Alexander Dumas
Das Halsband der Königin - 2
Alexander Dumas

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XLVI.

Jeanne als Beschützerin.

Der Herr Cardinal von Rohan erhielt zwei Tage nach seinem Besuche bei Böhmer ein also abgefaßtes Billet:

»Seine Eminenz der Herr Cardinal von Rohan weiß ohne Zweifel, wo er heute zu Nacht speisen wird.«

»Von der kleinen Gräfin,« sagte er, am Papier riechend. »Ich werde kommen.«

Man höre, warum Frau von La Mothe diese Zusammenkunft vom Cardinal verlangte.

Von den fünf vom Herrn Cardinal zu ihrer Bedienung bestellten Lakaien hatte Frau von La Mothe einen ausgezeichnet, einen Menschen mit schwarzen Haaren und braunen Augen, mit der blühenden Gesichtsfarbe des Sanguinischen, womit sich die solide Färbung des Gallichten vermischte. Es waren dieß für die Beobachterin alle Merkmale einer thätigen, verständigen und hartnäckigen Organisation.

Sie ließ diesen Menschen kommen, und in einer Viertelstunde erhielt sie von seiner Gelehrigkeit, von seinem Scharfblick Alles, was sie daraus gewinnen wollte.

Dieser Mensch folgte dem Cardinal und meldete, er habe Seine Eminenz zweimal in zwei Tagen zu den Herren Böhmer und Bossange gehen sehen.

Jeanne wußte genug. Ein Mann wie Herr von Rohan feilscht nicht. Gewandte Kaufleute, wie die Herren Böhmer und Bossange, lassen den Käufer nicht gehen. Das Halsband mußte verkauft sein.

Von Böhmer verkauft.

Von Herrn von Rohan gekauft! und der Letztere hätte kein Wort davon bei seiner Vertrauten, bei seiner Geliebten verlauten lassen!

Dieses Symptom war ernster Natur. Jeanne faltete ihre Stirne, kniff ihre zarten Lippen und schrieb an den Cardinal das Billet, das wir gelesen.

Herr von Rohan kam am Abend. Er hatte einen Korb Tokayer und einige Seltenheiten vorausgeschickt, gerade als ob er bei der Guimard oder bei Mlle. Dangeville speisen würde.

Diese Nuance entging Jeanne eben so wenig, als ihr so viele andere entgangen waren; absichtlich ließ sie nichts von dem auftragen, was der Cardinal geschickt hatte; dann, als sie allein waren, eröffnete sie das Gespräch mit einer gewissen Zärtlichkeit und sagte:

»In der That, Monseigneur, Eines verdrießt mich ungemein.«

»Oh! was denn, Gräfin?« rief der Cardinal, mit jener Affectation von Kummer, die nicht immer als ein Zeichen wirklicher Bekümmernis; betrachtet werden darf.

»Wohl! Monseigneur, es verdrießt mich, sehen zu müssen, nicht daß Sie mich nicht mehr lieben, sondern daß Sie mich nie geliebt haben.«

»Oh! Gräfin, was sagen Sie da?«

»Entschuldigen Sie sich nicht, Monseigneur, das wäre verlorene Zeit.«

»Für mich!« erwiderte galant der Cardinal.

»Nein, für mich,« entgegnete gerade heraus Frau von La Mothe. »Uebrigens ...«

»Oh! Gräfin!« rief der Cardinal.

»Seien Sie nicht trostlos hierüber, Monseigneur, das ist mir ganz gleichgültig.«

»Ob ich Sie liebe, oder ob ich Sie nicht liebe?«

»Ja.«

»Und warum ist Ihnen das gleichgültig?«

»Weil ich Sie nicht liebe.«

»Gräfin, wissen Sie, daß die Erklärung, womit Sie mich da beehren, ganz und gar nicht artig ist?«

»In der That, es ist wahr, wir beginnen nicht mit Süßigkeiten; das ist eine Thatsache, die wir außer Zweifel setzen wollen.«

»Welche Thatsache?«

»Daß ich Sie nie geliebt habe, Monseigneur, daß Sie mich nie geliebt haben.«

»Oh! was mich betrifft, das dürfen Sie nicht sagen,« rief der Prinz mit einem Ausdruck beinahe der Wahrheit. »Ich habe viel Zuneigung für Sie gehabt, Gräfin. Beurtheilen Sie mich also nicht nach Ihnen selbst.«

»Monseigneur, schätzen wir uns genug, um uns die Wahrheit zu sagen.«

»Und was ist die Wahrheit?«

»Es gibt unter uns ein Band, das stärker ist, als die Liebe.«

»Welches?«

»Das Interesse.«

»Das Interesse? Pfui, Gräfin!«

»Monseigneur, ich muß Ihnen sagen, wie der normannische Bauer vom Galgen zu seinem Sohne sagte: Hast Du einen Ekel davor, so mache nicht, daß es den Andern davor ekelt. Pfui über dem Interesse. Monseigneur! Wie Sie das sagen!«

