Felix Dahn
Die Bataver
Felix Dahn

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VI.

Zu Langres in seinem reichen, völlig nach Römerart gebauten und eingerichteten Hause stand eines Abends Julius Sabinus in dem an das Warmbad stoßenden Ankleidezimmer vor dem länglichen Metallspiegel, der in die Wand von dunkelgrünem, thrakischem Marmor eingelassen war. Zahlreiche Lampen und Lämpchen, von der Decke niederhangend, verbreiteten Tageshelle in dem engen Raum. Einige Sklaven waren damit beschäftigt, ihren Herrn festlich zu kleiden, prächtig zu schmücken. Die glänzend weiße Tunika von feinstem Byssus war reich mit halbfingerdick aufgetragenen Goldzieraten bedeckt, ja beschwert: desgleichen der scharlachrote Gürtel von hispanischem Leder; eine breite Kette von Goldplättchen umzog ihm in drei Gliedern den Hals; Goldreife umzirkten Oberarm und Handgelenk, sogar die Riemen der zierlich weiß und rot gestreiften Sandalen trugen auf dem Rist Goldplättchen; ein besonders hierfür abgerichteter Sklave hielt, über beide Arme gelegt, den safranfarbigen Prunkmantel bereit, der rings von einem breiten Purpursaum umrandet war. Noch einen zufriedenen Blick warf Sabinus in den Spiegel und strich mit einer Stange von duftendem Harz über den schwarzbraunen Schnurrbart hin, den er – nach gallischer Sitte – sorglich aufrecht gedreht hielt.

»Nein, nicht hier,« rief er dem Mantelsklaven zu, der sich näherte, »leicht wird der Faltenwurf in der Sänfte zerknittert. Du folgst mir in das Festhaus und wirfst mir ihn erst dort um die Schultern. Sagt den Sänfteträgern, sie sollen dicht vor die Thüre treten. Es fallen einzelne Tropfen. Ich gehe selbst, meine Gemahlin abzuholen aus dem Frauengemach.« Und er durchschritt mehrere Gemächer und einen langen Gang, bis er an das Gynäkeion gelangte. Vor dessen Thüre richtete er sich hoch auf und fuhr mit der Hand durch das falbenglänzende Haar.

Nun trat er – überraschend – ein: aber die Wirkung ging verloren: Epponina ward sein gar nicht gewahr. Ihm den Rücken wendend, kniete sie auf dem Mosaikestrich und hob beide Arme gegen die rot gestrichene Wand empor, auf der – offenbar erst neuerlich: die Farben waren noch frisch – ein Fisch und eine Taube sowie eine Palme in einfachsten schwarzen Umrissen gemalt waren; sie bewegte leise die Lippen.

»Wie?« rief ihr Gemahl im höchsten Unwillen. »Was muß ich sehen, Epponina? Noch im Hauskleid: – ja, eher einem Trauer- und Bußgewand! Die Sänfte wartet unser. Das Fest beginnt sogleich. Die Menge, meldet der Thürsklave, flutet schon ungeduldig auf der Straße von meinem Hause bis an den Tempel. Und du . . . –« – »Du wußtest, ich gehe nicht zu diesem Fest.« – »Was? Du hast das nie gesagt!« – »Ich sagte dir, ich gehe nicht mehr in jenes Haus, zu jener Frau.« Er zuckte die Achseln: »Unsinnige Eifersucht!« – »Nein, es ist nicht das: – nicht mehr das. Ich weiß, ich habe dich verloren. Es ist wohl meine Schuld: warum vermochte ich nicht, dich zu fesseln? Aber vor jenem Weibe graut mir.« – »Mir nicht,« lachte er häßlich. – »O Julius, sie wird dein Verderben! Ich sah im Traume, wie eine Schlange dich umwunden hatte – du stöhntest vor Schmerz! – und der Schlange schönes Haupt: – es war das ihre.« – »Schlangen bedeuten Glück, sind Boten der Götter! Und eine schöne Schlange ist mir lieber als dein häßlicher Fisch dort und die unmöglich lange Palme. Wo sah ich doch schon dergleichen Gekritzel? Ich meine zu Rom! Ach ja, in dem Bethaus der Christianer, in das du mich wiederholt hinein beredet. Wie einfältig! Weil das griechische Wort für Fisch »Ichthys« die Anfangsbuchstaben irgend einer Formel enthält, deshalb einen Fisch anzubeten!«

»Ich bete nur zu Gott dem Herrn. Aber die frommen Zeichen mahnen mich an ihn. Drum hab' ich sie mit ungeübter Hand . . . –«

»Ich lasse dir deinen Fisch, laß du mir meine Schlange. – Du willst also nicht mitgehn? Nun gut. Sogar besser so! – Aber ich muß eilen. Das Volk möchte ungeduldig werden. Und durch dies Fest, diesen Aufzug will ich wenigstens hier – bei den Lingonen – für immer jenem ehrgeizigen Classicus den Rang ablaufen. Bete denn, während dein Gatte zum Imperator der Gallier ausgerufen wird. Eine sonderbare Imperatrix! Was wirst du beten?«

»Ich bete: ›dein Wille, Herr, geschehe wie im Himmel also auch auf Erden‹ und: ›vergieb uns unsre Schuld wie auch wir vergeben unsern Schuldigern‹.«

 


 


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