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5. Kapitel.
Die Phänomene der Hypnose.

Der Eintritt hypnotischer Zustände kennzeichnet sich physiologisch durch verschiedene Veränderungen des Normalzustandes. So erleidet die Blutzirkulation mannigfache Veränderungen: es findet eine Auffüllung der Hauptblutgefäße des Gesichtes, Halses und Kopfes statt, aber es wird andererseits auch große Blässe, die sich bis zu wächsener Totenblässe steigern kann, beobachtet. Man darf in vielen Fällen das Vorhandensein von Gehirnanämie (Gehirnblutleere) vermuten. Die Atmung ist ebenfalls von der normalen sehr verschieden, bald schneller, bald verlangsamt; auch Schweißabsonderungen werden häufig selbst bei solchen beobachtet, die früher nicht daran litten. Abzutrennen von diesen an und für sich mit den hypnoiden Zuständen zusammenhängenden physiologischen Veränderungen sind natürlich solche, die sich als Begleiterscheinungen von Hemmungen oder Steigerungen des psychischen Lebens kennzeichnen und die wir gleich noch näher kennen lernen werden.

Als solche sind zunächst eine Reihe von Ausfallerscheinungen zu bezeichnen, für die die Wissenschaft ihre termini technici hat, wie z. B. Alalie (Sprachlosigkeit). Alexie (Leseunfähigkeit), Agraphie (Schreibunfähigkeit), Ataxie (Gleichgewichtsverlust), Amimie (maskenhafte Ausdruckslosigkeit), Apraxie (Wegfall der persönlichen Erfahrung), Analgesie (Schmerzlosigkeit), Anästhesie (Empfindungslosigkeit des Tastsinns), Amnesie (Erinnerungslosigkeit) u. a. m. (Das hier überall auftretende Vorsilbchen A [vor Vokalen An] ist das sogenannte Alpha privativum und wird stets im Sinne der Verneinung gebraucht, im Deutschen verwandt mit der Vorsilbe un ... ) Der Eintritt einer, mehrerer oder aller dieser negativen Erscheinungen ist aber nur die Vorbedingung dafür, daß die positiven Handlungen der Versuchsperson in der Hypnose im Sinne des Willens des Hypnotiseurs vor sich gehen können.

Der hypnotische Zustand wird zunächst durch Herabsetzung oder Verlust der sogenannten willkürlichen Bewegungen charakterisiert. Der eigene Wille des Hypnotisierten erscheint ausgeschaltet. Der Befehl des Hypnotisierenden setzt sich in der Seele der Versuchsperson zu einem automatisch vollzogenen autosuggestiven Befehl im Sinne der Willensrichtung des Hypnotiseurs um. Ist diese letztere also darauf gerichtet, die Versuchsperson solle den Arm erheben, so geschieht das, soll sie ihn senken, so senkt er sich; ebenso werden alle anderen Arten sogenannter willkürlicher Bewegungen ausgeführt. Die hervorgerufenen Veränderungen der Muskeltätigkeit haben die Tendenz, so lange dauernd zu bleiben, bis ein erneuter Befehl die Zurückführung in den früheren Zustand oder eine anders geartete Tätigkeit hervorruft. Wird z. B. ein krampfhaftes Schließen der Finger (zur Faust geballt) befohlen, so führt die Stärke der dabei erfolgten Kontraktion leicht zu einer dauernden, d. h. bis zur befohlenen Aufhebung des Zusammenballens dauernden Kontraktur. Oder läßt man die Versuchsperson Nickbewegungen des Kopfes ausüben, so setzen sich diese so lange fort, bis eine Gegenmaßnahme seitens des Hypnotisierenden erfolgt.. Bei der Herabsetzung oder dem Verluste der Fähigkeit, willkürliche Bewegungen auszuführen, tritt ein Zustand zutage, den man mit Lethargie bezeichnet. Im Zusammenhange mit hypnotischen Experimenten bedeutet dieser Ausdruck so viel wie Schlaffheit der Augendeckel, Herabhängen der Glieder und schließlich ein Erlahmen des ganzen Körpers. Die Steigerung dieses Zustandes nennen wir Katalepsie, d. i. ein starrkrampfähnlicher Zustand. Es können in diesem Zustande den Gliedern des Körpers sowohl wie dem Körper überhaupt Stellungen gegeben werden, die außerordentlich lange, selbst mehrere Stunden hindurch, anhalten, trotzdem sie, wenn sie im wachen Zustande innegehalten würden, dann mit allergrößter Anstrengung verknüpft oder überhaupt unmöglich sein dürften. Als man seinerzeit der Öffentlichkeit zuerst hypnotische Experimente vorzuführen begann, – wir erinnern an die Vorstellungen des Herrn Hansen in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts – erregte es allermeist das Staunen der Zuschauenden, daß z. B. der Kopf und die Füße – und diese fast nur gerade noch mit den Hacken – des Hypnotisierten auf zwei Stühle gelegt werden konnten, während der ganze Rumpf, die Arme und die Beine frei schwebten. Ja, man konnte sogar noch schwere Gewichte auf den freischwebenden Rumpf setzen und diese ganze Körperstellung nach dem Belieben des Hypnotiseurs lange Zeit andauern lassen. Charakteristisch ist, daß nach Aufheben dieses Zustandes und dieser Lage weder Müdigkeit noch Schmerzgefühl in den so stark angespannten Muskeln beobachtet werden konnte. So kann man den Grundcharakter der Katalepsie einen tonischen Krampf nennen, wie man den der Lethargie als Lähmung bezeichnet hat. Bei der Lethargie liegen die Glieder in einer anatomisch, bei der Katalepsie in einer physiologisch oder psychologisch gegebenen Lage. In beiden Zuständen können sie schwer oder so gut wie gar nicht aus der Lage gebracht werden. Bei der Lethargie ähnelt die Gliederstellung außerordentlich der eines Toten, bei der Katalepsie ist sie die Wirkung gewisser Lebensvorgänge. Die Ausfallerscheinungen – im großen Ganzen die Lethargie, zuweilen der Katalepsie, meistens die Analgesie, ebenso die Amnesie und manchmal auch die eine oder andere der oben erwähnten Ausfallerscheinungen – treten spontan, als integrierender Bestandteil des hypnotischen Schlafes ein, ohne daß man sie sich zu bestellen braucht. Andererseits können sie natürlich auch durch besondere Suggestion hervorgerufen werden. Eine nähere Beschreibung der im Eingang dieses Kapitels genannten Ausfallerscheinungen erübrigt sich, da die beigesetzten Verdeutschungen für sich selbst sprechen. Übrigens kann die Analgesie (Schmerzlosigkeit) auch bestehen, ohne daß Anästhesie eingetreten wäre. D. h. die Empfindungen werden zwar in diesem besonderen Falle wahrgenommen, aber bloß nicht als Schmerzempfindungen. Über die Amnesie sprechen wir weiter unten, wo von der Erinnerung nach der Hypnose die Rede sein wird.

