen den Zähnen hätte, ein »Wenn nur das heilige Kreuzdonner –« oder, »Wenn nur das Mohren-Kraut-Stern-Elementerchen« um das andere heraus. Er rapportierte, daß er einen Brief von der alten Exzellenz, dem Oheim habe, worin ihm dieser ankündige, daß er seine Briefe nach Fuselbronn, einer Badeanstalt zwischen Freilingen und der Residenz seitwärts gelegen, zu schicken habe. »Der Guckuck!« rasaunte der alte treue Knecht, »hätte der alte Herr nicht die vierzehn Meilen weiter machen können; jetzt wäre er hier in Freilingen und schaute das Glück seines Herrn Brudersohnes mit leiblichen Augen, könnte nebenbei auch den Hochzeitvater vorstellen! Was hilft mich das, daß er wieder schreibt: ›Brktzwisl, scheue keine Kosten, wir können es ja bezahlen, wenn der Himmel unserm Emil wieder gesunden Menschenverstand verleihen will‹; was hilft mich das. In allen Nestern von Italien, Frankreich, Schweden, Norwegen, England, Holland, wo wir herumfuhren, habe ich keine Kosten gescheut; ich mag gar nicht denken, was nur die Doktores kosteten, wenn ich allemal die Antwort bekam: ›Reise weiter! Zerstreuung hilft! glückliche Reise.‹ – Jetzt, wo wir hier Zerstreuung und Freude umsonst hatten, wo ein Engelchen meinen armen Herrn kuriert hat, jetzt soll ich keine Kosten scheuen? Was hilft da der verfluchte Mammon? Kann ich dem Fräulein sechs Louisdors geben wie einem Doktor oder Professor?«

So knurrte der alte Kauz bei dem Hofrat; die Worte pullerten ihm nur so hervor, es war ihm ganz ernstlicher Ernst mit der Sache und er war auf sich und die ganze Welt ergrimmt, daß er jetzt nicht stante pede eine Hochzeit herhexen konnte. Der Hofrat sah ihn ganz erstaunt an und hielt sich den Bauch vor Lachen; so komisch kam ihm des alten Gesellen Wüten vor: »Alter Narr!« rief er endlich, »muß man dir denn die Nase drauf stoßen und eine Brille aufsetzen, daß du findest, was du suchst? Kannst du dich denn nicht hinsetzen und die ganze Geschichte von den letzten vierzehn Tagen deinem alten Herrn schreiben und dabei einfließen lassen, daß dein Herr zum Sterben in das Mädchen verschammert sei? Und wenn der Herr Oncle das weiß, nun ja – das Fräulein ist von gutem Adel, ich sehe nicht ein, was für ein besonderes Hindernis –«

»Weiß Gott, so tu ich«, rief Brktzwisl und setzte vor Freuden den Respekt so ganz aus dem Auge, daß er einen Katzensprung in die Luft machte, »aber eines fehlt doch immer noch, mein Herr sollte nur erst mit dem Fräulein im reinen sein, aber geben Sie acht, geben Sie acht, der macht uns einen Streich! er ist so blöde, so furchtsam –«

Wenn er es nur gewußt hätte, der alte Brktzwisl! Sein Herr saß, indem sein Diener von seiner Blödigkeit perorierte, bei Ida auf dem Sofa, der Präsident, der nur so auf ein Viertelstündchen in seiner Tochter Boudoir eingesprochen hatte, neben ihm. Was es doch eine eigene freie Kunst um das Augenparlieren ist; da schwatzten jetzt die guten Leutchen ein langes und breites mit dem Herrn Papa von Bergen und liegenden Gründen, nebenher hielten sie sich die schönsten Reden durch verstohlene Blicke, mit einer Beredsamkeit, einem rednerischen Feuer, von dem selbst Cicero in seiner Rednerkunst keine Aufschlüsse gibt und wovon auch kein Wörtchen weder in der Syntax der deutschen Sprachlehren, noch in den verschiedenen Rhetoriken und ästhetischen Vorlesungen steht, die alljährlich von den Kathedern abgehaspelt werden. Der Präsident taute immer mehr auf, denn Martiniz sprach von einem bedeutenden Güterkauf, den er in hiesiger Gegend im Sinne habe, und der gute Präsident glaubte nicht anders, als seine Aufmunterungen haben den Grafen auf diesen vernünftigen Gedanken gebracht, und wenn er es vollends dazu bringen könnte, daß der Graf die Gräfin Aarstein – er gratulierte sich schon im voraus zu einem allergnädigsten Handschreiben, besah lächelnd seine Brust, wo nächstdem das Großkreuz des Zivil-Verdienstordens paradieren werde, nannte Martiniz seinen neuen Landsmann und sein liebes Gräfchen und zog kichernd und schnalzend über seine vortrefflich gelungene Negoziation zum Zimmer hinaus.


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