Laurids Bruun
Van Zantens törichte Liebe
Laurids Bruun

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Pieter Adrian van Zantens Tagebuch vom 5. Oktober 1860 bis zum 23. August 1861

5. Oktober 1860.

Nächsten Sonntag ist Hochzeit. »Ich will dir eine neue Mutter geben«, hat er gesagt, »du sollst sie Mutter nennen.«

Nein. Sie ist keine Mutter. Glaubt er, daß ich mich nicht an Mutters sanfte, blaue Augen erinnere? So können Berghs schwarze Stecknadelaugen nicht blicken, sie kann den Kopf nicht in den Nacken werfen und lachen, daß die Locken fliegen, wie du, meine richtige Mutter.

Ich wette, ihr strähniges, glattes Haar hat sich niemals gelockt. Ich werde »du« zu ihr sagen, weil sie Vaters Frau ist, »Mutter« aber sage ich nicht, das schwöre ich. Versucht sie eine Liebkosung, werde ich mich ihr entziehen, ruhig, aber bestimmt, ihr gerade in die schwarzen Stecknadelaugen sehen, damit sie begreift, daß sie »abgeblitzt« ist.

Sonnabend abends:

Die Trauung findet um zwei Uhr in der Wester Kirche statt. Pieter Adrian, jetzt gilt es, sich wie ein Mann zu benehmen!

16. Oktober.

Ich habe mich gut gehalten, in der Kirche und auch später beim Festessen. Der alte Voß hielt eine hübsche Rede, dankte Vater für all die Jahre, in denen er Vaters rechte Hand gewesen ist, aber ich konnte ihm ansehen, daß er bei sich dachte: Das hättest du lieber nicht tun sollen, van Zanten.

Einmal blickte er zu mir herüber, da wäre es fast um meine Fassung geschehen gewesen. Ich tat, als ob ich einen zu großen Bissen von der Torte in den Mund gesteckt habe und drauf und dran sei, zu ersticken. Die Torte war übrigens gut. Kochen kann sie. Sie stieß mit mir an, und ich nickte recht freundlich, sie braucht nicht zu glauben, daß wir Feinde sind. Sie soll nur wissen, daß ich sie nicht als Mutter anerkenne.

23. Oktober.

Heute sah ich die »Andromeda« segelfertig im Hafen liegen und den Kapitän an Bord gehen. Der Brückenwärter Jaen sagt, daß die »Andromeda« auf einer der Kleinen Sunda-Inseln mit den Eingeborenen Abrechnung halten soll, weil sie mehrere Matrosen, die mit einer Schaluppe von einem unserer Kanonenboote an Land gefahren waren, überfallen und aufgefressen haben.

Es war ein Staat, die Matrosen in zwei langen Reihen aufgestellt zu sehen, während der Kapitän eine Ansprache hielt; ich sah, wie er gestikulierte, und hinterher riefen die Matrosen Hurra. Einige waren nicht älter als ich.

Die Glücklichen dürfen über das große, wilde Meer fahren, mit Wellen so hoch wie Häuser und grünen Inseln mittendrin. Wenn sie keinen Dienst haben, liegen sie unter Palmen und träumen. Die langen Blätter, die sich in dem weichen Wind wiegen, gewähren ihnen Schutz gegen die brennende Sonne. Sie gucken zu den Kokosnüssen hinauf, suchen sich die schönste aus und schicken die Malaien hinauf, um sie zu pflücken; die Malaien können wie Affen klettern, von denen sie die Kunst gelernt haben. Dort kennt man nicht Nebel und Kälte wie hier, dort wird ein Junge zu einem Mann ohne Lehrer, Grammatik und Polizei – das sagt Jaen, denn er ist selbst auf den Inseln gewesen in seiner Jugend. Wären die Matrosen den Eingeborenen nicht zu nah getreten, als sie mit der Schaluppe an Land gingen, so wären sie nicht gefangen und gefressen worden, sagt Jaen. Haben die Matrosen ihr Auge auf etwas geworfen, was den Eingeborenen gehört, so sagen sie: »Her damit, du schwarzer Hund!«, und wenn der Wilde es ihnen nicht freiwillig gibt, stoßen sie ihn fort und nehmen es sich oder bemächtigen sich der eingeborenen Frauen. »Ist das eine Art?« sagte der Brückenwächter Jaen. Gehört die Insel den Eingeborenen oder den Matrosen. Es fehlte gerade, daß irgendein Wilder zu uns herüberkäme und einem sein Sonntagsmädchen wegnehmen wollte, grün und blau würde er geprügelt werden, und fände der Holländer Geschmack an Menschenfleisch, er würde sich nicht genieren, den Wilden zu verspeisen. »Nach außen hin sind wir allerdings weiß«, sagt Jaen, »inwendig aber sind wir so schwarz wie die Wilden – das kannst du in der Schrift lesen, die Stelle, wo das von den gekalkten Gräbern steht, die kennst du wohl, wenn du auch noch nicht in die Konfirmandenstunde gehst.«

Jaen gefällt mir, obgleich er nur ein »einfacher Mann« ist, wie sie sagt. Sie machte eine Szene, weil ich heute morgen mit ihm sprach, als sie auf dem Weg zum Markt vorbeiging; solche Leute, sagte sie, würden eingebildet, wenn man sich mit ihnen einläßt; sie wollte Vater fragen, ob es in seinem Sinne sei, daß sein Sohn sich mit einem einfachen Mann wie Jaen gemein macht. Das bestimme ich selbst, meine Liebe, und im übrigen kannst du dich darauf verlassen, daß es gerade in seinem Sinn ist. Schluß!