Die nächst augenfällige Veränderung, die in der Hypnose erzeugt werden kann, ist die der Sinneswahrnehmungen durch den Hypnotisierten. Doch hängt es von dem Tiefengrade der Hypnose ab, von der Eignung des Subjekts, der persönlichen Macht des Hypnotiseurs, inwieweit diese Veränderungen Platz greifen. Es können Täuschungen, eingebildete Vorstellungen für alle Sinne geschaffen werden; der Hypnotisierte fühlt, hört, riecht, sieht Dinge, die nicht da sind, er empfindet von den tatsächlich vorhandenen Gegenständen die ihm vorgespiegelten Eigenschaften derselben, die ihnen in Wahrheit nicht anhaften. So zählt er z. B. auf Suggestion hin so viel Menschen im Raum, wie ihm angegeben werden, er lauscht entzückt einem imaginären Konzert, er streicht über ein Blatt Papier, das ihm für Samt angegeben wird, mit allen Merkmalen der entsprechenden Empfindung. Er zieht aus vorgehaltenen übelriechenden Gegenständen z. B. einem Stück Käse, den angeblichen Duft des feinsten Parfüms, er steigt über nicht vorhandene Stufen genau so viel, wie ihm angegeben wurden. Dann setzt sich sein Gang so fort, als ob er aus ebenem Boden ginge. Er zeigt die charakteristischen Kältegefühle (Schütteln, Gänsehaut) bei der suggerierten Vornahme eines kalten Bades, wie sich überhaupt sein Verhalten durchaus dem vorgespiegelten Zustande gemäß äußert. Die Suggerierung einer drohenden Gefahr veranlaßt den Hypnotisierten nicht etwa bloß zu einem mechanischen Ausweichen vor ihr. Auf seinem Antlitz spiegeln sich vielmehr auch Angst, Furcht, Entsetzen als seelisch empfundene Wirklichkeiten ab. In ähnlicher Weise wie Sinneswahrnehmungen durch Suggestion beeinflußt werden, stehen unter deren Einwirkungen die Gemeingefühle und die Stimmungen Hunger, Durst, Wohlbefinden, Trauer und Freude.

Bei den sogenannten positiven Sinnestäuschungen treten aber auch Erscheinungen rein physiologischer Natur auf, die vom Wollen des Hypnotiseurs und somit auch von dem daraufhin autohypnotisch sich entfaltenden Willen des Hypnotisierten unabhängig zu sein scheinen, die auch beim Befehlen und Suggerieren gar nicht besonders suggeriert zu werden brauchen und dennoch eintreten. (Übrigens sind diese Erscheinungen zum Teil natürlich auch selbständig auf dem Wege der Suggestion zu erzeugen, doch soll hier bloß von den nebenher auftretenden, ungewollt von beiden Teilen, die Rede sein.) Wird z. B. einem Hypnotisierten suggeriert, er rieche jetzt an einer aufgeschnittenen saftigen Zwiebel – man reicht ihm tatsächlich eine rohe Kartoffel –, so erfolgt nicht nur das subjektive Zugeständnis, an einer Zwiebel zu riechen, sondern darüber hinaus, mit voller Beweiskraft den Erfolg der Suggestion unterstreichend, eine Tränensekretion der Augen. Auf die Vorspiegelung eines höchst unangenehmen Geschmacks, einer unappetitlichen Sache (z. B. dort läge – sit venia verbo – ein Haufen Erbrochenes), folgt demgemäß nicht nur die persönliche Abwehrbewegung, nicht bloß der Ausdruck einer Abscheu-Empfindung, sondern ganz automatisch auch tatsächliches Erbrechen, wenn der Suggestionierte im Normalzustand auf die Wirklichkeit des nur Vorgespiegelten ebenfalls mit Erbrechen reagiert haben würde. Du Prel zitiert folgenden Fall: »Man suggerierte einer Versuchsperson, die Temperatur des Zimmers sei außerordentlich heiß, und sie schwitzte in der Tat; sodann suggerierte man ihr, es sei kalt, und sogleich knöpfte sie ihren Rock zu, begann herumzugehen und sich die Hände zu reiben. In etwa fünf Minuten wurden wirklich ihre Hände eisig wie die einer der Kälte ausgesetzten Person«. Also auch hier ganz die gleichen physiologischen Erscheinungen wie in der von uns früher geschilderten Vorführung mit der imaginären Luftschiff-Fahrt.

