Hedwig Dohm
Die wissenschaftliche Emancipation der Frau
Hedwig Dohm

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Ob Frauen studiren dürfen? Ob es ihnen erlaubt war und erlaubt ist?

Meine Gegner bejahen diese Frage, ich verneine sie.

Die Professoren sind der Meinung, daß von jeher den Frauen Nichts im Wege gestanden, sich wissenschaftliche Kenntnisse zu erwerben. Meine Meinung geht dahin, daß von jeher Vorurtheil und Gewohnheit, Gesetz und faktische Verhältnisse die Frauen am Studiren gehindert haben. Hören wir zuerst den Herrn Professor der Philosophie aus Bonn!

»Viele Beispiele«, sagt er »lehren uns, daß die geistige Entwickelung begabter Frauen unter dem herrschenden Einfluß der Männer selten gehemmt worden ist, sondern weit häufiger die größtmögliche Begünstigung erfahren hat. Die Culturgeschichte weiß Nichts davon, daß begabte wißbegierige Frauen von der rauen Männerwelt schon an den Pforten des Heiligthums zurückgewiesen sind. Die äußeren Verhältnisse also bieten keine Anhaltspunkte zur Erklärung der Thatsache, daß nur wenig schöpferische Leistungen der Frauen vorliegen.«

Und wüßte wirklich die »Culturgeschichte« Nichts davon – wenn ich nur davon weiß, das genügt mir vollkommen. Und in der That, ich spreche hier aus eigenster Erfahrung, die dem Herrn Professor nicht zur Seite stehen kann. Auch ich gehörte zu jenen wissensdurstigen Frauen, die an die Pforten des Heiligthums klopften, um – ausgelacht zu werden. Und ich war nicht die Einzige zu jener Zeit.

In einem für das spanische Collegium an der Universität Bologna aus dem Jahre 1377 herrührenden Statut heißt es (lateinisch): »Und weil das Weib das Haupt der Sünde, die Waffe des Teufels, die Ursache der Vertreibung aus dem Paradiese und das Verderbniß des alten Gesetzes ist, und weil deswegen jede Unterhaltung mit derselben eifrigst zu vermeiden, so verbieten und untersagen Wir ausdrücklich, daß irgend Einer sich unterfange, irgend ein Weib, und sei dasselbe auch noch so ehrbar, in das genannte Collegium einführe. Und wenn solches Einer dennoch thut, so soll er von dem Rektor schwer bestraft werden.«

Aber die »Culturgeschichte« weiß nichts davon, daß man Frauen an den Pforten des Heiligthumes zurückgewiesen hat!

Als im 16. Jahrhundert Françoise de Saintonge Mädchenschulen in Frankreich zu gründen versuchte, wurde sie öffentlich auf den Straßen verhöhnt und verspottet, und ihr Vater rief vier Doktoren herbei, in der Kunst erfahren, um zu entscheiden, ob seine Tochter vom Dämon besessen sei: »pur s’assurer, qu’instruire des femmes n’était pas un oeuvre du démon

Aber die »Culturgeschichte« weiß nichts davon!

Als Miß Garet im Jahre 1860 anfing, Medicin zu studiren, ging sie von einer Schule und Universität Englands zur andern, um Aufnahme bittend. Ueberall abgewiesen, fand sie schließlich, daß die Apothekerzunft die einzige Körperschaft war, welche ihrer Urkunde nach (indem anstatt des Wortes »vir«, Mann, »homo«, Mensch, gebraucht war), kein Recht hatte, die Prüfung irgend eines Kandidaten, der die vorgeschriebenen Bedingungen erfüllte, zurückzuweisen.

Sie studirte nun fünf Jahre und erhielt im Jahre 1865 ihr Diplom. Eine Reihe von Vorträgen hatte sie privatim gehört und bisweilen 50 Guineen für einen Cursus bezahlen müssen, für den die gewöhnlichen Gebühren in den Klassen, von welchen sie ausgeschlossen war, nur 2 Guineen betrugen.

Mit der Auflage dieser direkten enormen Geldsteuer waren indessen die Schwierigkeiten nicht beseitigt. Jetzt, nach Vollendung ihrer Studien, setzten die Autoritäten die junge Dame von einem Gesetz in Kenntniß, welches den Studenten verbot, sich irgend einen Theil ihres medicinischen Unterrichtes auf Privatwegen anzueignen. Dieser Einwand war öffentlich von einem leitenden medicinischen Journale angerathen worden, als ein sicherer Weg, den Verpflichtungen jener Statuten zu entgehen und den Frauen die einzige ihnen gebliebene Chance zu zerstören.

»Aber die Culturgeschichte weiß Nichts davon, daß jemals eine geistige Expropriation der Frau stattgefunden!«

Der Professor W..... in Berlin hatte vor einigen Jahren, - ob stillschweigend oder nach mündlicher Verabredung, weiß ich nicht – einem Dutzend Damen die Zuhörerschaft bei seinen Vorträgen über Shakespeare gestattet. Als aber eines Tages die Damen, nichts Böses ahnend, wie gewöhnlich vor dem Heilgthum erscheinen, siehe – da steht an der Pforte der treue Universitäts-Eckart, der Pedell, und jagt sie fort.

