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Beim goldenen Tempel und Tempelstier

Zum goldenen Tempel ein durfte kein Europäer. Neben den Tempel nur in eine enge Gasse;
Da warf man einen Blick hinein.
Herausgenommen war dort an der Tempelwand ein Mauerstein.
Der Tempel ist nur eine kleine Zelle. Ich sah von einer Lichtermasse rötliche Helle
Und Goldbild dicht an Goldbild in dem goldenen Schrein;
Und hie und da über dem Kerzenschein ein braunes indisches Gesicht von einem, der schnell ein Gebet hier spricht
Und Wachslicht, Blumenblätter opfert in diesem goldenen Gelasse.
In jener Tempelgasse, eng und schmal, gingen und streiften sich die Leute,
Und stets war Lärm und Schreien überall.
Gleichwie ein golden zugespitztes Faß das Dach massiv metallen am Mauerviereck saß.
Als ich mich hier vom Altan des Nachbardaches bog, sah ich am Tempeltor den lebend schwarzen Stier am goldenen Futtertrog.
Dem opferten die Leute all', gleichwie in einem goldenen Stall, grün Schilf und Blumen hier.
Als Wärter an dem Tor saß nur ein nackter indischer Knabe, der kitzelte den Stier am Ohr,
Trieb ihm mit einem Schilfrohr Fliegen fort und warf ihm Futter vor.
Es schien, der Knabe war sich nicht bewußt, daß dies ein heilig Tier am heiligen Ort.
Auch hab' ich ihn verdächtigt, er hielt den heiligen Stier auch nicht mal gleichberechtigt.
Der Stier auf den vergoldeten vier Hufen und mit vergoldetem Horn,
Den schien der kecke Knabe als Gott nicht anzurufen gern
Und hütete ihn voller Menschenwürde nur aus der Fern'.
Der kleine Indier auf den Tempelstufen, mit seinen zappeligen Beinen,
Schien mir in seinem jungen Herzen mit seinen Göttern nicht im Reinen
Und spielte noch mit jedem Gottbegriff, wie nur mit bunten Kieselsteinen.
In einer engen Hintergasse drängte sich nackt die Menschenmasse.
Man ließ mich in ein Haus eingehen, um droben hoch von dem Altan auf diesen Straßenlärm herabzusehen.
Dachtürme, gleich gedrehten Tüten und wie geschlossene goldene Lotosblüten,
Sah ich im Morgenlicht hier brüten. Ich war zu einer Dächerwelt gekommen,
Voll Steinfiguren kauernd, Steinaffen auf den Simsen lauernd.
Über den Gassen lebte ein Steingeschlecht von Gnomen, die auf den Schwellen vor dem Himmel saßen
Und auf den bienenkörbigen goldenen Domen.
Ich sah Benares' heilige Welt, voll Leid und Gold im frommen Morgenhimmel,
Mit Mensch- und Tiergewimmel aus Fleisch und Stein zu Füßen aufgestellt.
Das Morgenlicht fiel auf den nassen Stein in schattige Gassen kaum hinein,
Wo wollüstig das Leid, Gott, Mensch und Tier, als Heilige Vier, schier schon Jahrtausende zusammensaßen.

 


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