Im Gegensatz zu diesen positiven Sinnestäuschungen, bei denen ein nicht vorhandenes Objekt wahrgenommen wird, stehen die sogenannten negativen Sinnestäuschungen, bei denen bestimmte vorhandene Objekte nicht wahrgenommen werden. So kann der Versuchsperson suggeriert werden, sie befände sich in einem Raume, wo zwei Stühle (tatsächlich vorhanden) aber kein Tisch stehe, der aber in Wirklichkeit vorhanden ist. Der Hypnotisierte geht durchs Zimmer und stößt sich prompt an den für ihn nicht vorhandenen Tisch. Man suggeriert, es wären nur drei Personen anwesend, während in Wirklichkeit fünf Personen da sind, und die beiden Herren X und Y (Nr. 4 und 5) wären jetzt hinausgegangen. Der Suggestionierte nimmt diese beiden doch anwesenden Personen für Luft; wirft jedoch einer dieser Herren ein Taschentuch auf den Stuhl, so wundert sich die Versuchsperson, wieso durch die Luft das Taschentuch geflogen kommt. Dieses »Wegsuggerieren« von Gegenständen und Personen kann sich – allerdings wohl nur bei ganz besonders suggestiblen Personen – auf mehrere Tage erstrecken. So hat Prof. Dr. v. Krafft-Ebing einer Patientin einmal suggeriert, Dr. H. verreise auf 3 Tage. Als Dr. H. nun während dieser Zeit einmal mit brennender Zigarre bei der Patientin eintritt, ist sie ganz entsetzt über die Rauchwolke, das Leuchten der Zigarre, und kann sich diese geisterhaften Phänomene gar nicht erklären. Man kann ferner auch einen Hypnotisierten zeitweilig vollkommen blind und taub machen. (Natürlich, ohne daß dann wirkliche Blindheit oder Taubheit rein organisch im Sinne des gewohnten Krankheitsbildes eintrete.) Die Taubheit kann z. B. eine unvollständige sein, insofern nur noch die mündlichen Befehle des Hypnotiseurs verstanden werden, oder eine absolute, wobei man gleichwohl die Suggestionierbarkeit dadurch erhalten kann, indem man dem Versuchsobjekt die Suggestion mit dem Finger auf den Arm schreibt, oder indem man sonstwie durch eine Einwirkung auf das passivische Tastgefühl des Hypnotisierten, der freilich in solchem Falle ganz besonders starke Empfänglichkeit aufweisen muß, ans Ziel gelangt.

