Ludwig Ganghofer
Der hohe Schein
Ludwig Ganghofer

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15

Ein lautes Ah! begrüßte das hellbeleuchtete Bild der Szene: einen zierlichen Park im Barockstil, mit Statuetten und Rosengirlanden, mit Stutzalleen und Laubengängen, hinter denen sich ein allerliebstes Tempelchen halb versteckte. Das sah sich an wie eine Dekoration aus einem kleinen, vornehmen Schloßtheater.

Aus dem Grün der Kulissen flatterte leichtfüßig und mit glockenhellem Lachen was Weißes, Rosiges und Schimmriges hervor: die »niedliche Sünderin« als Prolog. Halb Psyche mit den Augen der Unschuld, halb leichtgeschürzte Muse mit wissendem Lächeln, in einem Gewand wie aus Silberduft und Rosenblättern gewoben, die entblößten Schultern umschwankt vom gelockten Blondhaar, die Stirn umschlungen von einem grünen Zweig mit goldenen Beeren, stand sie vor den staunend aufgerissenen Augen. Die Weibsleute flüsterten, die Burschen streckten die Hälse, und von überall klangen jene scheuen, naiven Laute des Entzückens wie von Kindern, die ein Krippenspiel bewundern. Das Nannerl schmiegte sich atemlos an Mathilds Seite, und der lustige Sägmüller, ganz Feuer und Flamme, faßte sein stürmisches Wohlgefallen in den Ausruf: »Herrgott, ist das ein süßes Käferl!«

Mit einem Lächeln für diese begeisterte Huldigung dankend, schwang Philinchen gleich einer schenkenden Fee den silbernen Lilienstab:

»Aus goldnen Wolken stieg ich zu euch nieder,
Der Glanz der Sterne schmückte mein Gewand,
Und höchster Schönheit wundersame Lieder
Streut euren Herzen meine reiche Hand.
Wie einst der Heiland zu dem Stall der Hirten
Erlösung brachte und des Himmels Gunst,
So bringen wir zu euch, ihr Weltverirrten,
Der Dichtung Flamme und das Heil der Kunst.«

»Gottlob, daß der Kaplan net da ist!« flüsterte Bertl in Walters Ohr. »Sonst ging der Spektakel jetzt los, und die Freud wär uns versalzen.«

An die Rampe tretend, streckte Philinchen die Hand, als wollte sie in Barmherzigkeit einen Knienden aufrichten:

»Erhebet euch aus dumpfen, tiefen Nächten,
Wo Dorn und Mühsal euch die Stunde grenzt:
Ich will euch Rosen in das Leben flechten,
Aus reichem Garten, der uns ewig lenzt.
Was uns der Geister Edelster gesungen,
Was er aus Brunnen schöpfte, tief und klar,
Soll zu euch reden heut mit Feuerzungen –«

Den hohen Schwung der Rede unterbrechend, blickte Philinchen über die hundert Gesichter hin. Dann lachte sie und fiel mit ihrem Prolog in gemütlichen Dialekt:

»Was schauts denn a so? Verstehts ebba net?
Gelt ja, mit'n Hochdeutsch, da habts halt a Gfrett?
Dös is enk a Bröckl, dös keiner gern schluckt,
Weil's fremdarti schmeckt und, wann's drunten is, druckt!«

Diese Wendung wurde mit Gelächter aufgenommen. Hinten aus der Ecke hörte man wieder jene Baßstimme : »Is schon wahr! Ganz aufblaht hat's mich.« Darüber neues Gelächter. Auch Philinchen mußte sich erst auskichern, bevor sie weitersprach:

»Aber heut – und i sag's, daß si' keins net beklagt:
Wer ebba vom Hochdeutsch net gar z'viel vertragt,
Soll schleuni verduften, eh's angeht, dös Stuck,
Und draußt an der Kass' kriegt'r 's Geld wieder zruck!
Denn heut weard vom Hochdeutsch a Schüssel voll bracht,
So schwaar, daß an oachene Tischplatten kracht.
Und wann's amal da is, da hilft enk koa Murrn,
Da hilft enk koa Wehrn, koa Spreizen, koa Zurn,
Da müaßts mer schö' schlucken, wia 's Kind d' Medazin,
Sie schmeckt a weng fremd, aber Gsundheit is drin!
Dö hat einer eingrührt, a Wunder von Mo',
Der 's Gsundmachen könnt hat, wie's koaner mehr ko'!
Der Mo', der hoaßt Goethe. Reißts d' Ohrwascheln auf
Und schreibts enk den Namen aufs Herz obn drauf!
Denn wann i sag: Goethe, dös lacht oam ins Gmüat,
Wia wann oaner sagt: Sunn, Früahling und Blüat!
Viel tausend Demanten, schö' gschliffen und gfaßt,
Dö hat'r großmüati an d' Menschheit verpraßt –
Wann hundert Jahr zuagreifst mit alle zwoa Händ,
Der Reichtum, der schwindt net, der Schatz nimmt koan End.
Und jetzt, liebe Leutln, paßts auf, was i sag:
Lang müaßts enk no merken den heintigen Tag!
Von die Goethischen Liader dös schönste und 's best,
Dös kriagts heint zum hören! Leut, dös is a Fest!
Und daß enkre Dickschädeln fassen dö Sach,
Drum deutsch i's enk auf iatzt in enkerer Sprach!«