3. November.

Ich habe »Midshipman Easy« ausgelesen, ein herrliches Buch! Wer so etwas schreiben könnte! Wie viele Menschen dieser Kapitän Marryat gekannt haben muß! Und er erzählt alles, was er von Menschen weiß, frisch von der Leber weg, so daß jeder es lesen kann. Ich glaube allerdings nicht, daß alles wahr ist. Es macht Spaß, von anderen zu lesen, aber ich möchte nicht, daß er etwas von mir erzählt.

5. November.

Heute ging ich mit Monsieur Lenoir von der Handelsschule nach Hause. Er arbeitet nachmittags bei einem Bücherjuden in der Joden-Bree-Straat, denn er ist sehr arm. Seine Eltern sind tot, und er will nicht nach Lille zurück, wo er geboren ist; ich glaube, es steckt eine unglückliche Liebesgeschichte dahinter, sein Blick wurde so finster, und er sah zur Seite, als er davon sprach. Er mag mich gern, weil ich mich nicht über seine komische Sprache lustig mache wie die anderen, die ihn immer mit unschuldiger Miene nachäffen. Er fragt mich aus, was dies und jenes auf holländisch heißt. Er lebt von dem, was er in der Handelsschule und beim Bücherjuden verdient, dafür ordnet er die Bücher und fertigt einen Katalog auf französisch an. Als ich ihm von »Midshipman Easy« erzählte, daß es solch wundervolles Buch sei, sagte er, in meinem Alter sei es sein höchster Wunsch gewesen, Bücher zu schreiben, sein Vater aber habe es ihm nicht erlaubt. Und ich, sagte ich, wolle gern zur See und Inseln entdecken, die noch kein Weißer betreten habe, wie Cook, der meiner Meinung nach der größte Mann sei, der je gelebt habe. Ich aber sollte Instrumentenmacher werden wie mein Vater und sein Geschäft übernehmen. Was kann man da machen? Wäre mein Vater Kapitän und besäße ein Schiff, sollte ich natürlich Schiff und Stellung erben, und wollte ich Instrumentenmacher werden, würde mir natürlich das verwehrt. Und wäre es nicht möglich, daß ich zu beiden gar nicht taugte. – »Sie haben recht«, sagte er und nickte eifrig. »Wir sind doch nicht allesamt dazu veranlagt, in die Fußtapfen unserer Väter zu treten!«

Ich begleitete ihn ganz bis zur Brücke hinunter und wäre gern mit in den Laden des Juden hineingegangen, aber ich glaube, es war ihm nicht recht, denn er bekam es plötzlich so eilig und sagte, ich müsse lieber gleich nach Hause gehen.

7. Dezember.

In dem Buch über Cook und seine Entdeckungen bin ich bis Seite 170 gekommen. Es ist englisch geschrieben, aber nicht schwer zu lesen. Ein herrliches Buch, obgleich etwas zu viel über Astronomie und geographische Berechnungen drinsteht.

Ich sitze mit meinem Mantel, denn in meinem Zimmer ist nicht geheizt. Sie steckt dahinter: Junge Leute dürfen nicht verwöhnt werden, sagte sie, und Vater stimmte ihr bei, zu seiner Zeit sei es auch nicht Sitte gewesen, sagte er. Sie wollen nur, daß ich mit meinen Schularbeiten unten bei ihnen sitzen soll, während sie Ecarté spielen, das ist der eigentliche Grund. Es ist so gemütlich, wenn die ganze Familie beisammensitzt, sagte sie – und man spart Kohlen. Was geht es sie an, es ist doch Vaters Geld. Aber sie weiß, wie man Vater nehmen muß. Ich antwortete, ich könne meine Mathematikaufgaben nicht machen, wenn im Zimmer gesprochen würde, und Monsieur Lenoir habe verlangt, daß wir unsere französische Aufgabe laut lesen sollten, der Aussprache wegen. Sie kann weder Französisch noch eine andere Sprache, nur ihr hausbackenes Amsterdamer Platt. Sie hat Vater gepetzt, daß ich »Schiffergeschichten« verschlinge, anstatt etwas Nützliches, das zum Fach gehört, zu lesen. Das fehlte mir gerade! »Übersicht über die Geschichte der physikalischen und optischen Instrumente, mit besonderer Berücksichtigung solcher, die für die Schiffahrt Verwendung finden«; das Buch hat er mir zum Geburtstag geschenkt, aber ich glaube, er hat es vergessen, denn er hat noch kein einziges Mal gefragt, wie weit ich gekommen bin. Ich will sie lehren, ihre Nase in meine Sachen zu stecken.

14. Dezember.

Noch zehn Tage bis Weihnachtsabend. Heute hat sie Kuchenteig gemacht. Darauf versteht sie sich. Ich habe tüchtig in die Schüssel gelangt, während sie mit Vaters Schlafrock, in den er am Kamin ein Loch gebrannt hat, beim Schneider war. »Er wird alt«, sagte Hanneke an ihrem Waschfaß, »das alte Männeken muß nah an den Kamin rangehen, um sich warm zu halten!« Sie stand und redete mit sich selbst, wußte nicht, daß ich sie hörte. »Was schwatzt du da?« sagte ich und musterte sie von oben bis unten, daß sie puterrot am Kopf wurde. »Hier gibt's kein altes Männeken, daß du's weißt. Du bist nur zu dumm, um zu begreifen, daß ein Mann wie mein Vater, der so viele wichtige Dinge im Kopfe hat, nicht die ganze Zeit an seinen Schlafrock denken kann.«

13. Februar 1861.

Ich habe das Buch über Cook ausgelesen. Ich finde, er ist der größte Mann, der je gelebt hat. Ich wünschte, ich sähe ihm ähnlich. Er brannte durch, als er in die Kaufmannslehre ging, fuhr zur See und endete dennoch als Präsident der Königlichen Gesellschaft. Wie traurig, daß gerade er von der Hand der Eingeborenen fallen mußte, und wie ungerecht vom Schicksal, wenn man bedenkt, daß doch er den Wilden Zutritt zu den Segnungen der Zivilisation verschafft hat.

