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Der Scharnhorst-Begräbnisplatz
auf dem Berliner Invalidenkirchhof

»Grüß euch Gott, ihr teuren Helden!
Kann euch frohe Zeitung melden:
Unser Volk ist aufgewacht.
Deutschland hat sein Recht gefunden,
Schaut ich trage Sühnungswunden
Aus der heil'gen Opferschlacht.«
Max von Schenkendorf

Johanna von Scharnhorst ruht auf dem Dorfkirchhofe zu Siethen, alle anderen von Scharnhorsts aber, Kinder wie Enkel, ruhen auf dem Invalidenkirchhofe zu Berlin, und zwar in einem Halbkreis um das ihrem berühmten Vater beziehungsweise Großvater ebendaselbst errichtete Grabdenkmal her.

Dies Grabdenkmal entstand in den zwanzig Jahren, einer Gegenströmung unerachtet, an der es damals nicht fehlte und auch viel früher schon nicht gefehlt hatte. Die Anfänge davon zeigten sich bereits unmittelbar nach dem Tode Scharnhorsts im Hochsommer 1813, als sich's um Veröffentlichung eines bloßen Nachrufs handelte, den Clausewitz und Gneisenau gemeinschaftlich abgefaßt hatten. Es mag gestattet sein, bei diesem Vorereignis einen Augenblick zu verweilen. Der Nachruf lautete:

»Am 28. Juni starb zu Prag an den Folgen der bei Großgörschen erhaltenen Wunde der königlich preußische Generallieutenant von Scharnhorst. Er war einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Zeit. Das rastlose, stetige, planvolle Wirken nach einem Ziele, die Klarheit und Festigkeit des Verstandes, die umfassende Größe der Einsichten, die Freiheit von Vorurteilen des Herkommens, die stolze Gleichgiltigkeit gegen äußere Auszeichnungen, der Mut, in den unscheinbarsten Verhältnissen mit den schlichtesten Mitteln durch bloße Stärke des Geistes den größten Zwecken nachzustreben, jugendlicher Unternehmungsgeist, die höchste Besonnenheit, Mut und Ausdauer in der Gefahr, endlich die umfassendste Kenntnis des Kriegswesens machen ihn zu einem der merkwürdigsten Staatsmänner und Soldaten, auf welche Deutschland je stolz sein durfte.

Billig und gerecht im Urteil, sanft und ruhig in allen Verhältnissen mit anderen, freundlich, herzlich im ganzen Lebensumgange, war er einer der liebenswürdigsten Menschen, die den Kreis des geselligen Lebens zieren.

Was er dem Staate gewesen ist und dem Volke und der ganzen deutschen Nation, mögen viele oder wenige erkennen, aber es wäre unwürdig, wenn einer davon gleichgiltig bliebe bei dem traurigen Todesfall.

Es müßte keine Wahrheit und Tiefe mehr in der menschlichen Natur sein, wenn dieser Mann je von denen vergessen werden könnte, die ihm nahegestanden, ihn verehrt und geliebt haben.«

So der Nachruf, dessen staatlich- offizielle Veröffentlichung von seiten seiner Verfasser (Gneisenau und Clausewitz) im Hardenbergschen Cabinette gefordert wurde. Dort aber stieß diese Forderung auf Widerstand, weniger bei dem Staatskanzler selbst als bei seinen Räten I. und von B., und weil man nicht direkt ablehnen wollte, bemängelte man einzelnes und hob in einem an Gneisenau gerichteten Antwortschreiben hervor, »daß das zweitletzte, vorstehend gesperrt gedruckte Alinea dunkel und eine Änderung desselben wünschenswert sei; Scharnhorsts Verdienste seien allgemein gefühlt und anerkannt«.

Gneisenau jedoch war nicht umzustimmen und schrieb unterm 4. Juli von Patschkau aus: »In eine Abänderung der als ›dunkel‹ bezeichneten Stelle kann ich nicht willigen. Allgemein gefühlt und anerkannt ist Scharnhorsts Verdienst keineswegs. Und wenn es nicht allgemein anerkannt ist, warum dies nicht sagen? Jeder große Mann hat seine Freunde und seine Verunglimpfer, und gerade darin, daß er es nicht darauf anlegte, jedermann zu gefallen, liegt seine Größe. So etwas muß daher bei einem solchen Tode gesagt werden. Und wenn die bezweifelte Stelle, ungeachtet dessen, was ich zu ihrer Rechtfertigung anführe, nicht gedruckt werden soll, so bitte ich den ganzen Aufsatz zu unterdrücken.