Der Professor hatte es nicht einmal der Mühe werth gehalten, die Damen zu benachrichtigen, daß er in Zukunft auf das Vergnügen verzichten müsse, sie zu sehen. Herr Professor in Bonn, wollen Sie nicht Ihre »Culturgeschichte«, die von der Zurückweisung wissensdurstiger Frauen an den Pforten des Heiligthums nichts weiß, mit diesem Dutzend Damen confrontiren? Die »Culturgeschichte«, die zu kennen Sie das zweifelhafte Vergnügen haben, scheint nicht nur, wie Amor, eine Binde vor den Augen, sondern auch Baumwolle in den Ohren zu tragen; denn sie sieht und hört nicht. Ich möchte Ihnen rathen, künftighin, wo es sich um Aufklärung der weiblichen Studienrechte handelt, nicht die »Culturgeschichte« zu fragen, sondern die – Pedelle.

Meines Wissens steht den Mädchen im Großen und Ganzen für ihre Ausbildung nur die »höhere Töchterschule« zur Verfügung. Vielleicht kennt aber der Herr Professor diese wundervollen Anstalten nicht und glaubt, daß hinter ihren Mauern geheimnißvolle wissenschaftliche Dinge vor sich gehen.

Wie systematisch das Denkvermögen in den Mädchenschulen untergraben wird, davon reden laut die Schulaufsätze der Kinder, denen ich gelegentlich eine besondere Besprechung widmen werde.

So z.B. lautete eines der neusten Themata meiner vierzehnjährigen Tochter: »Der culturhistorische Gegensatz zwischen China und Nordamerika« – ein Thema, welches wohl die jahrelange Arbeitskraft eines tüchtigen Gelehrten und Denkers in Anspruch nehmen dürfte.

»Die merkwürdige Raschheit, mit der Frauen denken,« sagt Buckle in einem seiner Essay’s, »wird durch das elende, verächtliche, abgeschmackte System, das man Mädchenerziehung nennt, bei welchem werthvolle Dinge sorgfältig vorenthalten und geringfügige sorgfältig beigebracht werden, abgestumpft, bis ihr feiner und lebhafter Geist nur zu oft unwiederherstellbar geschädigt ist.«

Viel energischer als der Bonner Professor stellt Professor v. Bischof seine Behauptungen auf.

»Es ist nicht im entferntesten möglich«, meint er, »nachzuweisen, daß das weibliche Geschlecht durch äußere Einflüsse, Gewalt oder List daran gehindert worden wäre, sich in gleichem Grade an diesen geistigen Arbeiten zu betheiligen, wie das männliche. Aber auch die Möglichkeit einer solchen Behinderung ist durchaus nicht vorhanden. Ich halte fest an der Ueberzeugung, wären die Frauen von der Natur befähigt, an der Cultur der Wissenschaften Theil zu nehmen, längst ständen sie den Männern gleich oder über ihnen.«

Das kommt mir vor, als sagte Jemand: wären die Proletarier von der Natur befähigt, Austern zu essen und Champagner zu trinken, so würden sie längst ebenso viel oder mehr Austern essen und mehr Champagner trinken als die Gründer.

Herr v. Bischof fährt fort: »Die Frauen sind nicht zur Pflege der Wissenschaft berufen, darüber kann kein Zweifel mehr herrschen. Jeder der Culturgeschichte nur einigermaßen Kundige weiß, daß diese angebliche Unterdrückung seit dem letzten Jahrtausend bei den Culturvölkern des christlichen Europa’s gar nicht vorhanden war. Nicht in äußeren Zuständen, im Wesen des weiblichen Geistes liegt diese Unfähigkeit.«

»Die Möglichkeit, die Frauen am Studiren zu hindern, ist durchaus nicht vorhanden,« meint Herr v. Bischof.

Wir trauen unseren Augen nicht, indem wir Solches lesen. Das schreibt ein Mann, der in demselben Athem ausspricht (Seite 41 seiner Broschüre): »Ich bin fest entschlossen, weiblichen Zuhörerinnen zu meinen Vorlesungen niemals den Zutritt zu gestatten,« und der noch hinzufügt, daß er nicht zum Unterricht von Mädchen genöthigt werden könne.

Er selbst beweist die Ausschließung durch sein Thun, stellt dieses Thun als das einzige normale und richtige hin, nährt Verachtung gegen diejenigen Professoren, die den Frauen die Theilnahme an ihren Vorlesungen gestatten, und knüpft daran die Schlußfolgerung, daß gar nicht die Möglichkeit einer Behinderung des Frauenstudiums existire! Solchen Aussprüchen haben wir Nichts entgegenzusetzen, als maßloses Staunen. Sind denn wirklich gesunder Menschenverstand und Gelehrten-Verstand etwas diametral Entgegengesetztes?

»Nicht durch äußere Einflüsse, nicht durch Gewalt oder List sind sie gehindert worden, sich in gleichem Grade an der geistigen Arbeit zu betheiligen wie der Mann.«

Wenn eine Frau Jura studiren wollte – nicht wahr, Herr v. Bischof, so stand ihr Nichts im Wege, später einmal als Geheimräthin oder Präsidentin eine ihren Leistungen entsprechende Stellung zu finden?