11. April.

Sie mischt sich in alles. Jetzt hat sie bestimmt, daß ich im August konfirmiert werden soll.

20. April.

Heute haben die Konfirmandenstunden begonnen. Wir sind zweiundzwanzig, die Mädchen mitgerechnet.

23. Mai.

Ich kann an vielen Dingen merken, daß ich erwachsen werde. Ich bin der größte von allen Jungen in der Handelsschule, und als ich mir heute die Haare schneiden ließ, fragte der Friseurgehilfe, ob er mich rasieren sollte. Ich wurde rot, sein Gesicht aber war ganz ernst, und auch keiner von den anderen, die im Laden saßen und warteten, lächelte. Es sprießt mir wirklich schon ein Bart, und fängt man erst an, ihn wegzurasieren, wächst er kräftig. Wie eine Hecke, wenn man sie beschneidet, sagt Jaen.

26. Mai.

Heute war ich im Laden und brachte dem alten Voß einen Bescheid von Vater; seit Weihnachten hat er mich nicht gesehen. Er machte mir eine Verbeugung – das hat er noch nie getan – und schob die Brille in die Höh', um mich besser zu mustern. Er war gerade im Begriff, ein Opernglas für Mijnheer van Stratens hochaufgeschossenen Sohn Willem einzupacken. Willem ist anderthalb Jahre älter und einen halben Kopf größer als ich und hat eine Gesichtsfarbe wie Kalbsbraten. Wir gaben uns die Hand, seine war noch so feucht wie damals, als wir zusammen in die Schule gingen.

»Sehr erfreut, dich zu sehen«, lispelte er gebildet und sah mir über den Kopf.

»Was treibst du?« fragte ich ebenso vornehm.

»Ich studiere.«

Das letztemal sprachen wir uns auf der Prinz-Hendrik-Kade, wo er einen Schoner nicht von einer Kuff unterscheiden konnte. Er ist ein richtiger Stubenhocker und Muttersöhnchen.

Der alte Voß sagte: »Will der junge Herr nicht auch ein Opernglas?« Sonst hat er immer Pieter gesagt, in seinen gutmütigen Augen war aber kein Spott.

15. Juni.

Teures Tagebuch, du mein einziger Freund. Wenn ich sitze und schreibe, kommen die Nachtfalter aus der Dämmerung, umflattern die Lampe, werden von der Wärme nach oben getrieben, stoßen mit einem kleinen Knall gegen die Decke, und ihre Schatten zittern auf der grauen Wand. Mir ist, als verkörperten sie die Mißgeschicke, die mich den Tag über verfolgen, als kämen sie nach Sonnenuntergang durch mein Fenster herein, um mich auch hier zu quälen. Sitze ich aber an der Lampe vor meinem weißen Bogen und wehre mich mit der Feder, dann können sie mir nichts antun, denn indem ich die Ereignisse und Ärgernisse des Tages niederschreibe, ist es, als ob ich die kleinen surrenden Gespenster einfange und im Licht aufspieße, bis sie knistern und ohnmächtig sind.

16. Juni.

Als ich heute mittag von der Handelsschule nach Hause ging, sah ich auf einem Segler, der heute morgen aus Batavia angekommen ist, eine Eingeborene, die ihr schmutziges Hemd auszog und in einem Eimer auf Deck wusch. Sie sang dazu, es klang, als ob sie gurgelte. Es fiel ihr nicht ein, sich zu ducken oder ihre Blöße zu bedecken, als sie mich sah. Im Gegenteil, sie zeigte mir ihre volle Brust in der Abendsonne und blickte mich lächelnd an. – Das Herz klopfte mir ordentlich.

17. Juni.

Heute abend bin ich wieder bei der Brigg vorbeigegangen. Das Mädchen war nicht zu sehen, doch meinte ich ihr Gurgeln unter Deck zu hören. Ich pfiff, weil ich es nicht lassen konnte. Als aber ein dunkler Kopf aus der Mannschaftskajüte auftauchte, machte ich, daß ich fortkam.

Liebes Tagebuch, außer dir habe ich niemanden, mit dem ich sprechen, dem ich mich anvertrauen kann. Und dir will ich gestehen, daß ich die ewige Langeweile, die mit »ihr« ins Haus gekommen ist, nicht mehr ertragen kann. Dies darf ich nicht und jenes schickt sich nicht! Nichts ist vornehm genug für sie, obgleich sie Gott weiß woher stammt! Manchmal sehe ich Vater an und denke bei mir: Hast du Mutter denn ganz vergessen? Wagt er nicht an sie zu denken, oder hat er kein Herz mehr? Sie sorgt gut für ihn, auch für mich, das muß man ihr lassen, und dennoch ist es im Hause so seltsam fremd und öde geworden. Sie ist so pflichtgetreu, daß es zum Kotzen ist. Keiner außer ihr hat im Hause mehr etwas zu sagen.

18. Juni.

Heute abend habe ich einen Schimmer von dem indischen Mädchen gesehen. Sie kam aus der Luke und ging nach achtern in die Kajüte des Kapitäns. Ich räusperte mich, um mich bemerkbar zu machen, doch sah sie mich nicht, es war schon zu dunkel.

Nachts träumte mir, ich sei drauf und dran zu ertrinken; sie reckte sich über die Reling, faßte mich am Arm und zog mich in ein Boot: »Kennst du mich nicht?« fragte sie in ihrer fremden Sprache. Ich zögerte, und ihre Augen wurden tief und dunkel vor Trauer.

Die Brigg ist fort. Es ist so öde am Bollwerk geworden. Lebe wohl, indisches Mädchen! Vielleicht ist es gut, daß ich dich nicht wiedersehe.