»Wohl denn! nehmen wir an, Gräfin, wir seien interessirt: worin kann ich Ihren Interessen, und worin können Sie den meinigen dienen?«

»Vor Allem, Monseigneur, habe ich Lust, Streit mit Ihnen anzufangen.«

»Thun Sie das, Gräfin.«

»Sie haben des Vertrauens, das heißt der Achtung gegen mich ermangelt.«

»Ich! ich bitte, wann dieß?«

»Wann? Werden Sie leugnen, daß Sie, nachdem Sie meinem Geiste Einzelnheiten entlockt, die ich Ihnen gar zu gern gab ...«

»Worüber, Gräfin?«

»Ueber den Geschmack einer gewissen hohen Dame für eine gewisse Sache; daß Sie sich, sage ich, in den Stand gesetzt haben, diesen Geschmack zu befriedigen, ohne mit mit darüber zu sprechen.«

»Einzelnheiten entlocken, den Geschmack einer gewissen Dame für eine gewisse Sache errathen, diesen Geschmack befriedigen! wahrhaftig, Gräfin, Sie sind ein Räthsel, eine Sphinx. Ah! ich hatte wohl den Kopf und den Hals der Frau gesehen, aber noch nicht die Krallen des Löwen. Es scheint, Sie wollen mir dieselben zeigen, gut.«

»Nein, ich werde Ihnen gar nichts zeigen, Monseigneur, in Betracht, daß Sie nicht mehr Lust haben, etwas zu sehen. Ich werde Ihnen nur ganz einfach den Schlüssel zum Räthsel geben: die Einzelheiten sind das, was in Versailles vorgefallen; der Geschmack einer gewissen Dame, das sind die Diamanten; die gewisse Dame ist die Königin, und die Befriedigung dieses Geschmackes der Königin ist der Ankauf des vielbesprochenen Halsbandes, den Sie gestern bei den Herren Böhmer und Bossange gemacht haben.«

»Gräfin!« murmelte der Cardinal, ganz wankend und bleich.

Jeanne heftete ihren klarsten Blick auf ihn und sprach:

»Sagen Sie, warum Sie mich mit einer so verblüfften Miene anschauen; haben Sie nicht gestern einen Handel mit den Juwelieren des Quai de l'Ecole eingegangen?«

Ein Rohan lügt nie, nicht einmal gegen ein Weib. Der Cardinal schwieg.

Und da er zu erröthen anfing, eine Widerwärtigkeit, die ein Mann einer Frau nie verzeiht, so fügte sie rasch bei:

»Verzeihen Sie, mein Prinz, ich muß Ihnen sogleich sagen, worin Sie sich über mich täuschten. Sie hielten mich für albern und boshaft.«

»Oh! oh! Gräfin!«

»Kurz ...«

»Nicht ein Wort mehr; lassen Sie mich nun ebenfalls sprechen. Ich werde Sie vielleicht überzeugen, denn von heute an sehe ich klar, mit wem ich zu thun habe. Ich glaubte in Ihnen eine hübsche Frau, eine Frau von Geist, eine reizende Geliebte zu finden. Sie sind etwas Besseres, als dieses. Hören Sie.«

Jeanne näherte sich dem Cardinal und ließ dabei ihre Hand in seinen Händen.

»Sie wollten meine Geliebte, meine Freundin sein, ohne mich zu lieben. Sie haben mir das selbst gesagt.«

»Und ich wiederhole es Ihnen noch einmal,« versetzte Frau von La Mothe.

»Der Zweck, Gräfin?«

»Muß ich Ihnen denselben erklären?«

»Nein, ich berühre ihn mit dem Finger. Sie wollen mein Glück machen. Ist es nicht gewiß, daß, wenn einmal mein Glück gemacht ist, meine ernste Sorge sein wird, das Ihrige zu sichern? Habe ich mich getäuscht?«

»Sie haben sich nicht getäuscht, Eminenz, es ist so. Nur glauben Sie mir ohne Phrasen, ich habe diesen Zweck nicht unter Widerstreben, nicht unter Antipathien verfolgt, der Weg war angenehm.«

»Sie sind eine liebenswürdige Frau, Gräfin, und es ist ein wahres Vergnügen, mit Ihnen über Geschäftssachen zu sprechen. Ich sagte Ihnen also, Sie haben richtig errathen. Sie wissen, daß ich irgendwo eine ehrfurchtsvolle Zuneigung hege.«

»Ich habe das auf dem Opernball gesehen, mein Prinz.«

»Diese Zuneigung wird nie getheilt werden. Oh! Gott behüte mich, daß ich das glaube.«

»Ei!« versetzte die Gräfin, »eine Frau ist nicht immer die Königin, und Sie stehen, wie ich weiß, dem Herrn Cardinal Mazarin in Nichts nach.«

»Das war auch ein sehr schöner Mann,« sagte lachend Herr von Rohan.