Die »niedliche Sünderin« hatte gewonnenes Spiel. Nicht nur der Liebreiz ihrer Erscheinung und die schelmische Grazie ihres Vortrage hatte im Sturm alle Zuschauer erobert. Auch was sie sagte, tat seine Wirkung. Die hundert Pflanzen des Dorfes, grobes und zartes Gewächs, kehrten willig ihre Herzblätter dem Lichte zu, dessen Wärme sie mehr mit den Sinnen fühlten, als mit dem Verstand erfaßten. Freilich guckten sie manchmal auch absonderlich drein, während ihnen Philinchen vom »blitzblauen« Hellas redete, vom heiter bevölkerten Olymp und von den Menschlichkeiten der Götter. Zuweilen quittierte man mit Humor ein Witzwort, mit dem die Volksstimme den Prolog verzierte. Weil in der Hauschronik der Atriden die Greueltaten der Reihe nach aufmarschierten wie die Bilder einer »Moritat«, meinte ein schnauzbärtiger Floßknecht: »Brav! A nette Familli! Da möcht ich gleich einiheireten!« Als aber der Prolog die eigentliche »Gschicht« des Stückes zu erläutern begann und von dem »kreuzbraven Madl« erzählte, dessen reine, schuldlose Seele gegen den »trutzigen« Sinn des »grauslichen« Barbarenkönigs streitet, da wurde es mäuschenstill im Saal. Die hundert Herzen, die um das Schicksal der bedrohten Unschuld bangten, atmeten auf, als ihnen Philinchen das Versprechen gab, daß alles »gut ausgehn« würde. Ein wirksamer Klang des Ernstes durchzitterte das heitere Silberstimmchen der »niedlichen Sünderin«, als sie mit den Worten schloß:

»Pfüa Gott! I hab ausgredt! Der Goethe fangt o',
Der soll enk iatz zoagen, wie viel als er ko'.
Und was enk der Goethe da predigt für's Lebn,
Dem müaßts in die Herzen a Hoamwinkerl gebn!
Seids Menschen – so sagt'r – seids redlich, seids guat,
Da kon enk nix gschehgn, wie 's Leben aa tuat!
Denn nix is so zwider, so krumm und so schlecht,
A Mensch, wann er guat is, biegt's grad und macht's recht!
Dös predigt sei' Schaffen, dös klingt aus seim Liad,
Dös nemmts in enk auf, und da merkt enker Gmüat:
Daß 's bessere Sachen no' gibt auf der Welt,
Als an anbampfter Magn und a Strumpf voller Geld,
Als bratene Bluatwürst und Schweinerns mit Kraut
Und der Misthaufen, der enk in d' Stub einischaut.
Ja! Lachts no' a weng! Denn der Gspaß is glei aus,
Und der Earnst kommt da hinten zum Kirchtürl raus!
Und dös kon i sagen, so gwieß, als wia druckt,
Daß koaner, wann's gar is, zur Bank aussi ruckt,
Eh daß er net eahrli muaß gspüarn und gstehn:
›Der Goethe! Aaah, sakra! Der kon's aber schön!‹«

Philinchen knickste mit Lachen, warf eine Kußhand und schlüpfte in die Muschel des Souffleurkastens. Die Leute fingen zu klatschen an, weil ihnen der lustige Sägmüller das Beispiel gab. Der applaudierte wie verrückt, sprang zur Rampe und klatschte in den Souffleurkasten hinein: »Mamsell Philinerl! Zum Fressen lieb sind S' gewesen!« Eine kleine flinke Hand kam aus dem Kasten herausgefahren und faßte den begeisterten Sägmüller am Schopf. Lautes Gelächter im Saal. Auch Mathild lachte. Manchmal hatte der Prolog für ihren Geschmack wohl über die Schnur gehauen. Aber das ernste Lob, das ihrem Liebling in diesen launigen Versen gespendet wurde, hatte die Erwartung in ihr geweckt, daß da Besseres kommen würde, als sie vorausgesehen hatte. »Herr Doktor«, flüsterte sie, »wenn die anderen nicht schlechter spielen, als der Prolog gesprochen wurde, bekommen wir eine gute Vorstellung zu sehen!« Walter hörte nicht. Er saß so still und verträumt, als wäre er ein Seelenbruder des staunenden Nannerls geworden. Noch nie im Leben hatte er ein Theater gesehen. Und da war ihm jetzt zumut, als hätten sich die Türen einer neuen Welt vor ihm aufgetan.