23. Juni.

Es ist abgemacht – das heißt, sie hat es bestimmt, weil sie findet, ich habe zuviel Zeit zum »Herumstreifen«, wie sie es nennt. Als ob es nicht mein gutes Recht ist, einen Spaziergang im Hafen und längs der Kanäle zu machen, wenn ich mit meinen Stunden in der Handelsschule fertig bin und nach der stickigen Luft in den Schulstuben meine Lungen lüften will. Es ist also abgemacht, daß ich in der Werkstatt praktisch arbeiten, Operngläser und Kompasse zusammensetzen soll. Vater fiel plötzlich »Die Geschichte der Übersicht über die physikalischen und optischen Instrumente« ein, und er fragte nach diesem und jenem, ob ich zum Beispiel wüßte, was ein Theodolit sei. Glücklicherweise mußte ich gerade zum französischen Unterricht. Er würde darauf zurückkommen, sagte er. Abends aber hatte er es vergessen.

Der alte Voß wußte auch schon Bescheid, denn als ich ihm heute morgen eine Botschaft vom Vater brachte, schob er seine Brille auf die Stirn, räusperte sich feierlich und sagte, es freue ihn, daß er bald die Ehre haben würde, mich in die edle Instrumentenkunst einzuführen; es sei erfreulich und lobenswert, daß ein junger Mann die Lektüre nützlicher und belehrender Werke Romanen, Reisebeschreibungen und anderen nichtswürdigen Dingen vorziehe. Er habe, gehört, daß ich mich besonders für die Geschichte der physikalischen und optischen Instrumente interessiere – Vater hat offenbar mit mir renommiert –, und er würde mir gern seine Privatsammlung zeigen, er besäße Dinge, die nicht einmal im Königlichen Technischen Museum vorhanden seien.

Er sollte ahnen, wie ich den alten Kram verabscheue. Ich, Pieter Adrian van Zanten, will zur See, die große Welt sehen, neue Inseln entdecken und nötigenfalls mich mit Eingeborenen schlagen!

Im August werde ich konfirmiert, und dann wollen sie mich in die Werkstatt stecken und mir die Flügel beschneiden.

27. Juni.

Als ich heute nach der Stunde nach Hause gehen wollte, winkte Monsieur Lenoir mir, und ich begleitete ihn.

»Mir ist gestern beim Katalogisieren ein Buch in die Hand gefallen«, sagte er auf französisch, »das recht etwas für Sie ist.«

Als er merkte, daß ich ihm schwer zu folgen vermochte, fuhr er in seinem drolligen Holländisch fort:

»Es handelt von einem Schiff, der ›Antelope‹ das auf einer öden Insel strandete. Die Mannschaft blieb dort, bis sie sich ein neues Schiff gezimmert hatte und nach England zurückkehren konnte. Das Buch ist allerdings auf französisch geschrieben, aber es liest sich leicht, und es ist eine ausgezeichnete Übung, wenn man ein Buch in einer fremden Sprache liest, das einen wirklich interessiert. Es ist keine Abenteurergeschichte, verstehen Sie, sondern eine wahre Begebenheit aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Der Kapitän hieß Wilson, das Buch enthält Bilder von ihm und auch von mehreren Eingeborenen. Es scheint sehr spannend zu sein, und daß es auf einer wahren Begebenheit beruht, ist nur ein Vorteil, finden Sie nicht auch?«

»Ja«, sagte ich, »Märchen kann man selbst dichten.«

Er lachte und faßte mich um die Schulter. Er will mir das Buch das nächste Mal mitbringen, aber ich darf es niemandem zeigen und muß es schnell lesen, damit der Jude es nicht vermißt.

30. Juni.

Heute habe ich das Buch erhalten. Es ist sehr groß, quadratisch im Format, fast vierhundert Seiten lang und mit wundervollen Bildern! Ein Bild stellt den König der Eingeborenen vor, mit einer Axt über der Schulter, und auf einem anderen sieht man ein Mädchen mit sanften schönen Augen, nackt bis an den Gürtel, das Ludée heißt. Sie hat ein wenig Ähnlichkeit mit dem Mädchen, das sich wusch, ist aber viel hübscher. Ich wollte, es wäre ein holländisches Buch, auf französisch kommt man so langsam vorwärts, daß man vor Ungeduld vieles überspringt.

7. Juli.

Hüte dich! Hüte dich, Mevrouw van Zanten aus zweiter Ehe! Weißt du, hochverehrter Vater, und du, fast ebenso hochverehrter alter Voß, was Cook, der große Cook, tat, als man einen Krämer aus ihm machen wollte? Eines Tages sprengte er ganz einfach seine Ketten und ging zur See, ohne einer Menschenseele Lebewohl zu sagen!

Hüte dich, sage ich nur.

13. Juli.

Heute habe ich mit dem Brückenwärter Jaen gesprochen. Er winkte mich in seine Kajüte, als er mich vorbeigehen sah. Er sollte eine Abrechnung machen und konnte nicht damit zustande kommen. Als ich die Zahlen richtig zusammengerechnet hatte, betrachtete er mich bewundernd und sagte:

»Da sieht man, wozu es gut ist, wenn man beizeiten etwas Ordentliches gelernt hat. Als ich in deinem Alter war, mußte ich mit einer Jolle hin und her fahren, bis ich so todmüde war, daß ich am Rudersitz festklebte.«

»Glauben Sie«, sagte ich, »daß es angenehmer ist, auf der Schulbank festzukleben und den ganzen Tag Buchstaben und Zahlen anzuglotzen?«

Er überlegte. »Hm, ein Spaß ist das auch wohl nicht«, meinte er ernst, »das gebe ich zu. Immerhin aber sieht man doch, wozu es gut sein kann, eins, zwei, drei, bist du mit einer Aufgabe fertig.«

»Wenn ich mit dem Jungmann dort auf der Barke tauschen könnte, würde ich es mir nicht lange überlegen.«

Es war »Willem der Schweigsame« von der Oranje-Reederei, der vorige Woche gekommen ist. Es ist gerade ein Jahr her, seit er seine erste Reise antrat, ich sah ihn vom Stapel laufen. Ein herrliches Schiff, wie eine Fregatte aufgetakelt und mit 32-Pfünder-Kanonen armiert. »Alles erstklassige Ware«, sagte der alte Voß stolz, »die Instrumente sind nämlich von uns.« Jaen guckte aus der Luke mit seinen kleinen zwinkernden Augen.