Aber auch unwillkürliche Bewegungen wie überhaupt Vorgänge, die dem bewußten Willen entzogen zu sein scheinen, sind der Suggestion zugänglich. Es liegen schon viele Beispiele von Forel, Moll, v. Krafft-Ebing und anderen Ärzten vor, aus denen hervorgeht, daß man suggestiv z. B. einen von unserem Willen so ganz unabhängigen Vorgang wie die Pulsfrequenz, die Atmung, den Stuhlgang, den Geburteneintritt usw. regulieren kann. So hat man der Versuchsperson suggeriert, daß sie am nächsten Abend 8 Uhr 38 Grad Temperatur aufweisen solle, daß sie vorher um 6 Uhr heftigen Stuhlgang haben würde; man hat – wie schon erwähnt – 22 ständigen Schlaf ansuggeriert, um die Versuchsperson über das kritische Stadium einer aufregenden Abschiedsszene hinwegzubringen; es ist der Eintritt einer Geburt lediglich durch hypnotische Einwirkung zu einem bestimmten Datum, das acht Tage früher lag als es der behandelnde Gynäkologe für wahrscheinlich hielt, erzielt worden und alle diese nur unter Assistenz von ärztlichen Zeugen wie überhaupt lediglich im Interesse der Wissenschaft vorgenommenen Suggestionen schlossen mit dem gewünschten Ergebnis. Von ganz besonderem Interesse ist es, daß es z. B. Dr. Krafft-Ebing gelungen ist, rein organische Veränderungen auf suggestivem Wege zu erzielen, hinsichtlich deren Zustandekommen die Wissenschaft freilich so gut wie vor einem Rätsel steht. Er spricht eingehend über diesen Fall in seiner höchst lesenswerten, weil außerordentlich aufschlußreichen Arbeit: »Eine experimentelle Studie auf dem Gebiete des Hypnotismus.« Es handelt sich darin um eine gewisse Ilma S., die sich monatelang auf der von Professor von Krafft-Ebing in Graz geleiteten Nervenklinik zur Beobachtung ihres Geisteszustandes befand. Die sehr interessanten Einzelheiten des Lebenslaufes dieser Person, ihre romantischen Abenteuer, den ganzen Verlauf der klinischen Beobachtung und vor allem die Wiedergabe (nach stenographierten Protokollen) des Verlaufs der umfänglichen hypnotischen Vorstellungen – das alles liest man am besten in dem genannten Werke selbst nach. Hier sei nur erwähnt, daß es bei Ilma S. gelang, lediglich auf suggestivem Wege Brandmale und andere Hautwunden zu erzeugen. So wurde ihr z. B. mit dem Perkussionshammer ein Kreuz 7 cm lang auf die Haut über den Biceps des Unterarmes gezeichnet und der Patientin suggeriert, daß am folgenden Tage daselbst um 12 Uhr ein rotes Kreuz erscheinen solle. Am nächsten Tag fand sich tatsächlich ein derartiges Kreuz auf der Hautfläche vor mit teilweiser durch Kratzen entzündeter Fläche. Aber nicht am linken, sondern am rechten Arme. Hier spielte eine ganz eigentümliche Erscheinung mit, die v. Krafft-Ebing Transfert (Übertragung) nennt, insofern nämlich die ansuggerierten Erscheinungen statt auf der ursprünglich gemeinten häufig auf der entgegengesetzten Körperhälfte zutage traten. In diesem Falle bestand aber auf dem linken Oberarm genau an derselben Stelle, an der das Kreuz auf dem rechten Oberarm erschien, in derselben Ausdehnung, also in Kreuzform, Anästhesie d. h. Empfindungslosigkeit. Noch ein anderes sehr lehrreiches Beispiel: Die Patientin bekommt einen aus Zinkblech geschnittenen Metallbuchstaben K nach innen vom linken Schulterblatt auf die Haut gedrückt. (Der Metallbuchstabe wird aber wieder weggenommen, es handelt sich eben nur um ein kurzzeitiges Andrücken.) Dann wird die Suggestion ausgesprochen, daß am nächsten Tage nachmittags genau im Umfange der Platte eine blutrote Hautfläche zu finden sein muß. Zugleich wird, um Reizeffekte zu vermeiden, suggeriert, an dieser Stelle dürfe kein Jucken entstehen. Darauf wird Thorax und Rücken von einem mitanwesenden Arzt mittels Watte und Gazebinden so verbunden, daß die Suggestionsstelle durchaus unzugänglich ist, der Verband viermal versiegelt, darüber ein Deckverband gemacht, dieser noch zweimal versiegelt; das benutzte Siegel wird überdies von dem Arzte mitgenommen. Nunmehr wird die Patientin aus der Hypnose erweckt, und ihr Verhalten zeigt an – so schreibt Professor Dr. von Krafft-Ebing – daß sie nichts von den Vorgängen während der Hypnose weiß. Am nächsten Nachmittag wird der Verband zunächst untersucht, die Siegel zeigen sich vollkommen unverletzt, der Verband wird abgenommen, an der durch Suggestion gezeichneten Stelle sieht man eine 5,5 cm lange, 4 cm breite unregelmäßig gestaltete Platte, an welcher die Hornschicht der Haut losgelöst und noch durch am Rande der bloßgelegten Fläche hängende Fetzen erkennbar ist. An den Rändern ist diese Platte feucht, während der mittlere Teil noch von dem Reste der Hornschicht bedeckt ist, die sich sehr trocken anfühlt und gelblich aussieht. Die unmittelbare Nachbarschaft der Platte ist gerötet. Von dem rechten Rand derselben geht ein 4 cm langer, 2 cm breiter Schenkel schief nach rechts unten, ein 3 cm langer nach rechts oben. Auch auf diesen Schenkeln ist die Oberhaut gelockert, leicht abziehbar und näßt die unterliegende Hautschicht. Die Umgebung der Schenkel ist gerötet, jedoch ohne eine Spur von Entzündung. (Vergleiche die genannte Schrift von Krafft-Ebing Seite 54-55). Es ist fast überflüssig zu bemerken, daß die von Krafft-Ebing geschilderte Erscheinung darum hier so ausführlich dargelegt wurde, weil sie ganz objektiv vorhandene pathologische Erscheinungen an der Hautoberfläche darstellt, für die aber eine zureichende physiologische Erklärung nicht zu geben ist. An dem tatsächlichen Vorhandensein solcher rein suggestiv erzeugten Vorgänge unter Ausschluß der Annahme eines Betruges oder Selbstbetruges ist jedoch nicht zu zweifeln. Aber von einer anderen Seite her dürfte vielleicht eine Erklärung derartiger Dinge gesunden werden. Wir denken da an die uns wenigstens für erwiesen geltende ideoplastische Kraft der Seele, wie sie sich in den Experimenten der wissenschaftlich-okkulten Forschung eines Dr. v. Schrenck-Notzing, Tischner, Wasielewski, Grünewald u. a. offenbart hat. Ganz kurz gesagt: Man hat die Fähigkeit gewisser »Medien« festgestellt, aus sich heraus Materie zu schaffen, in mannigfachster Form, die hier zu klassifizieren zu weit führen würde. Näheres darüber findet man außer in dem Hauptwerk von Dr. A. Freih. v. Schrenck-Notzing in dem Werke »Der Okkultismus. Die übernatürlichen Erscheinungen des Seelenlebens. Von Erwin Wulff«. (Siehe Bücheranzeigen am Schlusse dieses Buches.) Kann aber die Seele derartiges leisten, dann ist auch zu verstehen, daß seelische Kraft den eigenen Organismus dergestalt beeinflußen und verändern kann, daß die geschilderten Veränderungen der Hautoberfläche usw. entstehen. Das Wie und Warum ist uns freilich noch dunkel, nur steigt aus aller Unklarheit immer deutlicher die Erkenntnis hervor, wie sehr das Körperliche vom Geistigen abhängig ist.