von Gneisenau«

Man mag sich zu dieser Controverse In dem Punkte, daß man im Cabinet eine gewisse Bestrittenheit der Scharnhorstschen Verdienste wegleugnen wollte, hatte man gewiß unrecht, aber darin andererseits gewiß recht, daß es mindestens »unopportun« war, in solcher Zeit auf solche Meinungsverschiedenheiten oder auch Schlimmeres hinzuweisen. – Einen eigentümlichen Eindruck macht es außerdem, aus dem Briefwechsel zwischen den streitenden Parteien zu ersehen, daß die beiden Räte I. und von B. auch stilistische Bedenken hatten und damit nicht hinter dem Berge hielten. So wollte man das gesperrt gedruckte Wort »stetig«, weil es nicht deutsch sei, gern weg haben und proponierte statt seiner das Wort »anhaltend«. Aber Gneisenau wollte auch von einer derartigen, bloß sprachlichen Änderung nichts wissen und antwortete: »›Stetig‹ will mehr sagen als ›anhaltend‹; jenes bezeichnet das Bewußtsein des Wollens und des Zweckes. Es ist das englische steady, und ist absichtlich gewählt.« Zuletzt wurde die Sache Hardenberg selbst zur Entscheidung vorgelegt, und dieser schrieb sehr fein an den Rand: »Das Wort ›stetig‹ kann als eine neue Création wohl gut sein. Ich kenn es aber noch nicht als deutsch.« stellen, wie man will, eines erhellt daraus: ein Vorhandensein von Antagonismen und Gereiztheiten, über deren Ursachen ich mich an dieser Stelle nicht weiter verbreiten mag. Es war eben eine »Gegenströmung« da, das war unzweifelhaft, und diese dauerte fort, als einige Jahre später von seiten der Scharnhorst-Freunde der Plan angeregt wurde, seine irdischen Überreste von Prag her nach Berlin zu schaffen und ihm daselbst ein Denkmal zu setzen. »Anfangs«, so schreibt Minutoli, »flossen die Beiträge reichlich; aber die Wahrheit erfordert einzugestehen, daß sich beim Einsammeln auch Teilnahmlosigkeit, Engherzigkeit, ja sogar Mißgunst zu erkennen gab.«

Im Sommer 1819 hatten diese Sammlungen begonnen, indessen erst fünfzehn Jahre später, am 2. Mai 1834, wurde das Grabmonument, an dessen Herstellung unsere besten künstlerischen Kräfte mitgewirkt haben, beendigt. Von Schinkel war der Entwurf, insonderheit auch der architektonische Aufbau des Ganzen; Rauch hatte den berühmten schlafenden Löwen und Friedrich Tieck die den Sarkophag umziehenden Reliefbilder ausgeführt. Diese Reliefs sind die folgenden:

  1. Graf von der Lippe entläßt den Zögling. 1777.
  2. Festung Menin (Scharnhorst schlägt sich mit der hannoverschen Besatzung durch die französische Belagerungstruppe durch), den 30. April 1794.
  3. Preußens Heer empfängt ihn, den 1. Mai 1801.
  4. Preußisch-Eylau, den 8. Februar 1807.
  5. Bewaffnung zum Kampfe von 1813.
  6. Großgörschen, den 2. Mai 1813.

Dazu gesellen sich, in den Deckstein des Sarkophags eingeschnitten, folgende Daten:

Linke Breitseite: »Gerhard David von Scharnhorst, königlich preußischer Generallieutenant. – Seine Überreste wurden im Jahre 1826 von Prag hierhergeführt, um unter diesem, seinem Andenken gestifteten Denkmale zu ruhn.«

Hintere Schmalseite: »Geboren den 12. November 1756 zu Haemelsee Zeit und Ort ist an dieser Stelle nicht richtig angegeben. Er wurde nicht 1756, sondern 1755, und nicht in Haemelsee, sondern in Bordenau geboren. Ein solcher Fehler an solcher Stelle wird manchen überraschen; wer sich aber von Metier wegen viel um Biographisches gekümmert hat, weiß, daß nichts häufiger ist als derartig irrtümliche Angaben. Ein Befragen der Kirchenbücher unterbleibt, und auf Mitteilungen einzelner Familienglieder hin, »die's von Jugend auf so und nicht anders gehört haben«, entstehen die Fehler. Erst in neuerer Zeit ist man vorsichtiger in diesem Punkte geworden. in Hannover.«

Vordere Schmalseite: »Bei Großgörschen verwundet. An dieser Wunde gestorben zu Prag, den 28. Junius 1813.«

Rechte Breitseite (Widmung): »Scharnhorst – die Waffengefährten von 1813.«

 

Um dies berühmte Denkmal her ruhen, wie schon eingangs hervorgehoben, die Kinder und Enkel des Generals, auch Graf Friedrich Dohna, sein Schwiegersohn, jeder unter einer mächtigen Platte von poliertem Granit, auf welche, neben dem Namen und den Daten von Geburt und Tod, einfach ein Kreuz und ein Bibelspruch eingegraben ist.