»Jungmann auf dem da? Da gibt's Ohrfeigen zu den Mahlzeiten und zwischendurch mußt du auf dem Bauch über den Rahen hängen, bis dir die Zehen abfrieren.«

Wem soll man glauben?

15. Juli.

Es ist ein fabelhaftes Buch. Ich bin allerdings erst bis Seite 19 gekommen, denn ich habe mir vorgenommen, es ordentlich zu lesen und im Wörterbuch nachzuschlagen. Leicht ist es nicht, bisweilen mogele ich, schlage ein einzelnes Wort nach und errate die übrigen. Ich will es noch ein Dutzend Seiten probieren, geht es dann nicht besser, versuche ich es ohne Wörterbuch, denn je schneller man liest, desto lebendiger wird alles, schließlich ist es einem, als sei man selbst mit an Bord.

Ich habe hier und dort in die Seiten geguckt und gesehen, daß ein Jungmann vorkommt, der Madan heißt, Madan Blanchard. Der Kapitän ist ein prachtvoller Mann, sehr klug, und die Eingeborenen sind gute Menschen, die die Weißen bewundern und ihnen Fische und Früchte bringen. Nachdem die Engländer sich eine Zeitlang auf der Insel aufgehalten haben, bekommen sie Heimweh, und der Kapitän und die Offiziere beschließen, ein neues Schiff zu bauen und damit nach Hause zu fahren. Als das Schiff fertig ist, meldet sich Madan und sagt, er wolle zeitlebens bei den Eingeborenen auf der Insel bleiben. Ich glaube, er ist in eine Wilde verliebt; davon steht nichts in dem Buch, es ist in einem sehr anständigen Ton geschrieben und enthält nicht viel von Gefühlen und dergleichen. Madan ist ja auch nur Jungmann, aber meiner persönlichen Meinung nach ist er verliebt, und außerdem kann er es nicht vertragen, unter Kommando zu stehen, er will ein freier Mann sein. Das steht übrigens auch nirgends, das Buch handelt meistens von den Eingeborenen, die sich gegenseitig bekriegen, und von den Engländern, die dem König und seinen Leuten helfen; das andere liest man zwischen den Zeilen.

16. Juli.

Madan Blanchard interessiert mich sehr. Er ist gewiß auch blond gewesen, und wenn ich an Seelenwanderung glaubte wie der alte Voß – Vater sagt, das habe er während seines Aufenthaltes in Indien gelernt –, könnte ich mir denken, daß ich in einem früheren Leben Madan gewesen bin. Komischer Name: Madan Blanchard! Als Vokal nur a in beiden Namen, viermal a. Ich habe auch vier a in meinem Namen, das heißt, wenn ich Pieter nicht mitrechne. Adrian van Zaanten; und getauft bin ich Adriaan, also eigentlich kann ich mit fünf a aufwarten.

17. Juli.

Ich habe eine Beschreibung von Madan gefunden; sie lautet folgendermaßen:

»Madan Blanchard war ein merkwürdiger Charakter, ungefähr zwanzig Jahre alt, von Natur solide, aber mit Sinn für Humor. Sein Entschluß war um so merkwürdiger, als man wußte, daß er sich für niemanden im besonderen auf der Insel interessierte. (Hm! Falls er sich für jemanden interessierte, war es natürlich sein Geheimnis – Ludée?) Durch seinen guten Charakter und sein tadelloses Benehmen während der Reise hatte er alle für sich eingenommen, und als sein Entschluß bekannt wurde, taten alle ihr Bestes, um die Eingeborenen für ihn zu gewinnen. Da er bei seinem Entschluß blieb, interessiert es den Leser gewiß, zu erfahren, was aus diesem Mann wurde, der sich freiwillig von seiner früheren Welt absonderte, doch ist es zweifelhaft, ob uns jemals eine verbürgte Nachricht über ihn erreichen wird. Doch ist anzunehmen, daß er, falls er sich gut führte, auf der Insel ein Mann von großer Bedeutung geworden ist. Er war sehr mutig – eine Eigenschaft, worauf die Wilden großen Wert legen. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, hatte er leider nichts gelernt, er konnte weder lesen noch schreiben. Dieser Mangel ist um so bedauerlicher, als seine »Erinnerungen« für diejenigen, die die einfache Natur lieben, wesentlich interessanter sein würden als die Memoiren, die zahlreiche europäische Staatsmänner und Minister hinterließen und mit denen sie der Nachwelt nichts anderes schenkten als die Enthüllungen schändlicher Pläne, heimlicher Unternehmungen und strafbarer Intrigen, mit denen sie den Frieden ihrer Jahrhunderte gestört haben.«

Ich zeigte M. Lenoix diesen Abschnitt nach der Stunde. Er amüsierte sich darüber, besonders über den Schluß.

»Damit verrät der Verfasser sich als ein Anhänger der ›Enzyklopädisten‹«, sagte er.

Ich glaube, das hängt mit Rousseau zusammen; da ich aber die Schwäche meiner historischen Kenntnisse nicht verraten wollte, schwieg ich lieber.