Nach Absolvirung diplomatischer Studien durfte sie auf einen Gesandtschaftsposten rechnen, als Anatomin war ihr etwa eine Professur in München sicher – nicht so?

Wissen Sie, wie die Gewalten oder die Listen oder die äußeren Einflüsse heißen, die von jeher die Frauen von den Studien ausgeschlossen haben und sie noch heut ausschließen und ausschließen würden, selbst wenn die Universitäten ihnen ihre Pforten öffnen wollten?

Es sind deren viele; nur der vornehmsten unter ihnen will ich gedenken.

Die eine Form der Gewalt lautet: Die Frau kann ihre wissenschaftlichen Kenntnisse für ihre materielle Existenz nicht verwerthen. (Ausnahmsfälle kommen nicht in Betracht). Der Ausübung dieser Gewalt leihen Gesetz und Staatseinrichtung ihre volle Mitwirkung.

»Nichts hindert die Frau am Studiren, keine List, keine Gewalt u.s.w.«

Das ist genau dieselbe Vorstellungsweise, wie sie in jenem Gesetz der alten Aegypter in

Bezug auf die Frauen zu Tage trat. Jenes Gesetz heißt:

Erster Artikel. Die Frau ist berechtigt, zu gehen und zu kommen, wohin sie will.

Zweiter Artikel. Ohne Schuhwerk darf sie aber nicht ausgehen.

Dritter Artikel. Jedwedem Schuhmacher wird verboten, Schuhwerk an eine Frau zu verkaufen.

Ein analoges Gesetz à la Bischof müßte folgendermaßen abgefaßt sein:

Erster Artikel. Frauen dürfen studiren, was sie wollen und so viel sie wollen.

Zweiter Artikel. Die Universitätspedelle aber sind angehalten, sie von den Thüren der Universitäten und Akademien fortzujagen.

Dritter Artikel. Auf eine ihren Kenntnissen entsprechende Anstellung im Staate haben sie keinen Anspruch, dürfen sich aber in ihren Mußestunden durch Nähen, Frisiren u.s.w. die Mittel zu ihrer Existenz verschaffen.

Eine zweite Form der Gewalt, welche die Frauen in ihr geistiges Ghetto bannt, heißt: die Sitte.

Sitte und Gewohnheit sind mächtiger selbst als das Gesetz. Leichter wird Letzteres übertreten, als Erstere. Stehlen gehört, trotz der strengen Gesetze, die es verpönen, zu den beliebtesten sittlichen Extravaganzen der »niederen Klassen«.

Wann aber hätte man je gehört, daß in unserm Jahrzehnt ein Mann mit einem leichten seidenen Rock, der doch in den Sommermonaten viel bequemer wäre als der tuchene, und dem an und für sich durchaus keine auffallende oder provocirende Eigenschaft innewohnt, über die Straße gegangen wäre?

Sitte und Tradition heißt die dämonische Kraft, die seit Jahrtausenden schon die Frau in jenen engen Kreis bannt, den heut erst die Muthigsten zu überschreiten wagen.

Die Gewohnheit oder die Tradition ist ein Vampyr, der an der Brust der Menschheit ruht und ihr das beste Lebensblut fortsaugt. Ihr zaubergewaltiger Bann ist ein narkotisches Gift, dem selbst die freiesten Geister erliegen.

Was ist öffentliche Meinung? Wer fabricirt sie? – Die Menge, die Majorität, die Mittelmäßigkeit.

Und hätte es nicht in jedem Zeitalter kühne Geister gegeben, die sich losgerungen von dem Despotismus der Tradition und neue Adern des Denkens geöffnet, wir würden heute noch in den Pfahlbauten hausen.

»So lange«, sagt Stuart Mill, »ein Land oder ein Zeitalter hartnäckig darauf bestehen will, alles menschliche Benehmen, welches mit der Sitte oder der Mode des Tages nicht übereinstimmt, zu verdammen, so lange werden Abweichungen von der geraden Linie selten gewagt werden. Wir werden daher daran verhindert, zu wissen, in wiefern solche Abweichungen nützlich sein würden. Dadurch, daß wir den Versuch missbilligen, halten wir das Wissen auf. Deshalb, wenn auch aus keinem anderen Grunde, ist es rathsam, daß ungewöhnlichen Handlungen der weiteste Spielraum vergönnt werde; denn sie sollten als Prüfsteine geschätzt werden, vermittelst welcher wir ermitteln können, ob gewisse Dinge zweckmäßig seien oder nicht.«

Bis zu welchem Grade Gewohnheit und Vorurtheil Vernunft und Menschenliebe zu beherrschen im Stande sind, davon erzählt uns eine Engländerin ein tragikomisches Beispiel: Die Gattin des Seefahrers Patten führte das Schiff, als ihr Gatte an Bord gestorben war, kundig und sicher um das Kap Horn nach Californien. Eine alte Engländerin, als die Kunde dieser Kühnheit zu ihr drang, rief voller Indignation aus: »Schande über Mrs. Patten! Besser, alles Lebendige am Bord wäre zu Grunde gegangen, als daß eine Frau in solcher Weise aus ihrer Sphäre treten konnte!«

»Die Möglichkeit, die Frauen am Studiren zu verhindern, ist nicht vorhanden«, meinen die Professoren.