Zur Linken des Denkmals:

Juliane von Scharnhorst
Geboren den 28. Juli 1788; vermählt mit Graf Friedrich zu Dohna den 10. November 1809; dem Herrn entschlafen den 20. Februar 1827.

»So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.«
Epistel Pauli an die Römer, Kap. 13, Vers 10.


Zur Rechten des Denkmals:

August von Scharnhorst
Geboren den 20. April 1795;
dem Herrn entschlafen den 11. Oktober 1826.

»Ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen,
und eure Freude soll niemand von euch nehmen.«
Ev. Johannes 16, Vers 22.


Also je ein Stein zur Linken und Rechten des Denkmals.


In Front desselben aber ruhen vier Tote.

Friedrich Graf zu Dohna
Generalfeldmarschall und Oberstkämmerer Seiner Majestät des Königs;
geboren den 4. März 1784, gestorben 21. Februar 1859.

»Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.«


Wilhelm von Scharnhorst Wilhelm von Scharnhorst, General der Infanterie, gestorben am 13. Juni 1854 zu Ems. Er besuchte das Gymnasium zum Grauen Kloster und trat in das preußische 3. Husarenregiment ein, ging aber bald danach (wahrscheinlich 1809) auf Wunsch seines Vaters nach England. In der Deutsch-Englischen Legion focht er unter Wellington in Spanien. 1813 kam er nach Preußen zurück. 1818 vermählte er sich mit der Tochter des späteren Feldmarschalls Grafen Gneisenau, kam in den Generalstab und wurde militärischer Zwecke halber 1827-1828 nach Griechenland, später nach Holland hin abkommandiert. Anfang der vierziger Jahre war er Inspecteur der Artillerie von Pommern und Preußen, danach in der Rheinprovinz, 1849 nahm er an dem badischen Feldzuge teil und wurde zuletzt zum Gouverneur von Rastatt ernannt. Bald darauf erbat er seinen Abschied und übersiedelte nach Berlin, um nur noch den Wissenschaften zu leben. Namentlich war er als Geograph bedeutend und mit Ritter sehr befreundet. Eine von ihm angelegte, viele Seltenheiten enthaltende Landkartencollection wurde nach seinem Tode vom Staat angekauft und der Königlichen Bibliothek unter dem Namen der »Scharnhorst-Sammlung« überwiesen. – Über den jüngeren Bruder, August von Scharnhorst († 1826), hab ich in dem Kapitel » Gröben und Siethen« ausführlicher berichtet.
Geboren den 16. Februar 1786, gestorben am 13. Juni 1854.

»Das kein Auge gesehen und kein Ohr gehöret hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« 1. Korinther 2, Vers 9.


Gerhard von Scharnhorst
Königlich preußischer Premierlieutenant im 3. Husarenregiment; geboren 18. September 1819, gestorben den 9. Februar 1858. »Barmherzig und gnädig ist der Herr.« Psalm 103, Vers 8.


August von Scharnhorst
Platzmajor von Pillau, geboren 6. April 1821,
gestorben 11. November 1875.

»Das Alte ist vergangen; siehe, es ist alles neu geworden.«
2. Korinther 5, Vers 17.

 

Die beiden zuletzt Genannten ( Enkel des 1813 gefallenen Generals) haben einen gemeinschaftlichen Grabstein. Der enge Raum innerhalb des nur zwölf Schritt breiten und fünfzehn Schritt langen Eisengitters gebot dies. In den vier Ecken stehen Trauereschen; aller weitere Schmuck ist vermieden, selbst Blumen fehlen.

Mit diesen beiden 1858 und 1875 kinderlos verstorbenen und im Laufe dieses Jahres (1881) nach Berlin hin übergeführten Enkeln des Generals:

dem Premierlieutenant Gerhard von Scharnhorst
und dem Platzmajor August von Scharnhorst,

erlosch, nach genau hundertundzwanzigjährigem Bestehen – vom 12. November 1755 bis 11. November 1875 –, das erst 1802 geadelte Haus von Scharnhorst.

Von allen, die diesen berühmten Namen einst führten, lebt nur noch der obengenannten Brüder, Gerhard und August, jüngere Schwester: Agnes von Scharnhorst (Cousine Johanna von Scharnhorsts), seit 1855 vermählt mit Baron Karl von Münchhausen, Oberst z. D. und Schloßhauptmann in Erdmannsdorf.

Ihrer vor keiner Mühe zurückschreckenden Anregung ist es zu danken, daß, seit dem Ablaufe dieses Sommers, ihr Ahnherr Gerhard David von Scharnhorst alle die Seinen an seiner Grabstatt um sich versammelt sieht.


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