»Und ein vortrefflicher erster Minister,« erwiderte Jeanne mit der größten Ruhe.

»Gräfin, bei Ihnen ist es verlorene Mühe, zu denken, es ist zwanzigmal überflüssig, zu sagen. Sie denken und sprechen für Ihre Freunde. Ja, ich strebe darnach, erster Minister zu werden. Alles treibt mich dazu an: die Geburt, die Gewandtheit in den Geschäften, ein gewisses Wohlwollen, das mir die fremden Höfe bezeigen, viel Sympathie, welche mir vom französischen Volke gewährt wird.«

»Kurz Alles,« sagte Jeanne, »nur Eines ausgenommen.«

»Einen Widerwillen ausgenommen, wollen Sie sagen.«

»Ja, der Königin; und dieser Widerwille ist das wahre Hinderniß. Was sie, die Königin, liebt, muß der König immer am Ende auch lieben; was sie haßt, verabscheut er zum Voraus.«

»Und sie haßt mich?«

»Oh!«

»Seien wir offenherzig. Ich glaube nicht, daß es uns gestattet ist, auf so schönem Wege zu bleiben, Gräfin.«

»Wohl! Monseigneur, die Königin liebt Sie nicht.«

»Dann bin ich verloren. Das Halsband kommt nicht in Betracht.«

»Hierin könnten Sie sich täuschen. Prinz.«

»Das Halsband ist gekauft.«

»Die Königin wird wenigstens sehen, daß, wenn Marie Antoinette Sie nicht liebt, sie von Ihnen geliebt wird.«

»Oh! Gräfin!«

»Sie wissen, Monseigneur, wir sind übereingekommen, die Dinge bei ihren Namen zu nennen.«

»Gut! Sie sagen also, Sie zweifeln nicht daran, mich eines Tags als ersten Minister zu sehen?«

»Ich bin fest davon überzeugt.«

»Ich würde mir verargen, wenn ich nicht fragte, wornach Sie streben.«

»Ich werde es Ihnen sagen, wenn Sie einmal im Stande sind, mein Streben zu befriedigen.«

»Das heiße ich sprechen; ich erwarte Sie an diesem Tage.«

»Ich danke; speisen wir nun zu Nacht.«

Der Cardinal nahm Jeanne's Hand und drückte sie, wie Jeanne einige Tage vorher gewünscht hatte, daß sie gedrückt würde. Doch diese Zeit war vorüber.

Sie zog ihre Hand zurück,

»Nun, Gräfin?«

»Speisen wir zu Nacht, sage ich Ihnen, Monseigneur.«

»Ich habe keinen Hunger mehr.«

»So plaudern wir.«

»Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.«

»So verlassen wir uns.«

»Ah! das nennen Sie unser Bündniß? Sie geben mir den Abschied?«

»Um wahrhaft einander zu gehören, wollen wir, Monseigneur, Beide uns selbst gehören.«

»Sie haben Recht, Gräfin, verzeihen Sie mir, daß ich mich abermals über Sie getäuscht habe. Oh! ich schwöre Ihnen, daß dieß das letzte Mal sein wird.«

Er nahm wieder ihre Hand und küßte sie so ehrfurchtsvoll, daß er das höhnische, teuflische Lächeln der Gräfin in dem Augenblick, wo die Worte: »Es wird das letzte Mal sein, daß ich mich in Beziehung auf Sie getäuscht habe,« ertönten, nicht sah.

Jeanne stand auf und geleitete den Prinzen in's Vorzimmer zurück. Hier blieb er stehen und fragte ganz leise:

»Die Folge, Gräfin?«

»Das ist ganz einfach.«

»Was werde ich thun?«

»Nichts. Warten Sie auf mich.«

»Und Sie gehen?«

»Nach Versailles.«

»Wann?«

»Morgen.«

»Und ich werde Antwort bekommen?«

»Sogleich.«

»Wohl, meine Beschützerin, ich übergebe mich Ihnen.«

»Lassen Sie mich gewähren.«

Nach diesen Worten kehrte sie zurück und legte sich zu Bette. Sie betrachtete noch mit einem unentschiedenen Blick den schönen marmornen Endymion, der auf Diana wartete, und murmelte:

»Die Freiheit ist entschieden mehr werth,«


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