Sie, Herr v. Bischof, sind gewiß ein eminenter Anatom. Nun stellen Sie Sich vor, Sie wären in einer Schule, dem Abbild einer gewöhnlichen Mädchenschule, erzogen worden. Mit kaum sechzehn Jahren hätte man Sie dieser Bildungsanstalt enthoben, an den Nähtisch gesetzt, hinter das Plättbrett gestellt und in die Küche geschoben.

Wie und wann, Herr v. Bischof, glauben Sie nun wohl, wäre Ihr anatomischer Genius zum Durchbruch gekommen? Ob mit dem Bereiten eines Puddings der Verdauungsprozeß dieses Puddings in Ihrem Körper sich Ihrem ahnungsvollen Geiste physiologisch und anatomisch dargestellt hätte?

Ob bei dem Häuten eines Hasen plötzlich der Geist der Anatomie über Sie gekommen wäre – und aus heiler Haut hätten Sie angefangen, der staunenden Köchin die Unterschiede weiblicher und männlicher Hasenskelette zu erläutern? Ich möchte es bezweifeln; ich möchte eher glauben, daß Sie eine ebenso tüchtige Nähmamsell geworden wären, als Sie jetzt ein hervorragender Anatom sind.

Nie und nimmermehr kommt wissenschaftliche Erkenntniß wie eine Offenbarung über uns; ihr muß tiefes und gründliches Studium vorausgehen.

Cousin in seiner Geschichte der Philosophie sagt Voltaire’s: Le vrai roi du 18 e siècle c’est Voltaire; mais Voltaire à son tour est l’écolier de l’Angleterre. Avant que Voltaire eût connu l’Angleterre, soit par ses voyages, soit par ses amitiés, il n’était pas Voltaire, et le 18 e siècle se cherchait encore. – Locke est le vrai maitre de Voltaire.

Rousseau, sagt Villmain, tira des ouvrages de Locke une grande partie de ses idées sur la politique et l’éducation.

Von Mirabeau berichten seine Biographen, daß er seine Kraft großentheils dem sorgfältigen Studium der englischen Constitution zu verdanken hatte.

Daß Helvetius einen Theil seiner Ideen Mondeville und Locke entlehnt hat, ist stets behauptet worden.

Ein anderes Beispiel: Denken Sie Sich, Herr von Bischof, unser Friedrich Schiller wäre in seiner Feldscheer-Familie als kleine Friederike zur Welt gekommen. Was würde wohl Großes in der kleinen Mädchenschule zu Marbach aus dieser Friederike geworden sein?

Ich kann es mir lebhaft vorstellen! Schillers Riekchen hätte in der Schule beim schläfrigen Lese- oder Rechen-Unterricht, anstatt aufzupassen, ihre Bücher mit Versen beschmiert, und ahnungslos würde der Lehrer die sappho’schen Kleckse mit Fingerklopfen gestraft haben.

Riekchen hätte man oft unter einem Lindenbaum gefunden – träumend.

Riekchen hätte frühzeitig ihren guten Ruf verloren wegen verprudelter Handarbeiten und Ungeschicklichkeit beim Aalschlachten. Ihr wäre auch kein Mann zu Theil geworden; denn der Verdacht zukünftiger Blaustrümpfigkeit hätte jeden soliden Marbacher abgeschreckt. Riekchen wäre frühzeitig gestorben – an einem Herzfehler.

Keine Nachwelt würde, o Riekchen, deinen Namen nennen; und dennoch, so gut Raphael (nach Lessing), auch ohne Hände geboren, der größte Maler aller Zeiten gewesen wäre, ebenso gut wärst auch du die größte Dichterin Deutschlands gewesen, wenn auch ungedruckt.

Wie viel große Unbekannte weiblichen Geschlechtes mögen in diesem, dem Lessing’schen Sinne, auf unserer Erde gewandelt haben, ohne eine Spur ihres Daseins zu hinterlassen! Mit verschlossenen Lippen steigen die meisten Frauen ins Grab.

Wiederum ist es Stuart Mill, der zu diesem Theil der Frauengeschichte einen kleinen Beitrag liefert. Die ganze civilisirte Welt kennt diesen Denker. Wer aber kennt seine Gattin? höchstens die ihr ganz nahestehenden Kreise; und doch sagt Stuart Mill, an dessen vollkommenster Aufrichtigkeit zu zweifeln eine Unverschämtheit wäre, von dieser Frau: »Was ich ihr selbst in rein intellectueller Hinsicht verdanke, ist in seinen Einzelnheiten fast endlos. Die geistigen Wohlthaten, welche sie mir erwies, waren weit größer, als alle, die ich ihr zu erweisen hoffen konnte...... In beiden Sphären des Denkens habe ich von meiner Frau mehr gelernt, als aus allen anderen Quellen zusammengenommen. Ihr Geist war in den höchsten Regionen der Spekulation das gleiche vollkommene Werkzeug, wie in den kleinen praktischen Angelegenheiten des täglichen Lebens: er drang stets mitten in’s Herz und Mark der Sache, ergriff allemal ihr Wesen. Die Genauigkeit und Schnelligkeit des Verfahrens, sowohl in ihrem Fühlen als in ihrem Denken, hätte sie bei ihrer mächtigen Phantasie zu einer vollendeten Künstlerin ausgerüstet; ihre feurige und zarte Seele und ihre kraftvolle Beredsamkeit sie zu einer großen Rednerin gemacht; ihre tiefe Kenntniß der menschlichen Natur endlich und ihre scharfe Unterscheidungsgabe im praktischen Leben ihr in Zeiten, wo solch eine Laufbahn für Frauen offen stand, einen hervorragenden Platz unter den Beherrschern der Menschheit verschafft. Ihre Geistesgaben waren indessen nur die Diener des edelsten und harmonischsten sittlichen Charakters, dem ich im Leben begegnet bin.«