»Da er weder lesen noch schreiben konnte«, fuhr Lenoix fort, »wird er trotz der hübschen Worte, womit der Verfasser ihn schmückte, ein ganz einfacher Matrose, ein Jungmann, gewesen sein.«

»Er hatte nichts gelernt, weil er durchgebrannt und zur See gegangen war – wie Cook und viele andere.«

»Glauben Sie wirklich?«

Ich merkte an Lenoix' Seitenblick, daß er meine Gedanken las, und wurde rot.

»Es ist zu ärgerlich«, fuhr ich schnell fort, »daß kein Bild von ihm drin ist.«

»Das fehlte gerade! Ein Jungmann! Nur vom Kapitän ist ein Bild da.«

»Darum kann es doch ärgerlich sein«, meinte ich.

»Gewiß. Ich weiß nichts Besseres, als daß Sie sich selbst ein Bild machen.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Geben Sie ihm Fleisch und Blut, wie ein richtiger Dichter.«

Ich wurde furchtbar rot und war drauf und dran, mich ihm anzuvertrauen.

»Sie können sich ja an das halten, was Sie über ihn gelesen haben.«

»Wie er aussah, ob er groß oder klein war und so, darüber hat aber gar nichts gestanden.«

»Um so besser, dann können Sie Ihrer Phantasie freien Spielraum lassen.«

Darin mußte ich ihm recht geben. Plötzlich konnte ich nicht mehr an mich halten.

»Das mach' ich – das mit Fleisch und Blut.«

»Recht so, mein junger Freund.«

»Mal, wenn ich Zeit bekomme, will ich von ihm und seinen Kameraden, von dem ganzen Leben an Bord schreiben. Voran im Buch steht ein Verzeichnis über die ganze Besatzung, die hab' ich mir abgeschrieben, alle vierunddreißig Namen, vom Kapitän herunter, und was sie zu tun haben.«

»Warum haben Sie die abgeschrieben?« fragte er und betrachtete mich aufmerksam.

»Sie wollen das Buch ja zurück haben, und bekomme ich Lust, mal darüber zu schreiben, ihnen allen Fleisch und Blut zu geben, wie Sie vorhin sagten, dann muß ich doch wenigstens ihre Namen wissen.«

»Das ist wahr«, sagte er und lachte.

Eigentlich weiß ich nicht, warum er lachte, aber es kam ihm recht von Herzen. Ich mag ihn gern leiden. Als wir uns trennten, drückte er mir die Hand.

Wenn ich das Buch zu Ende gelesen habe, werde ich meinen Entschluß fassen.

18. Juli.

M. Lenoix reist fort. Schon in acht Tagen sitzt er in dem großen Paris. Eine Stellung als Bibliothekar ist ihm dort angeboten worden, und er ist selig. Nach der Stunde winkte er mir, und ich begleitete ihn ganz bis zur Brücke.

Ich muß ihm das Buch schon übermorgen zurückgeben, er muß es noch mit Beschreibung und so weiter in den Katalog eintragen, bevor er abreist. Ich habe also nur noch zwei Tage und Nächte zum Lesen.

25. Juli.

Lenoix ist fort, mein lieber Lehrer, der einzige, von dem ich etwas hielt. Er ist heute morgen abgereist, nachdem er sich von uns allen verabschiedet hat. Als er mir die Hand drückte, sah er mir fest in die Augen und sagte:

»Et vous, mon cher van Zanten, j'espère avoir dans le temps de vos nouvelles, d'ici ou de quel-qu' autre part du monde –«

Hat er erraten, woran ich Tag und Nacht denke?

Als ich ihm neulich abends das Buch brachte – er saß vor seinem großen Katalog und hatte nur wenig Zeit –, war ich drauf und dran, ihm mein Herz zu öffnen, beherrschte mich aber und sagte nur:

»Ich glaube, dieses Buch wird große Bedeutung für mich bekommen, obgleich ich nur die Hälfte gelesen habe.«

Er richtete sich auf und betrachtete mich prüfend. Dann blätterte er ein wenig in dem Buch und sagte ernst, er hoffe, er brauche nicht zu bereuen, daß er es mir geliehen habe, »parce que« – er überlegte einen Augenblick – »eh bien, vous êtes un peu étourdi, mon pauvre ami, – réfléchissez-y bien

Im Wörterbuch steht »leichtsinnig, zu dummen Streichen geneigt«, und »überlegen Sie es sich genau«.

Lieber Monsieur Lenoix, ich habe es mir genau überlegt, aber ich will es mir noch einmal überlegen. Ich habe ja noch Zeit, die Konfirmation ist erst Ende August.

28. Juli.

Heute morgen sah ich einen Schoner, ungefähr so groß wie die »Antelope«, der gerade in den Hafen gekommen war. Ich fing ein Gespräch mit dem Zweiten Steuermann an, der auf einer Bank saß und Wache hielt, während die Mannschaft die Segel zum Trocknen einholte. Das Schiff ist in Rotterdam zu Hause und nimmt Fracht nach den Kleinen Sunda-Inseln und zurück.

Ich bot ihm eine Zigarre und durfte mir den Schoner ansehen. Ein hübsches Schiff, geräumig und sauber, es heißt »Peter Michailow« nach Peter dem Großen von Rußland, als er in Zaandam als Schiffszimmermann arbeitete. Es liegt hier einige Tage, um seine Besatzung vollzählig zu machen. Zwei Matrosen sind in Lissabon durchgebrannt; einen Jungmann suchen sie auch.

»Können Sie mich nicht gebrauchen?« fragte ich halb im Scherz, halb im Ernst. Er musterte mich und fragte, wie alt ich sei. Sechzehn Jahre, log ich. »Bißchen schmächtig«, meinte er. Darauf fühlte er meine Armmuskeln: »Nicht übel«, sagte er. Er glaubte, es sei mein Ernst, und bot mir Handgeld.