So hat es denn im allgemeinen als festgestellt zu gelten, daß durch eine starke Autosuggestion ebenso wie durch eine kräftige Suggestion des befehlenden Experimentators bei besonders empfänglichen Personen lokale Gefäßerweiterungen mit Kapillarblutungen zustande kommen können. Solche Erscheinungen heißen Stigmata und in der Kulturgeschichte begegnen wir mehrfach dem Auftreten solcher Stigmata am Körper von ekstatischen Frommen, was dann von den religiösen Anhängern als »Wunder«, von den skeptischen Zweiflern als Betrug bezeichnet wurde.

Einen weiteren Beweis für die Kraft der hypnotischen Einwirkung bildet die Tatsache der sogenannten posthypnotischen Suggestion. Man versteht darunter die Einpflanzung eines suggestiven Befehles, dem nicht im Augenblick, während des hypnotisierten Zustandes, entsprochen werden soll, sondern der sich erst kürzere oder längere Zeit danach in die Wirklichkeit umsetzen soll. So kann ein derartiger Hypnotisierter beispielsweise den Befehl erhalten, am dritten Tage nach der Hypnose an einer bestimmten Wohnung zu klingeln, einzutreten und dort nach abzuholenden Büchern oder dergleichen zu fragen. In der Zwischenzeit ist die Versuchsperson vollkommen normal, aber zur bezeichneten Zeit wird sie von einem ihr unerklärlichen Willen gepackt, auch das ihr Befohlene auszuführen. Bei geeigneten Persönlichkeiten realisieren sich diese Befehle noch nach sehr langer Zeit, nach Wochen, Monaten, selbst nach einem Jahre. Die Ausführung geschieht entweder im wachen Zustande und dann vollzieht die Versuchsperson den Befehl rein automatisch, ohne sich über die Beweggründe klar zu werden, aber doch mit einer gewissen Kritik. Oder aber sie fällt in einen mehr oder weniger ausgesprochenen hypnotischen Zustand, hinter welchem ihr die Erinnerungen an den Vollziehungsakt und dessen Einzelheiten ebenso teilweise oder ganz fehlen, wie es mit der Erinnerung an die ursprüngliche Hypnose selbst der Fall zu sein pflegt. In vielen Fällen setzt sich die posthypnotische Suggestion am Tage der anbefohlenen Ausführung in eine ausgesprochene Autohypnose um, ja man wird sich fragen dürfen, ob nicht gerade die Wirksamkeit über so lange Zwischenräume normalen Zustandes hinweg zur Annahme einer besonders starken Autohypnose – immer im Anschluß an die vorher empfangene Suggestion – zwingt. Man hat sich naturgemäß besonders eifrig mit der Frage beschäftigt, inwieweit solche posthypnotische Suggestionen verbrecherisch ausgenützt werden können; wir werden im Kapitel »Hypnose und Strafrecht« die an und für sich nicht unberechtigten Befürchtungen auf ihr rechtes Maß zurückzuführen haben und verweisen im übrigen auf das weiter unten hinsichtlich der Grenzen der Suggerierbarkeit Gesagte.

Obschon es kaum statthaft erscheint, eine scharfe Trennung zwischen physiologischen und psychologischen Phänomenen in der Hypnose vorzunehmen, müssen wir noch einen Blick auf die auffälligsten psychischen Erscheinungen während einer erfolgreichen Suggestion werfen. Denn es gibt neben den oben erwähnten Ausfallerscheinungen noch eine ganze Reihe eigentümlicher Auswirkungen seelischer Vorgänge, die den Beweis von der erstaunlichsten Umwandlungsfähigkeit einer Versuchsperson in der Hand eines vollkommenen Hypnotiseurs bringen. Wir meinen die Umformungen der Seele, der gesamten Persönlichkeit, in eine ganz andere, jüngere oder ältere. Zwar haben diese Umformungen ihre Grenze in den inneren Widerständen einer Person, worüber wir in dem Abschnitt über die Grenzen der Suggerierbarkeit noch mehr erfahren. Aber vergessen wir nicht, daß an und für sich in sehr vielen Menschen eine Anzahl scheinbar verschiedener Naturen auch im Alltagsleben versteckt liegen; der Zwang der Umstände, der äußere Lebensgang, hat oft eine Persönlichkeit in eine Richtung gedrängt, die ihrer eingeborenen Anlage entgegengesetzt ist. Dann schlummert in solchen Menschen neben dem äußeren offenkundigen Charakter ein künstlich und gewaltsam unterdrückter anderer Charakter, oft dem Alltagscharakter sehr entgegengesetzt. In solchen Fällen kann natürlich die Hypnose leicht eine seelische Umformung herbeiführen, wenn der Hypnotiseur gerade zufällig oder aus persönlichster Kenntnis jenes andere Ich zu treffen weiß. An anderer Stelle unserer Schrift werden die Leser einer Deutung dieser Phänomene begegnen, die sich auf die Scheidung unseres Gehirnlebens in ein Ober- und Unterbewußtsein stützt. Aus dem letzteren wird das darin verbliebene Erinnerungsbild an eine frühere Lebenszeit kraft des suggestiven Befehls wieder hervorgeholt. Gerade die auf den nächsten Seiten gegebenen Beispiele lassen sich bestens durch die Reproduktionskraft des Unterbewußtseins erklären.