Als Mill von Carlyle spricht, bemerkt er: Während er selbst sich nie getraut, über Carlyle’s intuitive Dichternatur ein Endurtheil zu fällen, habe er sein Wesen klar erkannt, nachdem es ihm enthüllt worden »durch Eine, die uns Beiden weit überlegen war, die ein größerer Dichter war als er und ein größerer Denker als ich, deren eigener Geist und Natur die seine und weit mehr einschloß.«

Tief eingewurzelt ist der Widerwille der Männer, die Frau auf geistigem Gebiet anzuerkennen. Unter den verschiedenen Schriftstellern verschiedener Nationen, die Mill’s Selbstbiographie besprochen haben, und die ich durchblättert, ist mir nicht Einer vorgekommen, der dieses Urtheil über Mrs. Mill schweigend hingenommen hätte. Die begeisterten Aussprüche des Philosophen über seinen Vater zweifelt Niemand an; aber selbst diejenigen Kritiker, die das Höchste und Beste von Mrs. Mill denken, können sich beim Lesen solcher Stellen des Eindrucks nicht erwehren, wie es in einem Aufsatz der »Neuen Zeit« heißt: daß der Dichtergeist einer leidenschaftlichen Liebe dem Philosophen die Feder führte.«

Eine leidenschaftliche Liebe! Mill’s Gattin war Jahre lang zuvor als eine ältliche Frau gestorben. Sonderbare Männer! Ehe sie einer Frau Geistes- und Charaktergröße zugestehen, eher glauben sie an das Wunder einer Liebesleidenschaft für eine ältliche Dame!

Ich will nun noch in der Kürze einiger Detailgründe gedenken, die auch heut noch (von früheren Zeiten gar nicht zu reden) dem Studiren der Frauen fast unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstellen.

Erstens. Ein Mädchen muß sich ihre wissenschaftliche Ausbildung durch Privatunterricht aneignen. Ein solcher Unterricht ist bekanntlich sehr theuer.

Schwerlich würden Sie, Herr v. Bischof, oder einer ihrer Collegen einem wißbegierigen Mädchen das Geld für ihre Privatissima vorschießen, oder den Unterricht umsonst ertheilen. Sie würden ihr auch das Geld nicht stunden, da die Frau keine Aussicht hat, durch spätere Anstellung ihre Schuld an die Herren abzutragen.

Ergo: die Aneignung wissenschaftlicher Kenntnisse ist nur reichen Mädchen gegönnt (vorausgesetzt, daß sich unter den vornehmen Herren der Wissenschaft solche finden, die sich überhaupt herablassen, Mädchen zu lehren). Reiche Mädchen sind in der Regel aber wenig geeignet (das »Warum« würde mich hier zu weit führen), die herrschende Tagesmeinung zu verlassen.

Zweitens. Ein Mädchen, das studiren will, muß den Nachweis außergewöhnlicher Begabung führen (da sie ein außergewöhnliches Recht beansprucht, verlangt man auch eine besondere Legitimation zu diesem Recht) – mit Unrecht, wie mir scheint. Auch einem Mädchen, das geringes Talent zeigt, muß die Universität, wie jedem unbegabten Jüngling, geöffnet sein, und jegliche Lehranstalt sobald sie studiren will.

So will es die Gerechtigkeit, so wollen wir es, die Frauen, kraft unsers Rechts auf individuelle Freiheit und kraft unsrer Menschenwürde.

Auch das einseitig begabte oder unbedeutende Mädchen ist veranlagt, wie wir es an der Mehrzahl der Männer sehen, durch tüchtige Kenntnisse und gewissenhaften Fleiß eine ehrenvolle und würdige Stellung in der menschlichen Gesellschaft zu erringen, anstatt mit Handarbeiten sich langsam aus dem Leben zu hungern.

Drittens. Eine außergewöhnliche Begabung hilft dem Mädchen zuvörderst sehr wenig, wenn sie nicht mit einem zugleich energischen und ungewöhnlich edlen Charakter verbunden ist.

Es bedarf eines durchaus edlen Sinnes, um dem bequemen und amusanten Schlendrian, wie ihn ein Mädchenleben zwischen dem 16. und 24. Jahre mit sich bringt, um eines idealen Zieles willen zu entsagen. Nur ein edler Sinn scheut nicht, um der reinen Liebe zur Arbeit willen, den Conflikt mit der Umgebung, scheut nicht Spott und Mißbilligung.

Es bedarf einer starken Energie, um den Kampf mit dem Vorurtheil und der Sitte aufzunehmen und zu bestehen.