Ich fragte ihn, ob ich Papiere haben müsse. Da ging ihm ein Licht auf.

»Wozu Papiere?« sagte er. »Die sind dazu da, daß man sich den ... damit abwischt. Wir brauchen nur den Mann, alles andere ordnen wir selbst.«

»Werd' mir's überlegen«, sagte ich munter und ging von Bord.

Als ich mich umdrehte, winkte er mir, als ob er sagen wollte: Wir sind einig.

Wahrlich eine große Versuchung. Bevor ich aber so weit bin, hat »Peter Michailow« schon den halben Weg nach den Sunda-Inseln zurückgelegt.

Ich vermisse das Buch schrecklich! Obgleich ich die halben Nächte gelesen habe, bin ich doch nur bis zum Schiffbruch gekommen; das Schiff lief auf das Korallenriff, und der Kapitän rief die Mannschaft auf Deck zusammen und sagte zu ihnen, jetzt seien sie dem Gesetz nach selbst Herren auf dem Schiff und könnten wählen, ob sie ihm gehorchen wollten oder nicht. Wie war es stolz und schön!

Mir träumte heute nacht, ich stand auf einem Stein mitten im wilden Meer, und die Wellen schlugen darüber. Ich klammerte mich mit Händen und Füßen fest, um nicht hinabzugleiten, und dennoch hatte ich keine Angst, sondern erwartete voller Neugierde, was geschehen würde. Plötzlich sah ich eine grüne Insel, die näher und näher kam, bis der flache Strand, der in der Sonne schimmerte, ganz deutlich zu sehen war. Eine Frau stand dort und blickte zu mir herüber, sie winkte, und ich sah, daß es die Eingeborene war, die neulich auf Deck gewaschen hatte.

1. August.

Heute ist der Erste, also noch drei Wochen bis zur Konfirmation.

Vater fragte mich heute beim Frühstück, was ich mir wünschte.

»Geld«, antwortete ich.

»Was willst du mit Geld? Du hast doch, was du brauchst.«

»Ich möchte gern nach Schluß des Handelskurses eine kleine Reise machen; das tun andere auch. Ich möchte von Stadt zu Stadt reisen, um mein Vaterland kennenzulernen.«

Er antwortete nicht, nickte nur vor sich hin, als ob er an seine eigene Jugend dächte. Sie aber blickte verstohlen von ihrer Kaffeetasse auf, als ob sie mir nicht recht glaubte. Vielleicht schien es mir nur so, weil ich ein schlechtes Gewissen habe, denn ich kann nicht lügen. Aber es ist ganz richtig, was ich gestern las: Will man ein Ziel erreichen, muß man alle Mittel, die einem zur Verfügung stehen, anwenden. Übrigens ist es mir ganz Wurst, seit Mutters Tode ist es für mich im Hause so trübselig geworden, und wenn ich fort bin, wird mich keiner vermissen.

5. August

Als ich heute nach Hause ging, machte ich einen Umweg über den Kai. »Peter Michailow« lag noch immer da. Als der Zweite Steuermann meiner ansichtig wurde, winkte er mir, daß ich an Bord kommen sollte, er hoffte wohl auf eine Zigarre. Ich sah, daß die Mannschaft, die auf Deck arbeitete, mich wiedererkannte. Der Bootsmann, der so rund wie eine Kugel ist, ehrte mich, indem er seinen Finger an die Mütze legte. Ich steckte ihm hinter dem Rücken des Steuermanns eine Zigarre zu, denn ich kann dem Steuermann ansehen, daß er auf Rangordnung hält.

Sie haben einen Hund, der Nelson heißt, einen schwarzen Köter, halb Pudel, halb Terrier. Er knurrte und zeigte mir seine Zähne, als ich an Bord ging, hinterher aber beschnüffelte er mich, er konnte gewiß riechen, daß wir zu Hause eine Hündin haben. Auf der »Antelope« waren zwei Schiffshunde. Der eine war ein Neufundländer.

6. August.

Heute nachmittag war der Zweite Steuermann nicht da. Der Kanonier, der im Begriff war, Stückpforten anzustreichen, erzählte mir, der Kapitän sei krank und heute morgen ins Krankenhaus gebracht worden. Der Bevollmächtigte der Reederei sei an Bord gewesen und habe gesagt, da der Kapitän das Schiff auf eigene Rechnung führe, könne es erst in See stechen, wenn er wieder gesund sei.

Ich habe mir heute ein Dolchmesser gekauft, so eines wie der Bootsmann hat.

7. August.

Heute war ich in der Stadtbibliothek, um nach dem Buch über die »Antelope« zu fragen; aber es war nicht vorhanden, es ist ja auch schon alt, vom Ende des vorigen Jahrhunderts. Darauf ging ich zu dem Bücherjuden, sagte, ich sei einer von Lenoix' Schülern, er habe mir von dem Buch erzählt, und ich wollte es gern leihen oder laufen, wenn es nicht zu teuer sei. Der Jude aber hatte es gerade nach England verkauft. Damit ist meine letzte Hoffnung, das wundervolle Buch je wiederzusehen, geschwunden.

17. August.

Der Kapitän ist in der Besserung, aber er ist so schwach, daß er sich noch acht Tage erholen muß.

Der Zweite Steuermann meint, daß »Peter Michailow« bei günstigem Wind am 27. oder 28. in See stechen wird.