Die in der Wissenschaft erwähnten Experimente solcher Wesensumwandlungen sind alle verbürgt von Ärzten zu ärztlichen Zwecken vorgenommen und sowohl die genaue Prüfung der einzelnen Fälle wie die Persönlichkeit der Prüfenden und auch der Versuchspersonen schließen jeden Gedanken an eine bewußte und gewollte Täuschung aus. In erster Linie aber sind es die sinnfällig zutage tretenden Resultate bei solchen Suggestionen, wie wir sie jetzt im Auge haben, die uns nicht erlauben, solche Fälle etwa mit dem Schlagwort »Humbug« abzutun. Wenn wir z. B. lesen, daß die Suggestionierung einer Versuchsperson »Sie sind jetzt sieben Jahre alt« tatsächlich ergibt, daß sich die Versuchsperson, eine vollreife Erscheinung im Alter von 33 Jahren, in ein siebenjähriges Mädchen verwandelt, so tritt diese Verwandlung so sinnfällig auf, daß dabei sich unmöglich eine Reihe ernsthafter Examinatoren etwa lediglich durch schauspielerische Künste täuschen lassen. Mimik, Pose, das ganze Benehmen wird sofort zu dem eines siebenjährigen Mädchens und zwar, wenn dessen Charakter in der Zeit der wirklichen Jugend ein ausgelassener war, auch jetzt zu dem eines ausgelassenen munteren Kindes. Die durch Suggestion in eine Siebenjährige Verwandelte benimmt sich durchaus kindlich, setzt sich z. B. rittlings auf einen Sessel, obwohl dabei ihre Waden sichtbar werden, sie antwortet auf diesbezügliche Fragen, sie gehe in die Schule, wenn sie wolle, könne auch schon ein Strumpfband sticken. Bei Vorhalten von Bildern kennzeichnet sich ihre ganze Auffassungsart und Wiederbeschreibungsweise eben als die eines Kindes. Was die Sprache anlangt, so wandelt sich diese ganz automatisch von der ihr wirklich gewöhnten, also von der einer Erwachsenen und leidlich gebildeten Person, in die eines kindischen kleines Dinges nach Satzbau, Inhalt, Sprechweise durchaus kindlich um. Am charakteristischsten für das tatsächliche Statthaben dieser psychischen Umformung erscheint aber die Wiedergabe der Handschrift. Eine Siebenjährige kann im Durchschnitt doch zumeist ihren Namen schreiben. Auf Aufforderung schreibt also die betreffende Person ihren Namen in vollkommenster Schülerhaftigkeit. Aufgefordert mehr zu schreiben, stellt sich ein ihrer Altersgruppe genau entsprechendes Unvermögen heraus und so führten auch alle übrigen Versuche, ihre intellektuellen Leistungen zu prüfen, zu dem Ergebnis, daß man hier tatsächlich im Augenblicke ein Kind von sieben Jahren vor sich hat. Auch die Spieltriebe, Neigungen, ja selbst Unarten kleiner siebenjähriger Wesen kommen prompt zum Vorschein, wenn während der Hypnose entsprechende Anreizungen gegeben werden. Je nach der in der Kindheit der Versuchsperson vorhanden gewesenen Spontaneität beginnt die Zurückverwandelte mit den Examinatoren kindlich eifrig zu plaudern, drängt sich mit der Harmlosigkeit eines Kindes zwischen die Knie des anwesenden Arztes, stützt sich dabei – in knieender Stellung – mit den Ellbogen auf die Schenkel des Experimentators, kurzum, die Täuschung ist eine vollkommene. – Wird jetzt durch eine rasche Suggestion die Versuchsperson in ein 15 jähriges Mädchen verwandelt, so wechselt mit überraschender Schnelligkeit die Situation; aus dem eben noch siebenjährigen Kinde wird ein mehr oder minder anmutsvoller Backfisch. Ihre ganze Haltung, ihre Manieren, ihre Reden sind dem Backfischalter angemessen. Sie erzählt jetzt von den Ereignissen ihres Jungmädchenlebens, schreibt nun auf Aufforderung ihren Namen und wiederum sind die Schriftzüge vollkommen denen entsprechend, die sie damals als 15 jähriges Mädchen in Wirklichkeit so vollzogen hat. – Die Versuchsperson wird nun plötzlich 19 Jahre alt gemacht. Auch jetzt in ihrer Unterhaltung durchaus dem neusuggerierten Alter entsprechend, und auch die Schriftproben sind wiederum den wirklichen des entsprechenden Jahres gemäß. Wir sehen hierbei nicht nur gewisse Grundtatsachen der Graphologie bestätigt, so z. B. die Anpassung der Schrift an die jeweilige Bildung und Charakterstufe, sondern auch die Anschauung der Psychologie, nach welcher alle jemals gehabten Erlebnisse und empfangenen Eindrücke eine Erinnerungsspur hinterlassen, die unter bestimmten Umständen, wie eben bei einer Hypnose, wiedererzeugbar sind. (Nebenbei bemerkt, auch bei Fiebererscheinungen, bei bestimmten Gehirn-Erkrankungen.) Eine rein schauspielerische Leistung, bei der sich etwa die Versuchsperson die Aufgabe bewußt selbst gestellt hätte, ein 7, 15 und 19 jähriges Mädchen darzustellen, ist hierbei ausgeschlossen, weil die tatsächliche Leistung so natürlich, plastisch und in allen Tatsächlichkeiten wahr und überzeugungsvoll erschien, daß eine solche lediglich schauspielerische Leistung ein ganz außerordentlich hohes Können – wie es hier notorisch bei der Versuchsperson gar nicht in Frage kam – voraussetzte. Bei dem von uns wiedergegebenen Experiment, für die wir die Unterlagen der hochinteressanten Schrift von R. v. Krafft-Ebing »Hypnotische Experimente« entnahmen, wurden die Aussagen der Mutter der Versuchsperson verwertet, die dahin lauteten, daß das jeweilige Verhalten ihrer Tochter ganz und gar ihrem wirklichen Wesen seinerzeit in den betreffenden Jahren entsprochen hätte. Mit der gleichen Versuchsperson wurde ein höchst interessantes Kontrollexperiment vorgenommen, insofern sie noch einmal in das Alter von 7 Jahren versetzt wurde, in Gegenwart ihrer Mutter, jedoch so, daß sie dieser den Rücken kehrte, die Mutter also nicht sehen konnte. »Nachdem die Versuchsperson einige Zeit entsprechend ihrer Rolle als siebenjähriges Kind sich benommen hatte, wobei die Mutter über dieses Wiedersehen der Kindheit ihrer Tochter zu Tränen gerührt wurde, hieß man die Versuchsperson sich umkehren und befahl ihr zu sagen, wer da sei. Die Veränderung ihres Gesichtsausdrucks von kindlichem Übermut zu Schrecken war geradezu überwältigend. Sie blickte zuerst ihre Mutter suchend an mit großen Augen, dann den Experimentator, fragend, dann wieder jene und auf die Frage »Nun, wer ist denn das?« stieß sie heraus: »Die Mutter – aber – sie – sieht – ganz anders aus!« und die Versuchsperson (man denke immer an das in Wahrheit doch 33 jährige Mädchen!) brach in kindliche Tränen aus. Es war außer aller Frage, daß sie die dem suggerierten Lebensalter entsprechende Vorstellung von dem Aussehen ihrer Mutter besaß; durch die in dem Zeitraum von 26 Jahren erfolgte Veränderung im Äußeren derselben aber wurde sie naturgemäß und folgerichtig ganz verwirrt und nach Kinderart brach sie demgemäß in Weinen aus.«