Das Gelächter, das dem lustigen Sägmüller galt, verstummte plötzlich. »Jesus?« stotterte Bertl und blickte verdutzt nach der weißen Priesterin, die in siegender Schönheit aus dem Tempel getreten war. Und das Walperl auf der letzten Bank, erschrocken über die tief entblößte Büste der Schwester Aurelia, faßte den Bonifaz am Ärmel: »Mar' und Josef! Schau net hin!« Bonifaz befreite seinen Arm: »Warum denn net? Ebbes Schöns muß man fest anschaun.« Neben ihm zischelte ein Holzknecht seinem Kameraden zu: »Seppl! Teifi, Teifi! Dös war eine für uns!« So leise das auch gesprochen war, ein paar Leute hörten es und fingen zu kichern an. Gleich war's wieder still im Saal, und alle Augen blickten nach der herrlichen Erscheinung. In reichen Falten floß das weiße, kunstvoll geraffte Gewand um den schönen Körper, dessen marmorne Schultern den klassischen Mädchenkopf im Kronschmuck seiner dunklen Haare trugen. Ein Bild, als wäre das Werk eines griechischen Meisters lebendig geworden. Forschend glitten die dunklen Samtaugen über den Saal. Den sie suchten, der saß in der ersten Reihe. Sie lächelte und grüßte mit einem Blick. Dieses Lächeln blieb ihr auf den Lippen, als sie mit ihrer Glockenstimme zu sprechen begann:

»Heraus in eure Schatten, rege Wipfel
Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines,
Wie in der Göttin stilles Heiligtum,
Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl,
Als wenn ich sie zum erstenmal beträte.«

Mathild stammelte erregt: »Das ist eine Künstlerin!« Wie erwachend blickte Walter auf.

»So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd,
Und an dem Ufer steh ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend:
Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern
Ein einsam Leben führt.«

Der Schmerz einer brennenden Sehnsucht zitterte aus diesen Worten. Walter fuhr sich mit der Hand über die Augen, als möchte er auslöschen, was vor seiner Seele gaukelte. Und Mathild stieß einen leisen Laut auf: »Nannerl? Was hast du denn?« Zitternd klammerte Nannerl die Hände um Mathilds Arm und lispelte: »Haben S' net ghört, was s' gsagt hat? Wehe dem! Dö hat auch kein' Vater und kei' Mutter nimmer!« Dem Mädel kollerten schwere Tropfen übers Gesicht, während die Priesterin zu ihrer Göttin flehte:

»Rette mich, die du vom Tod errettet,
Auch von dem Leben hier, dem zweiten Tod!«

Jarno als Arkas, in prunkvoller Kriegertracht, erschien beim Tempel:

»Der König sendet mich hierher und beut
Der Priesterin Dianens Gruß und Heil.«

Die Zuschauer reckten in Spannung die Köpfe. »Paß auf, jetzt geschieht ebbes!« Ein Geflüster ging durch den Saal, als die Leute merkten, daß dieser »brave, verstandsame Mensch« als Brautwerber des Königs kam. »Jesses«, zischelte das Walperl, »dö möcht heim zu ihre Leut, und jetzt will s' der König heireten! Und 's Fräulen is doch a Klosterfrau!« Über dieses religiöse Bedenken beruhigte sie der Bonifaz: »In die heidnischen Zeiten hat's keine Klöster geben. Da sind d' Leut noch gscheiter gwesen.«

Die stolze Zurückhaltung, mit der die Priesterin dem »Antrag« des Königs auswich, gewann ihr alle Herzen. Und als sie mit Empörung erklärte:

»Wie? Sinnt der König, was kein edler Mann
Je denken sollte? Sinnt er vom Altar
Mich in sein Bette mit Gewalt zu ziehen?«

da packte ein strammer Bursch auf der dritten Bank seinen Kameraden an der Joppe: »Michl! Dem Madl lassen wir nix anhaben! Wann ihr der König kei' Ruh gibt, kriegt er' s mit uns!« Ringsherum hörten sie das. Niemand lachte. Die Rede war allen aus dem Herzen gesprochen. Aber die gespannte Aufmerksamkeit wurde für ein paar Sekunden von der Bühne abgelenkt. Innerebner war in den Saal getreten, mit bleichem Gesicht, ein unheilverkündendes Feuer in den Augen. Weil alle Plätze schon besetzt waren, brachte der Hirschenwirt einen Sessel und stellte ihn neben den lustigen Sägmüller.