Der Knabe bedarf der Energie und des edlen Sinnes keineswegs; er im Gegentheil setzt sich dem Staunen und der Geringschätzung aus, wenn er sich der Erwerbung von Kenntnissen, seien es nun mechanische oder wissenschaftliche, ohne außergewöhnlichen Grund entzieht. Der Ehrgeiz und die Eitelkeit der Eltern spornt manchen armen dummen Jungen nur zu oft über seine Kräfte an.

O heilige Einfalt! Ein Vater hat zwei Kinder, Peter und Else. Peter ist dumm, aber der Vater ist Geheimrath, und der dumme Peter muß studiren, er mag sich die Seele ausschwitzen und seine frische Jugend in einem jammervollen Gemisch von Thränen, Dinte und Katzenköpfen hinbringen, um später als reifer Mann und Staatsbeamter den Fortschritt der Civilisation nach Kräften zu hemmen.

Else ist klug wie der Tag. »Schade«, seufzt der Vater, »daß sie nicht ein Junge ist!« – und räumt sorglich alle Gegenstände fort, die zur Entwicklung dieses Luxus-Verstandes dienen könnten.

Hat Else Temperament, so wird sie in den meisten Fällen ihre Verstandsüberschüsse zur möglichsten Kräftigung ihrer Thorheiten anwenden.

Das Mädchen braucht noch mehr. Ihr muß zu Gebote stehen eine Originalität des Denkens, ich möchte fast sagen: eine Divination, vermöge welcher sie ihren Beruf für die Wissenschaft vorausahnt; denn die oberflächliche Mädchenschulbildung eröffnet ihr keinen Ausblick in das Land der Wissenschaft.

Erst in späteren Jahren pflegt durch Lektüre oder durch den Verkehr mit gescheiden Männern die Denkkraft des Weibes sich zu entwickeln, in den meisten Fällen natürlich viel zu spät, um die Grundsteine zu einer, für wissenschaftlichen Beruf nothwendigen Bildung herbeizutragen, - eine Arbeit, welche die Frische der Jugend erfordert.

Ferner ist zu beachten: die innere Entwicklung der Menschen ist eine sehr verschiedene. Selbst die höchst Begabten zeigen nicht immer in früher Jugend ihre genialen Anlagen.

Wir wissen aus der biographischen Literatur von berühmten Männern, die auf der Schule keineswegs unter ihren Mitschülern hervorragten. Newton z.B. wurde wegen seiner scheinbar geringen Fähigkeiten von seiner Mutter für die Landwirthschaft bestimmt.

Für manche Naturen ist das Studium selbst erst der Funke, an dem ihr schlummernder Geist sich entzündet.

Mädchen, deren Geistesblüthe in solcher Weise sich zu entfalten von der Natur bestimmt war, werden nie erblühen; niemals wird der Funke dem brennbaren Stoffe ihres Geistes nahe gebracht, und die Flamme des Genius kann nicht emporschlagen.

Unter den begabten Mädchen wird man höchstens auf die sogenannten Wunderkinder achten, die sich von früh an auszeichnen.

Besäße nun aber ein Mädchen alle die ausgezeichneten Charakter- und Geisteseigenschaften, die ihr zum Studiren nöthig sind: angeborene divinatorische Liebe zu den Wissenschaften, den Fleiß der Biene, Edelsinn, Energie, Geld u.s.w., so würde all dieser Luxus der Natur und des Glückes ihr gar nichts helfen, wenn das Geschick ihr nicht zugleich auch Eltern geschenkt hätte, einen Vater und eine Mutter, die jedes Vorurtheils bar, ungefesselt von der Sitte, die Tochter in ihren Bestrebungen unterstützten.

Die Tochter ist, einfach schon aus pekuniären Rücksichten, mehr noch durch Sitte und Gesetz durchaus von den Eltern abhängig.

Soll man nun dem Schicksal die scharfsinnige Combination zutrauen, daß es den begabtesten Mädchen auch immer die einsichtigsten und vorurtheilsfreiesten Eltern schenkt?

Nehmen wir aber an, daß eine göttergleiche Gunst des Geschickes dem Mädchen auch diese Bedingung für eine wissenschaftliche Laufbahn erfüllt hätte – dennoch, trotz alledem und alledem wird eine zärtliche und weltkluge Mutter, trotz ihrer richtigen Erkenntniß, davor zurückzuschrecken, ihre Tochter dem Studium zu widmen, sie etwa auf eine Universität zu schicken, und zwar aus guten Gründen.

Wir leben in einer Zeit des Ueberganges. Nur eine geringe Zahl von Frauen hat bis jetzt die Bahn der Emancipation beschritten (das Contingent, das Deutschland gestellt hat, ist verschwindend klein). Ein Theil dieser Frauen sind muthige Vorkämpferinnen, Pioniere, die in einen Riß springen, die eine Kluft füllen, auf daß folgende Generationen bequem darüber fortschreiten können.

Und eine zärtliche Mutter sollte nicht Scheu tragen, ihre Tochter auf einen Kampfplatz zu entsenden, und sie der Mißbilligung und dem Spott auszusetzen, den ungewöhnliches Thun hervorruft? dem Neide, wenn sie große Erfolge erringt? Wird sie nicht zweifeln, ob das Kind dem Kampf gewachsen sei?