Derartige Experimente sind mehrfach vorgenommen worden; sie sind immer in der geschilderten Art verlaufen und die Gegenkritik hat nichts Stichhaltiges für ihre Anzweifelung solcher Tatsächlichkeiten vorbringen können. So bleibt denn die psychische Umformung auf hypnotischem Wege eines der interessantesten und bedeutungsvollsten Phänomene der Hypnose.

Was die Grenzen des Suggerierbaren nun betrifft, so geht schon aus dem vorstehenden hervor, daß sie äußerst weit gesteckt sind. Aber man darf nicht glauben, daß all und jedes menschlich Erdenkbare von jedem Hypnotisierten auch »angenommen« wird. Der scheinbar automatische Gehorsam oder Glaube des Hypnotisierten ist nie ein vollständiger. Die Suggestion hat stets Grenzen, die bald weiter, bald enger sind und allerdings auch bei demselben Menschen sehr wechseln können. Der Hypnotisierte wehrt sich auf zweierlei Weise: Bewußt durch seine vernünftige Logik, unbewußt durch Autosuggestion (Forel). So suchen und finden die Hypnotisierten vielfach Mittel, um der Suggestion, die ihnen unangenehm ist, Widerstand zu leisten. So absurd auch dem Zuschauer diese oder jene erfolgreichen Suggestionen erscheinen mögen, so hemmungslos scheinbar das Unglaubhafteste vom Hypnotisierten geglaubt, das unmöglich Scheinende von ihm ausgeführt wird, so gibt es doch im Bezirke jedes Gehirnes noch unbeschreibbare Flächen. So ist doch auch dem anscheinend unterjochtesten Willen noch ein gewisser Widerstand möglich, wenn nämlich der suggerierte Befehl dem Hypnotisierten von Grund aus widerwärtig und unannehmbar ist. So stark sind z. B. im europäischen Durchschnittsmenschen gewisse Vorstellungen von Scham und Sitte verankert, daß Suggestionen, die diesen widersprechen (z. B. der Befehl des Sich-Nackt-Ausziehens vor Zuschauern), auf ein energisches »ich mache nicht mehr mit« stoßen. Ein Über-Wille stellt sich sozusagen dem Willen des Hypnotiseurs entgegen. Diese Tatsache unterstreicht – nebenbei bemerkt – unsere Ausführungen über den bloß schlafähnlichen Zustand während der Hypnose. Sie bestätigt ferner unsere später eingehender zu erörternde Stellungnahme zu der Frage, inwieweit das Bewußtsein ausgeschaltet sei und ob vom Bewußtsein im gewöhnlichen Sinne während der Hypnose überhaupt die Rede sein kann. Und schließlich zeigt diese erfolgreiche Opposition des Hypnotisierten gegen ihm innerlich unannehmbare Zumutungen, daß ein völliger Ausschluß des eigenen freien Willens bei der Hypnose nicht nur nicht in Frage kommt, sondern daß das Gelingen der Hypnose gerade erst recht von der Zustimmung des eigenen Willens des Hypnotisierten abhängig ist. Auch hier tritt zutage, daß bei dem Hypnotisieren im letzten Ende eine auf Grund der Willfährigkeit der Versuchsperson einsetzende Autohypnose das letzthin Ausschlaggebende ist. So meint Forel geradezu, daß die Kraft der Hypnose nicht im Hirne des Hypnotiseurs, sondern in dem des Hypnotisierten liegt. Maack drückt sich noch schärfer aus, indem er sagt, »daß überhaupt niemals der Hypnotiseur direkt die Erscheinungen bewirkt, wir es also niemals mit fremder Hypnose zu tun haben, sondern daß der passiv gewordene Hypnotisierte zwar die Direktive empfangen hat, sie aber dann, nachdem er sie nicht als fremde, sondern als eigene anerkannt hat, als Selbsthypnotiseur seinerseits nolens volens mit einem triebartigen Verlangen und unwiderstehlichen Zwange zur objektiven Verwirklichung bringt.«