In Bertls begeisterter Seele war eine Wandlung vor sich gegangen. Er, der das Erscheinen des streitbaren Kaplans mit Sehnsucht erwartet und sich eine fidele Hetz davon versprochen hatte, sah jetzt erschrocken den jungen Priester an und zischelte in Walters Ohr: »Gott sei Lob und Dank, daß erst kommen ist, wie die Stell mit'm Bett schon vorbei war!«

Da sagte Arkas auf der Bühne: »Ich seh' den König kommen.« Alle Hälse streckten sich, alle Augen waren begierig nach dem Anblick der skytischen Majestät, vor der auch eine priesterliche Jungfrau nicht völlig sicher war. Der herrliche Kopf, den Bruder Laertes dem König lieh, und mehr noch das prachtvolle Kostüm, das von Gold und Juwelen glitzerte, weckte Bewunderung. Trotzdem wurde der jungfernfeindliche Herrscher mit grimmigen Blicken betrachtet und sank in der Meinung der Zuschauer noch um ein erkleckliches, als die schöne Priesterin auch die persönliche Werbung Seiner Majestät mit hoheitsvoller Würde zurückwies. Nur die Schrottenbacher-Vev, die sich in ihren Zeugstiefelchen als Aristokratin des Dorfes fühlte, schüttelte mißbilligend den Kopf: »Dö is noch heikliger als wie der Bonifaz.«

Immer seltener wurde solches Geflüster im Saal. Mit atemloser Spannung lauschten die Zuschauer, als Iphigenie die schattendunkle Geschichte der Tantaliden erzählte. Die Schönheit der Priesterin und der Harfenklang ihrer meisterhaft geschulten Stimme überglänzte das düstere Schicksal. Nicht nur die paar gebildeten Menschen, die in der ersten Reihe saßen, waren hingerissen und erschüttert; auch die ungefügen Herzen der hundert Dörfler ahnten die Macht des Geistes, der vor ihren staunenden Augen die Schwingen öffnete. Kein Laut mehr im Saal, nur noch das schwere Atemholen der beklommenen Brüste. Als der König in Zorn das Menschenopfer befahl und Iphigenie mit ausgebreiteten Armen zu ihrer Göttin flehte:

»Du hast Wolken, gnädige Retterin,
Einzuhüllen unschuldig Verfolgte –«

da waren viele, die wie in der Kirche die Hände falteten, als müßten sie mithelfen bei dieser flehenden Bitte um Rettung.

Der Vorhang wurde geschlossen. Niemand klatschte. Ein großer Nachtfalter flog umher, der immer gegen die erleuchteten Flecke der Holzwand stieß. Plötzlich in dieser Stille die zerdrückte Stimme des Bonifaz: »Herrgott! Is dös ebbes Schöns!« Ein Gemurmel der Zustimmung. Dann fing ein erregtes Schwatzen an.

»No, Herr Kaplan?« fragte der begeisterte Sägmüller. »Was sagen S' jetzt?«

Innerebner antwortete nicht. Sein Gesicht brannte.

Auch Walter saß schweigend und nickte nur, als Mathild in Freude stammelte: »Herrlich! Besser kann das nicht gespielt werden! Das sind keine Komödianten, wie sie von Dorf zu Dorf ziehen. Das sind Künstler eines großen Theaters, die sich in ihren Ferien die Freude machen, den Bauern was Gutes vorzuspielen. Dabei ahmen sie, um auch ihren eigenen Scherz zu haben, die reisende Theatergesellschaft auf dem Wilhelm Meister nach: Philine, Jarno, Laertes, Aurelia –«

Ein Glockenzeichen, der Vorhang ging auf. Im Nu verwandelte sich der Lärm in erwartungsvolle Stille. Als Orest und Pylades erschienen, mit Ketten an den Händen, fuhr ein erregtes Gezischel über die Bänke hin: »Dö zwei, dö der König schlachten will! Der Prinz und sein treuer Freund!« – »Der narrische Prinz! Der d' Mutter umbracht hat!« – »Dös hätt er aber doch net tun sollen!« – »Wann s' ihm aber mit ihrem Spezi den Vatern abgmurkst hat!« – »Schlecht gnug hat sich dös Weibsbild freilich aufgführt. Aber Mutter bleibt Mutter.« – »Daß den d' Schandari net packt haben?« – »Schauts ihn nur an, den armen Teufel, wie ihm 's Elend aus die traurigen Augen aussiguckt!« – »Und so a bildsaubrer Mensch! Ah, der tut mich derbarmen!«

Alle nahmen Mariane für den »unglücklichen Prinzen«, den sie darstellte. Daß unter dem schwarzen Mantel des Orest ein Mädchen steckte? Daran schien nur ein einziger zu denken. Dem schlug, als Mariane aus der Tiefe der Bühne trat, das Blut ins Gesicht.