So schwer sind diese Bedenken und die Last der Verantwortlichkeit, die auf der Mutter ruht, daß in den meisten Fällen wohl nur die leidenschaftliche Initiative der Tochter die Erlaubniß der Eltern erzwingen wird.

Manche der in Zürich studirenden Damen mögen solche heldenmüthige Mädchen von feuriger Initiative sein. Andere sind wohl familienlose Waisen, oder Frauen, denen der wissenschaftliche Beruf neben der geistigen Freiheit und Freude zugleich die Erlösung von unerträglichen äußerlichen Verhältnissen bedeutet.

Möglich, daß wenige Jahrzehente genügen werden, einen vollständigen Umschwung der öffentlichen Meinung herbeizuführen.

Ein anderer Grund, der die Billigung der Eltern bei den wissenschaftlichen Bestrebungen der Tochter, selbst wenn sie principiell mit ihr übereinstimmen, lähmen muß, ist der schon angeführte: die Tochter kann ihre Kenntnisse für ihre materielle Existenz nicht verwerthen.

Seite 41 hat zwar Herr v. Bischof seinen Entschluß verkündet, niemals eine weibliche Zuhörerin zu acceptiren; in einer anderen Abhandlung aber fühlt er ein menschlich Rühren und sagt wörtlich: »Warum sollte man nicht (wo es sich nicht um ein Princip handelt) da und dort einer interessanten, intelligenten, auch hübschen Frau gestatten, eine Vorlesung über irgend eine unverfängliche Disciplin zu besuchen?« Und der Bonner Professor: »Einzelne Männer sind selten im Stande gewesen, einer lernbegierigen und nicht unliebenswürdigen Schülerin ihre Theilnahme und Hülfe zu versagen.« (Wie sich der Herr Professor wohl eine Scene vorstellen mag, wo ein schüchternes junges Mädchen einzelne Herren um Hülfe und Theilnahme in ihren geistigen Nöthen anspricht?)

Durch solche harmlose Plaudereien lassen uns die gelehrten Herren einen Blick in die Tiefe ihrer Auffassung thun. Ich klage diese Herren an, daß sie durch solche Aussprüche die Würde der Wissenschaft verletzen – ich klage sie an der Frivolität; denn das Seelenheil eines Menschen, die Entwickelung seiner göttlichen Natur machen sie davon abhängig, ob für sie, die Lehrer, ein kleines Procent sinnlicher Annehmlichkeit dabei abfällt. Ich klage sie an und denuncire sie – nein, ich denuncire sie nicht, ihre lieblose, erzdespotische, schauderhaft egoistische Gesinnung spricht laut genug durch ihre eigenen Worte.

Gerade nach der Anschauungsweise dieser Männer müßte man den Häßlichsten und Unliebenswürdigsten am ehesten das Studium gestatten wegen ihrer geringeren Chancen, einen Ernährer zu finden.

Der Mangel an Vorbildung wird oft als triftiger Grund angeführt, um die Frauen von der Universität fern zu halten.

Daß dieser triftige Grund ein Vorwand ist, beweist folgende Thatsache: Vor einem halben Jahre hat man in Berlin eine Akademie für neuere Sprachen eröffnet, zu der Jedermann, selbst der unwissendste Elementarlehrer Zutritt hat. Das weibliche Geschlecht ist selbstverständlich ausgeschlossen worden, trotzdem man von jeher seine Begabung für moderne Sprachen betont hat.

»Aber Niemand hat die Frau am Studiren gehindert!« Der Professor sagt’s, und der Professor ist ein ehrenwerther Mann.

Der englische Gelehrte Newman berichtet: Wo Geldvermächtnisse angewiesen worden sind für erziehliche Zwecke ohne Unterschied des Geschlechtes, sind Mädchen durch männliche Anwälte ausgeschlossen worden; ja, das Parlament, indem es Gelder für Erziehung bewilligte, hat sehr oft vergessen, daß Mädchen überhaupt existiren.

Hildegundis im 12ten Jahrhundert, die werthvolle Schriften hinterließ, legte, weil sie keine Gelegenheit fand, etwas Tüchtiges zu lernen, Mannskleider an und ließ sich in einem Cisterzienserkloster als Mönch einkleiden.

»Niemand hat die Frauen am Studiren gehindert!«

Es geht die Rede, daß die Ausübung der Kunst den Frauen besser zu Gesicht stände, als die der Wissenschaft, und dennoch hat man ihnen auch den Eintritt in dieses Land genügend verbarrikadirt.

Im 17. und 18. Jahrhundert durften allerdings in Frankreich Malerinnen zu Mitgliedern der Akademie ernannt werden, und in den Akten der Akademie finden wir in der That eine große Zahl weiblicher Mitglieder verzeichnet.

Als das Consulat die durch die Revolution zerstörten Akademien wieder herstellte, forderten die alten Mitglieder das Recht der Ausschließung der Frauen, ohne selbst Mde. Lebrun auszunehmen. Diesem ebenso noblen wie gerechten Verlangen wurde natürlich gewillfahrt.

Sonderbar, daß man die Malerei für eine, dem weiblichen Geschlechte weniger zusagende Kunst hält, als die Musik.

Unsere Hochschule in Berlin z.B. ist jedem talentvollen Mädchen zugänglich, unsere Zeichen- und Maler-Akademie ist ihnen verschlossen.

