Gustav Falke
Aus dem Durchschnitt
Gustav Falke

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XIX.

Fräulein Mimi Kruse machte nach den Renntagen ihre Verlobung mit Herrn Emil Pohlenz bekannt und kündigte ihre Stellung bei der Wittfoth.

»Hab ich's nicht gleich gesagt?« meinte die Tante. »Mir such einer was zu verheimlichen.«

»Es war vorauszusehen«, betätigte Therese. »Wenn sie sich leiden mögen, kann man sich ja nur darüber freuen.«

»Meinen Segen haben sie«, sagte die Wittfoth. »So eine, wie Mimi, bekommen wir schon wieder.«

»Na«, zweifelte Therese. »Mimi war doch eigentlich im Geschäft recht tüchtig.«

»Alles was recht ist«, gab die Tante zu. »Das heißt, vergeßlich ist sie doch man, und nachräumen muß man ihr alles.«

»Ja, wo findest du eine ohne Fehler, liebe Tante.« Ein häßlicher Husten, der sie seit der Buxtehuder Ausfahrt quälte, unterbrach stoßweise Theresens Worte.

»Das ist auch man ebenso viel, zu ersetzen ist jede«, behauptete Frau Caroline. »Mich ärgert man bloß, daß das dumme Ding solch Glück hat. Aber man ist ja wohl eigentlich schlecht, so was zu sagen. Ich meine auch man bloß. Ich will ihn ihr nicht nehmen, und wenn sie ihn auf'n Teller bringt.«

»Du hast ja schon Dein Teil«, lachte Therese. »Am Ende hätte ich noch Onkel Pohlenz sagen müssen. Da ist mir doch Onkel Beuthien lieber.«

»Mich amüsiert man, daß wir nun doch noch 'ne Doppelverlobung zu Stande gekriegt haben. Nu mach auch man Anstalten«, meinte die Wittfoth.

»Ich werde Wilhelm einen Antrag machen«, scherzte Therese etwas verlegen. Die unzarte Bemerkung der Tante that ihr weh, für sie war ja das Verloben und Heiraten »nicht erfunden«, sie durfte zusehen.

Und doch war sie ebenso liebebedürftig, hatte ein ebenso empfängliches Herz, wie Mimi und die so viel ältere Tante.

Ihre Neigung zu Hermann brannte wie eine Kerze, mit gleicher, ruhiger, sanfter Flamme, sich selbst verzehrend.

Zu stolz und zu klug, sich Illusionen hinzugeben, hatte sie ein für allemal auf Liebesglück verzichtet, wenigstens sich mit dem begnügt, das auch unerwiderte Liebe zu bieten vermag.

Sie hatte, fast zu frühzeitig, doch ihre Stunden waren ja sehr in Anspruch genommen, eine Handarbeit zu Hermanns nächstem Geburtstag angefangen, sein Monogramm in Gold, umrahmt von einem Veilchenkranz in blauer Seide. Auf schwarzem Atlas gestickt, sollte das Ganze einem Taschenbuch zur Zierde gereichen.

Emsig arbeitete sie daran, und die Liebe machte ihre solcher feinen Arbeiten ungewohnten Finger geschickt.

Wenn sie ihn doch öfter erfreuen könnte, für ihn arbeiten, sich ihm nützlich erweisen.

Als er neulich einmal, ärgerlich über seine saumselige Wirtin, der Tante einige Strümpfe zum Stopfen brachte, war sie erfreut gewesen, dieser die Arbeit abnehmen zu dürfen, und hatte sich in dieser fraulichen Thätigkeit für den Geliebten glücklich gefühlt.

Konnte sie selbst Hermann nicht besitzen, so gönnte sie ihn doch nur einer Würdigen, und seine Neigung zu Mimi hatte nie recht ihren Beifall gefunden.

Sie war Mimi herzlich gut, ihrer vielen liebenswürdigen Eigenschaften wegen, zu welchen auch ein rücksichtsvolles, zartes Benehmen gegen die kränkliche Freundin gehörte, aber für Hermann schien sie ihr doch nicht die rechte Frau zu sein. Schon der Unterschied der Bildung machte sie bedenklich.

Freilich, sie selbst war auch kein Kirchenlicht, aber Mimi hatte ja nicht mal fürs Lesen Interesse, und die Bücher waren nun doch einmal Hermanns Rüst- und Handwerkszeug.

So war Therese denn im Grunde nur erfreut gewesen, daß Mimi durch ihre Verlobung mit Pohlenz das Verhältnis zu Hermann endgiltig abgeschlossen hatte.

Hermann, dieser liebenswürdige, gescheute, feine Mensch, würde gewiß bald ein anderes Mädchen finden, das ihn besser zu schätzen wüßte und ihn Mimi vergessen machte.

Sie billigte es, daß er nach Empfang des Korbes stolz vermied, mit dieser zusammen zu treffen, so schmerzlich sie selbst ihn vermißte. Wenn Mimi erst aus dem Hause wäre, würde ja wieder alles anders werden. Er würde sich wieder, wie früher, ihr allein widmen, ihr vorlesen, sie belehren und fördern. Wie freute sie sich darauf.

Die Tante hatte der Verlobten etwas spöttisch gratuliert und allerlei Bemerkungen von »stolz werden«, »vornehme Dame« und »einfachen Kellersleuten« fallen lassen, worauf Mimi ganz gekränkt ausrief: »Aber nein, Frau Wittfoth, wie reden Sie nur so«, und in Thränen ausbrach.

»Na, Herrjeses, was hab ich denn gesagt?« that die Wittfoth pikiert.

»Mimi vergißt uns nicht«, suchte Therese zu vermitteln. »Ohne uns hätte sie ihr Glück nie gemacht. Wenn ich Herrn Pohlenz nun gekapert hätte, oder Du, Tante hättest ihn ihr weggeangelt, was denn? Mimi muß uns ewig dankbar sein.«

Diese lustigen Worte brachten wieder Sonnenschein, und Mimi beteuerte, sie würde Zeit ihres Lebens an die schönen Jahre zurückdenken, die sie in diesen Räumen verlebt hätte.

»Auch an einen?« drohte Therese mit dem Finger, da die Tante das Zimmer verlassen hatte.

Mimi errötete. Dann aber legte sich eine feine Trotzfalte zwischen ihre Brauen.

»Ich konnte Herrn Heinecke nicht heiraten.«

»Das muß jeder selbst wissen, liebe Mimi. Das kann niemand von Ihnen verlangen«, versetzte Therese auf dies Geständnis. »Eine Ehe ohne Liebe denke ich mir entsetzlich.«

»Nicht wahr?« stimmte Mimi bei. »Dazu ist das Leben doch auch zu furchtbar ernst. Wenn ich Emil nicht liebte--«

»Dann werden Sie auch gewiß glücklich mit ihm,« unterbrach Therese sie schnell. »Hermann ist auch noch viel zu jung zum Heiraten«, fuhr sie fort. »Ein Lehrer mit seinem kargen Anfangsgehalt sollte noch nicht daran denken.«

»Das sage ich auch«, eiferte Mimi. »Was kostet das nicht alles! Pohlenz sagt auch, mit dreitausend Mark möchte er nicht heiraten.«

»Das kommt nun auf die Ansprüche an«, meinte Therese.

»Natürlich. Mit wie wenigem kann doch der Mensch eigentlich auskommen, wenn er nur will.«

»Sie werden nun Ihr gutes und reichliches Auskommen haben, liebe Mimi.«

»Ja, das haben wir nachher. Emil kann es ja«, sagte Mimi. »Ich hoffe, Sie besuchen uns denn auch mal.«


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