»Es ist der Weg des Todes, den wir treten,
Mit jedem Schritt wird meine Seele stiller –«

Die Schwermut dieser umflorten Stimme wirkte so mächtig auf ihn, daß ihm die Hände zitterten. Mit verstörtem Blick verschlang er die Gestalt, die der schwarze Mantel verhüllte. Wie schön sie war! Mit diesen Fackeln der dürstenden Augen! In dieser leidenden Blässe der Wangen, um die das schwarze Gelock seine Schatten streute! Nichts an ihrem Gewande, nichts an ihrer Maske gestand: Ich bin ein Weib. Sie schien zu sein, was sie scheinen wollte. Alles Schmiegsame ihres Wesens war zu herber Strenge verwandelt. Kaum noch ein frauenhafter Klang in ihrer Stimme, jedes Wort von schneidender Schärfe, heiß durchglüht von dem gleichen Feuer, das in den ruhelosen Augen brannte:

»Soll ich wie meine Ahnen, wie mein Vater,
Als Opfertier im Jammertode bluten,
So sei es! Besser hier vor dem Altar,
Als im verworfnen Winkel, wo die Netze
Der nahverwandte Meuchelmörder stellt.
Laßt mir so lange Ruh, ihr Unterird'schen,
Die nach dem Blut ihr, das von meinen Tritten
Herniederträufelnd meinen Pfad bezeichnet,
Wie losgelass'ne Hunde spürend hetzt!
Laßt mich, ich komme bald zu euch hinab!«

Ein Hauch des Grauens ging über die lauschenden Herzen. Erleichtert atmeten sie auf, als Pylades mit Lachen tröstete:

»Ich bin noch nicht, Orest, wie du bereit,
In jenes Schattenreich hinabzugehen –
Ich denke nicht den Tod, ich sinn' und horche,
Ob nicht zu irgendeiner frohen Flucht
Die Götter Rat und Wege zubereiten.«

Wie neben der geheimnisvollen Nacht der leuchtende Morgen, stand Pylades neben Orest, ein Bild der Jugend und des Lebens, schmuck zum Verlieben, die schlanke Jünglingsgestalt vom blauen Mantel umflossen. Wie er aussah, das war das beste an ihm. Bertl hatte es gleich heraus: »Der kann's net so gut wie die andern!« Das Nannerl aber verwechselte die Person mit der Sache: »Der hilft seim Freund! Da glaub ich dran!« Auch Pylades hatte diese flüsternden Worte vernommen und machte erstaunte Augen, als er das junge, schlanke Ding mit dem feinen Gesichtl sah. Nannerl wurde vor Verlegenheit glühend rot, während Philinchen im Souffleurkasten alle Mühe hatte, den zerstreuten Herrn von Meister wieder in den Fluß seiner Rolle hineinzubugsieren. Marianens sichere Kunst überwand die Stockung, und der glühende Strom ihrer Rede umschlang die Lauschenden wie mit einem brennenden Mantel. Als sie die Bühne verließ, hörte man eine leise Stimme: »Ah, dös is schad! Der hätt bleiben sollen! Da kunnt eins die ganze Nacht zulusen!« Die schöne Priesterin erschien. Und das Nannerl, als Iphigenie dem treuen Pylades die Ketten löste, tat im Herzen das Gelübde: »Wann alles gut nausgeht, und es geschieht ihm nix, so stift ich der Heiligen Mutter a Kerzl!«

Des Pylades Erzählung von dem Brudermord, den sein Gefährte begangen haben sollte, verursachte in den »Krautsköpfen« der Langentaler einige Konfusion. Das stimmte nicht mit der »Verdeutschung« des Prologes. Ein Gezischel begann auf allen Bänken. »Was? An Brudern hat er derschlagen?« – »Er hat doch d' Mutter umbracht!« – »Du Narr! Kapierst denn net: vom Bruder, dös sagt er bloß, damit die ander net gleich alles merken soll.« – »Mar' und Josef, jetzt derfahrt s' es, daß ihr d' Mutter den Vater derstochen hat!« – »Jesses! Dö wird schön derschrecken!«

Schreck in Schönheit! Auch der klügste Kritiker hätte für das, was auf der Bühne sich abspielte, ein besseres Wort nicht finden können. Die leise Klage, mit welcher Iphigenie den Fall des Achill und seines Freundes betrauerte,

»So seid ihr Götterbilder auch zu Staub!«

die leuchtende Freude, als sie den Namen des Vaters nicht unter den Toten hört, die erwachende Ahnung des Entsetzlichen, das wachsende Grauen in ihren Augen, die vernichtende Gewißheit, der stumme Schmerz, mit dem sie den weißen Mantel um Haupt und Augen hüllte, und das lautlos müde Wanken nach dem Heiligtum der Göttin – wie schön das war! Und wie erschütternd!