Ebenso Gerster: »Der Hypnotiseur leitet nur die Gehirntätigkeit des zu Hypnotisierenden. Er unterstützt sie, aber erst durch Hinzutreten der Autohypnose wird die Suggestion zur Tat. Daher sind Leute mit entgegenwirkenden Autosuggestionen (bestimmte Hysteriker, Neurastheniker, Hypochonder) schwer oder gar nicht hypnotisch zu beeinflussen. Man muß bei ihnen weite Umwege machen. Geisteskranke, mit der oder jener fixen Idee, können sonst suggestibel sein, mit Bezug auf ihre fixen Ideen sind sie es aber nicht, weil die zur fixen Idee gewordene Autosuggestion im Gehirne sozusagen organisiert ist.« – Wenn man gemeint hat, daß die Wach-Suggestion allenfalls auf den Willen des Suggestionierten angewiesen sei, aber ein solcher bei der tiefen Hypnose doch nicht recht vorausgesetzt werden könne, weil ja der tief Hypnotisierte »willenlos« sei – so ist dies darum nicht richtig, weil die vollendete Hypnose nicht eine Ausschaltung als vielmehr eine noch engere, noch schärfere Eingrenzung des Willens bedeutet. Der derart im Banne suggerierter Ideen Liegende ist nur noch mehr in der Lage, die suggerierte Idee restlos zu verwirklichen. Er ist von allen anderen nur noch vollendeter abgeblendet. Seine Gestaltungskraft – im Alltag unterbrochen, gehemmt, durch tausenderlei Einflüsse geschwächt – kann sich ausschließlicher als je der Verlebendigung der ihm suggerierten, von ihm entgegen genommenen und nun von seinem ganz einseitigen Willen beherrschten Ideenwelt zuwenden. So ist denn auch beides auf ihn zutreffend: die Ausschaltung des Willens und die Konzentration des Willens. Der Wille des Oberbewußtseins, der kontrollierend, kritisierend alle unsere Handlungen im Alltag bald fördert, bald hemmt – er freilich ist ausgeschaltet, muß ausgeschaltet sein. Der Wille des Unterbewußtseins, der gespeist wird von uns im Alltag unbekannt bleibenden Unterströmungen unseres Ichs, die übrigens mit dem Inhalt des Suggestionsauftrags harmonisieren – der konzentriert sich, engt sich ein, setzt alles daran, die innerlich zustimmend aufgenommene Suggestion nun auch zu verlebendigen!

Wie man aber auch immer die Phänomene der Hypnose ›erklären‹ mag, es bleibt immerhin ein Rest von Unerklärlichem, es schwebt ein Hauch des Wunderbaren um die Erscheinungen der Hypnose. Aber nur oberflächliche Bildung hat das Staunen, das Sich-Wundern über die angeblich ›restlos aufgeklärten‹ naturwissenschaftlichen Tatsachen verlernt. Nur jene Bildung, die sich mit armseligen Wortbildern als Erklärungen abspeisen läßt. Wir sprechen von Vererbung, vom Kreislauf der Gestirne, vom Erdmagnetismus, von der Entstehung der Gefühle, der Umwandlung eines Reizes in Sehen, Hören, Riechen – aber wir vergessen, daß die menschlichen Erklärungen zu all diesem nicht in die Tiefe dringen – »ins Innere der Natur dringt kein erschaffner Geist!« müssen wir wiederum zitieren – und daß wir so in Wahrheit in einer Welt von Wundern leben, zu denen im Sinne einer philosophischen Betrachtung auch die Vorgänge und Wirkungen der Hypnose gehören.


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