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Elftes Capitel.

Ein wüstes Heulen scholl aus der Bulgarenburg empor, denn sie konnten von ihren Zinnen sehen, wie Wladimir überwältigt ward und gebunden. Zu gleicher Zeit hatte sich das Fußvolk und die Unberittenen des Griechenheeres geordnet, und Alles rückte von allen Seiten mit schnellem Tritte gegen die Veste und ihre Verschanzungen an.

Da wehte plötzlich aus einem Thurmfenster der Burg etwas, wie ein Flämmlein. Die es zuerst merkten, sahen es für ein neues, greller gefärbtes Fähnchen an, aber bald leckte die glührothe Zunge wilder um sich, und ihres gleichen loderten fast aus allen Oeffnungen des Baues.

»Die Wladimirsburg brennt!« rief es von allen Scharen her, und man eilte geflügelten Laufes hinan, die darin befindlichen Schätze zu retten.

Da trat auf eine der Zinnen ein Bulgarenhauptmann vor, einen alten Christenpriester mit sich führend, den ließ er an Seilen halb über die Brüstung des Thurmes hinunter, und rief gegen Thiodolf:

»Halt, verwegner Griechenfeldherr, und gieb uns guten Frieden und freyen Abzug, oder wir lassen dir diesen in Eueren Landen geweiheten Mann zerschmettert entgegenstürzen.«

Aber auf Thiodolfs Wink führte man den gebundnen Wladimir herbey, und er rief hinauf:

»Mann gegen Mann! Blut gegen Blut! Den Augenblick diesen Christenpriester aus aller Gefahr, und das Feuer gelöscht, und Euch ergeben, oder es gibt kein Erbarmen für Euern Heerführer, kein Erbarmen für irgend ein lebendes Wesen in der Wladimirsburg! Gebt Ihr Euch aber – bey Feldherrnehre, Ihr habt mit guten Kriegsleuten zu thun, und ich nehm' Euch in ehrliche Haft. Nur das Eine bitt' ich mir aus: nicht lange besonnen!«

Und sie zogen den Christenpriester wieder zu sich hinauf, und begannen das Feuer zu löschen, und rückten bald darauf in feyerlicher Ordnung, ihre Waffen senkend, als Kriegsgefangne heraus.

»Sie waren zu was Besserem entschlossen;« sagte Wladimir, die Zähne zusammenbeißend. »Sage mir nur, Griechenfeldherr, wie hast du sie also bethört?«

»Bethört eben nicht;« entgegnete Thiodolf. »Aber es mag vielleicht so seyn, daß wenn ein Mann im recht strengen, ernsthaftigen Muthe etwas begehrt, die wenigsten Leute im Stande sind, es ihm abzuschlagen.«

Der Christenpriester zog den Gefangnen voran, ein hohes Cruzifix tragend, stellte sich dicht vor Thiodolf, und sagte:

»Im Nahmen dessen, der für dich gestorben ist: zeige dich als ein erbarmender Sieger!«

»Ach, so wäre er denn auch für mich mit gestorben?« seufzte Thiodolf, und schaute in tiefer, wehmüthiger Sehnsucht nach dem Kreuzes bilde empor. Dann aber sprach er mit strengem Blick: »hier kommt es ja auf Erbarmen gar nicht an, lieber Herr; einzig und allein auf Worthalten. Oder habt Ihr's nicht vernommen, was ich den Leuten hinaufgerufen habe? – Sagt mir indessen, dafern es Euch nicht zuwider ist, welch ein Sturm Euch in diese wilden Lande verschlagen hat.«

»Kein Sturm,« entgegnete der Priester. »Der heilige Magnet des Glaubens zog, und ich folgte ihm hierher, den armen Verblendeten die Lehre Christi, unsres lieben Heilandes, zu bringen. Die Leute nahmen mich auch besser auf, als ich gehofft hatte, und nur der Krieg verwilderte sie in den letzten Tagen so, daß sie jene furchtbare Drohung an mir ausließen. Jedennoch meine ich nicht, daß sie mich wirklich hätten hinabwerfen wollen.«

»Nicht!« erwiederte Thiodolf mit einigem Ingrimme. »Nun, des Frevels war allerdings an dem Drohen genug, du fromm ehrwürdiges Haupt. Fürwahr, ich weiß nicht wie so etwas Wildes in ein Menschenherz kommen mag.«

»Doch; so bisweilen,« sagte der Priester. »Ich war einmahl auf Island, da gab es einen jungen, edlen Kampfhelden, der hielt mich auch über das Bollwerk seines Gehöftes in die freye Luft hinaus, bloß um einen Abgesandten zu schrecken.« –

Der Alte schwieg, und sah lächelnd in Thiodolfs Angesicht. Dieser erkannte den guten Christenpriester Jonas, den er so wild von Gunnars Hofe zu Pietro's und Malgheritens Trauung fort gerissen hatte, und senkte in tiefer Beschämung die Augen zur Erde.

Seine Kriegsobersten und Hauptleute sammelten sich um ihn, fragend, wie es mit der Bewachung der Gefangenen und dem Vertheilen der Beute gehalten werden solle. Nachdem er das Alles ernst, freygebig und mild, wie man es an ihm gewohnt war, geordnet hatte, schritt er in Mitte der Heeresfürsten an einen Quell, der sich von dem Burghügel in die Ebene ergoß, spülte das Goldschild von Blute rein, trocknete und glättete die edle Waffe sorgfältig, und schwang sie dann hellfunkelnd im Sonnenglanze, während ihm und allen Umstehenden hohe Becher voll edlen Weines gereicht wurden. Thiodolf hob den seinen, rief mit hellen Thränen im Auge: »Vater Helmfrids Ehre!« und trank ihn aus. Alle hatten es ihn nach, und weithin schallte es durch das Feld, vom tausendfachen Echo der Geschwader feyerlich wiederholt: »Vater Helmfrids Ehre!«


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