Ein Parterre von theatergewohnten Zuschauern wäre, als sich der Vorhang schloß, in rauschenden Beifall ausgebrochen. Diese Bauern saßen wie in Stein verwandelt, schwer schnaufend, mit tropfenden Augen. Bevor sie sich aus ihrer Starrheit erholten, ging der Vorhang schon wieder auf, und Iphigenie löste die Ketten des Orest. »Der Bruder! Der Bruder!« keuchte auf der letzten Bank eine Stimme. »Paß auf, jetzt derkennt s' ihn! Jetzt merkt s', daß s' ihren Brudern noch hat!« Aus diesem Gestammel redete einer von jenen heiligen Wünschen, die vergeben und sühnen. Wie es diese eine Stimme verriet, so fühlten es hundert Herzen. Ihre Sehnsucht, daß die schuldlose Schwester den Bruder wiederfinden möchte für ein Leben in Freiheit und Glück, wusch alle Blutschuld von den Händen des Orest, noch ehe die Gottheit ihr lösendes Wunder wirkte. In erregter Spannung verfolgten die Hundert den leidenschaftlich bewegten Vorgang auf der Bühne. Jeder Nerv ihres derben Lebens war vom Glanz dieser Schönheit bezwungen, und wo sie dem Dichter nicht in seine Wolkenhöhe folgen konnten, hielt noch immer das glühende Spiel ihre berauschten Sinne gefesselt. Was sie sahen, war schauspielerisches Können in höchster Vollendung. Aurelia und Mariane schienen in ehrgeizigem Wettkampf um die Palme ihrer Kunst zu ringen. Doch während Aurelia mit keinem Augenwink über die Rampe verriet, daß sie gefallen wollte, warf Mariane bei den Worten des Orest

»Du scheinst hier wider Willen zu verweilen –«

einen forschenden Blick in das Dämmerlicht des Saales hinunter.

Da saß einer, mit den Fäusten auf den vom Talar bedeckten Knien, mit Augen, welche dürstend jedes Wort von den Lippen des Orest zu trinken schienen. Den Blick Marianens empfand er wie einen weckenden Stoß. Erblassend machte er eine Bewegung, wollte aufspringen, blieb wie gelähmt – und ein Zittern rann ihm über den Körper, als Orest die Schwester von sich stieß und in erwachendem Wahnsinn drohte:

»Ich rate dir, berühr nicht meine Locken!
Wie von Kreusas Brautkleid zündet sich
Ein unauslöschlich Feuer von mir fort.
Laß mich!«

Ein Brunnen der Freude quillt ihm aus der Seele der Schwester entgegen:

                »O sieh mich an, wie mir
Nach einer langen Zeit das Herz sich öffnet,
Der Seligkeit, dem Liebsten, was die Welt
Noch für mich tragen kann, das Haupt zu küssen!«

Der Irrsinn schlägt seine dunklen Fittiche um ihn her, das Feuer, das von seinen Händen ausbrennt, will ihn verzehren, alle rächenden Geister seiner Schuld überfallen ihn. Und da er verloren scheint, ist er gerettet, entsühnt durch die Liebe der Schwester, deren reine Menschlichkeit über alle Tiefen der Sünde eine leuchtende Brücke hinüberschlägt in das neue Leben. Und wie ergreifend Mariane das spielte: dieses dumpfe Erwachen aus der Nacht des Wahnsinns, das traumhafte Schauen einer Welt, deren ewiger Friede sie alle versöhnt, die sich im Staub der Erde haßten und zerfleischten – dieses zögernde Erkennen des Lichtes, »das nicht den Toten leuchtet«, dieses stürmische Umschlingen der schönen Wirklichkeit und das jubelnde Entzücken im Gefühl des neugeschenkten Lebens! Ein Ausatmen der Erlösung ging über die hundert Menschen hin, als Orest sich an die Brust der Schwester warf:

»Laß mich zum erstenmal mit freiem Herzen
In deinen Armen reine Freude haben! –
Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz!
Die Eumeniden ziehn, ich höre sie,
Zum Tartarus und schlagen hinter sich
Die ehrnen Tore fern abdonnernd zu.
Die Erde dampft erquickenden Geruch
Und ladet mich auf ihren Flächen ein,
Nach Lebensfreud' und großer Tat zu jagen!«