Und doch – müßte es nicht umgekehrt sein?

Die Malerei ist eine Kunst, die im Hause geübt werden kann. In dieser Kunst wirken die Leistungen an und für sich, die Persönlichkeit des Künstlers bleibt völlig im Hintergrunde. Die Mädchen dagegen, die sich in der Musik ausbilden, verwerthen ihre Kenntnisse und Talente zum weitaus größten Theil als Opern- und Concertsängerinnen oder Virtuosinnen; sie bilden sich also für das verpönte öffentliche Auftreten aus. Vergebens habe ich mich besonnen, nach welchem Princip der Staat den Frauen die Zeichen- und Maler-Akademie verschließt und ihnen die Musikschule öffnet – denn von einem Staat läßt sich nicht annehmen, daß er gleich einem Privatunternehmer nach Willkür verfahre, und noch viel weniger dürfen wir ihn beschuldigen, daß, wo es sich um die Pflege der Kunst handelt, das Amusement des Publikums etwa einen Faktor in seinen Entschließungen bilde.

Ein Knabe wird fast unentgeltlich (ich glaube, der Preis beträgt 4 Thlr. halbjährlich) auf der einen Seite roh in die Akademie hineingeschoben, und gar kommt er auf der anderen Seite als fertiger Künstler wieder heraus.

Und die Mädchen? – Bis vor wenigen Jahren gab es für sie überhaupt keine Möglichkeit eines systematischen gründlichen Zeichenunterrichtes. Seit einiger Zeit hat nun allerdings ein Verein von Künstlerinnen in Berlin eine Zeichenschule gegründet, die aber von vornherein den Zweck, Künstlerinnen auszubilden, verfehlt, weil sie viel zu theuer ist. Für 12 Thlr. monatlich ist es den Mädchen gestattet, in den Vormittagsstunden von 10-1 Uhr sich mit Zeichnen zu beschäftigen.

Die Weimarische Malerin Louise Seidler erzählt in ihren Memoiren, mit welchen Schwierigkeiten ihre Freundin, die ihrer Zeit recht berühmte Malerin Maria Ellenrieder zu kämpfen gehabt. Der Direktor Langer in München hatte sich auf keine Weise herbeilassen wollen, Maria Ellenrieder aufzunehmen, bis endlich nach langer Zeit ihre Thränen, unter denen sie ihm vorstellte, wie ihre Taubheit sie zu jedem anderen Berufe unfähig mache, sein Herz erweichten.

Maria mit einem guten Gehör hätte verhungern können! Schade, daß man nicht auf den hübschen Pendant-Einfall gekommen, ein weiblicher Musiker müsse blind, eine Lehrerin lahm, eine Telegraphistin bucklig sein, um ihre Funktionen auszuüben.

Gleich den Bettlern scheinen die Frauen einiger Gebresten zu bedürfen, um das öffentliche Mitleid zu erregen und damit man ihnen Lehre und Unterricht als ein Almosen hinwerfe.

Louise Seidler erzählt ferner, daß ihr Vater, ein kluger Mann, die theuren Mal-Lektionen für sie nicht bezahlen wollte, und sie musste nähen, stricken, sticken, oft bei Nacht, zu jämmerlichen Preisen, und auf diese Weise erwarb sie sich das Geld für ihren Unterricht. Sobald aber ihr Lehrer eine Nebenbuhlerin auf dem Gebiete der Portraitmalerei in ihr argwöhnte, kündigte er ihr die Stunden auf, so daß sie, wie sie sagt, sich wieder auf ihren eigenen Instinkt angewiesen sah.

»Aber Niemand hat die Frauen am Studiren gehindert!«

Mit welchem Rechte unterfangen wir uns, wir, die wir die aktive Theilnahme der Frau an Kunst und Wissenschaft für eine moralische Unziemlichkeit halten, - geringschätzend auf die Orientalen herabzublicken, die die Europäerinnen der Frechheit beschuldigen, weil sie Besuche von Männern empfangen und unverschleiert einhergehen?

Mir erscheint die eine Anschauungsweise genau so absurd wie die andere.

Vom Studirendürfen kann in Bezug auf die Frauen bis jetzt nur in Amerika die Rede sein.

Dort, so berichtet C. Hippeau, hat im Jahre 1868 der Präsident der Universität von Michigan erklärt, die Legislatur des Staates habe entschieden, daß der hohe Zweck, um dessentwillen die Universität Michigan gegründet worden sei, nur erreicht werde, wenn die Frauen »an den Rechten und Privilegien der Universität participirten.«

Die Frau also darf und durfte bis jetzt nicht studiren, oder doch nur unter so erschwerenden Umständen, daß diese einem gesetzlichen Verbot gleich kamen.

Man ließ und läßt die armen Frauen schlafen. Sie unterrichten, hieße: sie wecken. Sollte das schöne Märchen vom Dornröschen eine Allegorie auf das Frauenthum sein? Der Stich einer Spindel versenkte Dornröschen in einen vielhundertjährigen Schlaf. Die Spindel aber ist ein Symbol des Hauses und der häuslichen Arbeiten.

Laßt sie nur immer wachsen, die dornigen Hecken! Der Prinz (die Wissenschaft) wird dennoch kommen, er wird kommen und sie wecken mit seinem Feuerkuß.


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