Der Vorhang rauschte. Wieder blieb's eine Weile still im Saal. Da erhob sich Innerebner, verstört, ein irrendes Feuer in den Augen, und ging zur Tür hinaus. Das löste den stummen Bann, der über den andern lag. Ein paar Burschen sprangen auf, mit Lauten, wie sie einer ausstößt, der aus der Schwüle hinausstürmt in die kühle Luft. Das Nannerl lachte und weinte leise vor sich hin. Mathild hörte das nicht. Sie erwachte erst, als Walter ihre Hand umklammerte. Er war keines Wortes mächtig. Und Hilfe schien er zu brauchen, um aus den Höhen, zu denen diese Stunde sein Denken und Fühlen unter einem Rausch seines Blutes emporgehoben hatte, nicht herabzustürzen in eine quälende Ernüchterung. Als sich Mathild zu ihm wandte, zog er seine Hand erschrocken zurück. Da sagte ein Mädel, das hinter ihm in der zweiten Reihe saß: »So an Brudern tat ich mir gfallen lassen. Mit dem marschieret ich gleich auf Griechenland. Da durft's noch weiter sein wie bis auf Mitterwalchen.« Sie fuhr sich mit der Schürze über die brennenden Wangen. Auch in den anderen Bänken sah man die blauen Taschentücher und weißen Schürzen um die roten Gesichter kreisen. Am schwülsten schien dem Bonifaz zu sein. Mit glitzernden Perlen stand ihm der Schweiß seiner Hochgefühle auf der Stirn. Er war in einer Aufregung, wie das Walperl den »zruckhalterischen« Menschen noch nie gesehen hatte. »Jesses, Bub, was hast denn?« fragte sie erschrocken.

Mit beiden Fäusten griff er in die Luft. »Jetzt möcht ich ebbes haben, ich weiß net was! Völlig sieden tut's in mir.«

Aus Erbarmen trocknete Walperl mit der weißen Schürze dem Bonifazius Venantius die brennende Stirn. Das ließ er sich gefallen. Und da rückte sie mauerfest an die Seite des heißen Buben und schmiegte das glühende Gesicht an seine Schulter.

Auch noch an anderen Paaren merkte man, daß Schönheit »siedig« macht. Hier und dort in den Bänken legte ein Bursch den Arm um die Hüfte seines Mädels. Zwei Verliebte küßten sich ohne viel Heimlichkeit. Das konnten sie gefahrlos wagen, seit der gestrenge Herr Kaplan gegangen war. Der kam nicht wieder. Die beiden letzten Akte wurden vor seinem leeren Sessel gespielt.

Das war jetzt ein frohes Lauschen! Alle wußten, daß das Schicksal der drei Menschen, die sie liebgewonnen, zu freundlichem Ende strebte. Glück sehen, ist eine der schönsten Freuden aller gutmütigen Herzen. Aber am seligsten leuchteten doch die Augen des Nannerls, als Iphigenie die süße Regung ihrer Seele verriet:

»O segnet, Götter, unsern Pylades!«

Wie froher Stolz war es in Nannerls trunkenem Herzen, daß sie diesen treuen, herrlichen Menschen gleich richtig erkannt hatte! Und wie klug er war! Wie fein er den Weg der Rettung austüftelte! Erschrocken guckte sie drein, als Iphigenie diesem Weg nicht blindlings folgen wollte. Bei diesem Schreck hatte das Nannerl viele Gesinnungsgenossen im Saal. Die Langentaler, die einen Pfiffigen höher zu schätzen pflegten als eine »reine Seele«, hielten die schlau ersonnene Flucht für die richtige Lösung des Stückes und hätten es dem »grauslichen« König mit Freuden vergönnt, daß er der »Angeschmierte« wäre. Drum ging, als die »dalkete Griechin« dem König im Vertrauen auf seine Großmut die heimlichen Pläne offen bekennen wollte, ein Gezischel der Unruh durch alle Bänke. Ein Holzknecht, der seinen Stehplatz hinter dem Fazifanzerl hatte, fing vernehmlich zu fluchen an: »O Himmelkreuzteifi, jetzt macht dös Madl auf d' Letzt noch an Plutzer, und alles geht schief.«

Bonifaz ergriff die Partei der »reinen Seele« und erklärte: »Recht hat 's Madl! Der grade Weg is allweil der beste! Mit der Wahrheit springst über alle Prügel aussi, die eim d' Lumpen stellen!« Um für den »heißen Zustand«, der sein Inneres erfüllte, äußerlich eine Ableitung zu schaffen, schlang er den Arm um das Walperl und drückte sie mit so eiserner Kraft an seine Brust, daß sich der glückselige Seufzer des freudig erschrockenen Mädels in leises Stöhnen verwandelte. Dafür hatte Bonifaz kein Ohr. Um bei dem Seelenkampf, durch dessen Gluten Iphigenie den Weg der Wahrheit suchte, ein wenig mitzuhelfen, flüsterte er mit heiseren Lauten gegen die Bühne: »Sag's ihm, Madl! Es kann dir nix gschehen, wann bei der Wahrheit bleibst!« Von den Leuten lachten ein paar. Und doch bewirkte dieses Wort einen Umschwung in der Stimmung der Zuschauer. Für das Volk von Langental war die Meinung des Bonifazius Venantius Gwack so etwas wie Gottesstimme. Einer, von dem die Bauern wissen, daß er Kraft in seiner Faust hat, besitzt für sie auch das Wort, das »gewichtet«. Alle Unruh im Saal war plötzlich zu stillem Lauschen verstummt, und alle Herzen hielten es mit dem »schneidigen Madl«, in das die Parteinahme des Bonifaz die »dalkete Griechin« verwandelt hatte.

Nicht nur die Spannung auf den glücklichen Ausgang des Stückes hielt die hundert Menschen gefesselt. Sie waren bezwungen, waren durchleuchtet von dem heiligen Feuer, mit welchem Schwester Aurelia die letzte Szene spielte. Es ging von ihr ein Zauber aus, dem keiner widerstehen konnte, ein Schönheitsglanz, der alle erfaßte und jeden brennen machte – am heißesten den einen, der ihr am nächsten saß, ganz von Sinnen, in Glut und Zittern. Sie sah ihn an und lächelte. Ein Sturm des Jubels war im Klang ihrer Stimme, als sie die Bitte an den König sprach:

»Versagen kannst du's nicht: gewähr es bald!«

Unruh fuhr über alle Bänke hin, als der König widerwillig murrte: »So geht!« Die hundert simplen Herzen ahnten den Willen des Dichters und waren mit dem rauhen Wort des Königs nicht zufrieden. Und Aurelia – als hätte sie das Beste ihrer Kunst für diese entscheidende Minute gespart und im Brunnen ihrer tönenden Seele die klingendste Tiefe erst jetzt erschlossen – sprach die letzten Worte mit hinreißender Schönheit:

»O wende dich zu uns und gib
Ein holdes Wort des Abschieds mir zurück!
Dann schwellt der Wind die Segel sanfter an,
Und Tränen fließen lindernder vom Auge
Des Scheidenden! Leb wohl! Und reiche mir
Zum Pfand der Freundschaft deine Rechte!«

Der König zögerte. Da sprang von der letzten Bank einer auf, warf die eisernen Fäuste über den roten Kopf empor und schrie: »D' Hand gibst ihr! Du Niegl, du bockbeiniger! Oder ich hilf dir!« Während das Walperl erschrocken den rasenden Fazifanzerl auf die Bank zurückzog, reichte König Thoas lachend dem »braven Griechenmadl« die Rechte. Auch Iphigenie, Orest und Pylades fingen zu schmunzeln und zu kichern an, und aller lauschende Ernst im Saal schlug um in schallendes Gelächter. Das heilige Werk des gefürsteten Menschengeistes fand unter der ernst gemeinten Mitwirkung des Bonifazius Venantius einen Ausklang, als hätte man in einer Posse das letzte Scherzwort abgefeuert.

Denen in der ersten Reihe konnte das naive Satyrspiel der Volksstimme den tiefen Eindruck der Dichtung nicht verwischen. Als sich der Vorhang geschlossen hatte, erhob sich Mathild mit glühendem Gesicht: »Wie schön ist das gewesen!« Walter nickte stumm. Er konnte es dem begeisterten Sägmüller nicht nachmachen, der wie verrückt applaudierte. Auch die Zuschauer fingen zu klatschen an. Der Vorhang ging nicht wieder auf, er teilte sich nur ein wenig, um Philinchen aus der Muschel des Souffleurkastens zu erlösen. Lachend sprang Bertl zur Rampe und hob die goldenen Fransen. Er sah nur eine Sandale – dann hatte ihn schon das Nannerl am Joppenärmel und sprudelte ihre Seligkeit vor ihm aus.

Im Saal war jetzt ein Lärm, als hätte der Fall des Vorhangs die hundert Andächtigen in Betrunkene verwandelt. Geschrei, Gelächter, Jauchzen und Jodeln. Die Ursache war schöne Freude. Bei den Langentalern kam das heraus wie bei den Bären, wenn sie tanzen wollen. Am lautesten war der Lärm im Flur und auf der Treppe draußen. Da mischte sich in den Radau der Buben auch das Lachen der Weibsleute, die ins Gedräng und in die Zwickmühle kamen. Während sich die letzten noch auf der Treppe drängten, hörte man schon von der Wirtsstube herauf das Gedudel der Glücklichen, die ihren »heißen Zustand« mit ausgiebiger Feuchtigkeit zu kurieren begannen.

Um diesem Gedräng zu entrinnen, wartete die Gesellschaft aus dem Scheidhof, bis der Saal sich geleert hatte. Dann gingen sie, Walter als letzter. Sein Gesicht war bleich. Als er zur Tür kam, von den anderen schon getrennt, sah er, daß noch ein junges Weib im Saal war, mit einem Bübchen auf dem Schoß. Es war die Zenz mit ihrem Maxerl. Ganz hinten in der Ecke saß sie auf dem Antritt der Musikantenbühne und hielt den Buben an sich gedrückt. Als Walter dieses lächelnde, von Tränen überronnene Gesicht mit den glänzenden Augen sah, schoß ihm bei aller Erregung, die ihn selbst erfüllte, der Gedanke durch den Kopf: »So viel Glück und Freude hab ich in einem menschlichen Gesicht noch nie gesehen!«


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