Ich habe bis zehn Uhr nachts in seiner Kajüte gesessen und den Plan mit ihm besprochen. Er habe Bedenken bekommen, sagte er, weil ich nach dem Gesetz zu jung sei, um auf eigene Faust etwas zu unternehmen. Ich erwiderte ihm, er habe neulich selbst gesagt, er pfeife auf das Gesetz, denn »Peter Michailow« würde nicht nach Holland zurückkehren, der Kapitän habe das Schiff übernommen, um für eigene Rechnung damit zwischen den Sunda-Inseln zu fahren. Wenn das Schiff erst auf hoher See ist, kann das Gesetz es nicht mehr erreichen, und wenn der Kapitän erst zwischen den Inseln hin und her kreuzt, kann die Regierung ihn nicht belangen. Im übrigen sei es ja eine alltägliche Geschichte, daß junge Leute durchbrennen und zur See gehen. Ich mußte ihm aber noch fünfundzwanzig Gulden mehr versprechen, bevor er seine Bedenken überwand.

Habe ich mir selbst klargemacht, was ich eigentlich vorhabe?

Wenn du mich sehen kannst, Mutter, so gib mir ein Zeichen, ob du dafür oder dagegen bist.

19. August.

Als ich heute nachmittag nach Hause kam, hing im Vorzimmer ein riesiger Manilahut und ein Stock mit einem silbernen Tigerkopf als Griff. Aus der Staatsstube hörte ich eine polternde Stimme und Vaters Stimme, die höher klang als sonst. Ich war gerade im Begriff, in die Küche zu Hanneke zu gehen, um zu erfahren, wer der Fremde sei, als Vaters Frau herauskam, mit roten Backen und Augen, die ihr vor Geschäftigkeit steif im Kopf standen. Bevor sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, sah ich einen breitschultrigen Mann, mit gelben Nankinghosen und einem blauen Rock, der auf seinem breiten Rücken Falten warf. Er saß mit untergeschlagenen Armen und sprach mit einer dröhnenden Stimme, die im ganzen Hause widerhallte.

»Es ist der Vetter deines Vaters aus Batavia«, sagte sie, »er ist heute morgen mit seinem eigenen Schoner angekommen; das Schiff liegt im Oosterlijk-Dock. Mach schnell, wasch und kämm dich und zieh deinen blauen Anzug an; er hat schon nach dir gefragt.«

Onkel Clement ist seit mehr als zwanzig Jahren im Ausland gewesen. Vater hat erst neulich von ihm gesprochen, von ihrer gemeinsam verlebten Jugendzeit, und daß er fürchtete, er würde ihn nie wiedersehen. Und nun sitzt er drinnen in unserer Staatsstube!

Eine große Begebenheit für unser einsames Haus! Und gerade jetzt! Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Was geht er mich im Grunde an? Beerben werde ich ihn nicht, denn er hat eine Tochter.

Als ich hereinkam, erhob Vater sich und sagte mit seiner Feiertagsstimme:

»Das ist Pieter Adrian, mein einziges Kind, Erbe meines Namens und meines alten Geschäfts.«

Ich bekam einen roten Kopf, mir ging ein Stich durchs Herz. Wenn er ahnte!

»Guten Tag und willkommen, Mijnheer«, sagte ich und betrachtete ihn. Er hat hervorstehende, blaue Augen, und eine graue Haartolle fällt ihm in die Stirn; sein Gesicht ist gelb und faltig, aber er sieht gutmütig aus; als er jung war, hat er gewiß Grübchen gehabt.

Er legte mir seine große Hand auf die Schulter und sagte:

»Onkel Clement heißt es.« – Dann zog er mich neben sich aufs Sofa und blickte forschend von mir zu Vater und wieder zurück.

»Er hat Ähnlichkeit mit dir, Vetter«, sagte er.

Er fragte, wie alt ich sei, und sagte, ich sei groß und kräftig für meine Jahre.

»Und Sonntag sollst du konfirmiert werden?« sagte er. »Laß mal hören, was du dir wünscht. Her mit dem Wunschzettel, junger Mann. Mach keine Räuberhöhle aus deinem Herzen«, lachte er, daß es schallte, »nur die Lumpen sind bescheiden.«

»Er ist ein komischer Kauz«, sagte sie – daß sie sich auch in alles mischen muß! –; »fragt man ihn, was er sich wünscht, so antwortet er nur ›Geld‹«

»Er möchte eine Reise machen, bevor er seine Lehrzeit im Geschäft beginnt«, sagte Vater erklärend. »Er will sein Vaterland kennenlernen, sagt er.«

»Recht so!« stimmte Mijnheer dröhnend bei, »und weißt du was, ich reise mit.«

Zuerst glaubte ich, es sei ein Scherz. Plötzlich aber wurde er eifrig und fuhr sich durch sein volles, graues Haar. »Ich habe die alten Orte seit einem Menschenalter nicht gesehen. Was meinst du dazu, junger Mann?« – Er schlug mir aufs Knie. – »Wir reisen wie zwei Standespersonen, und ich bezahle das Ganze.«

Was sollte ich antworten? Ich murmelte etwas von »großer Ehre« und »sehr dankbar«.

Meine ganze Zukunft steht auf dem Spiel. An Vater, der doch mein natürlicher Ratgeber ist, kann ich mich nicht wenden. Er zwingt mich, ihm Kummer zu machen, weil er nicht einsieht, daß es keinen Zweck hat, mich an etwas zu binden, das mir zuwider ist. Ich brenne darauf, die große, weite Welt kennenzulernen, und statt dessen will er mich an eine Tretmühle fesseln. Sein Ehrgeiz ist ihm wichtiger als das Glück seines Sohnes, die Leute sollen eines Tages auf das alte Schild über der Tür zeigen und sagen: Nun hat der Sohn das Geschäft, und nach ihm wird ein anderer Sohn es übernehmen, und so immer weiter, bis auch diese solide Familie einst dem Gesetz des Niederganges zum Opfer fällt. Neulich sagtest du, jeder sei seines Glückes Schmied. Warum darf nicht auch ich versuchen, mein eigenes Glück zu schmieden, anstatt das zu behüten, was dein Vater und sein Vater für ihr Glück gehalten haben? Wenn ich die Welt kennengelernt habe, kehre ich vielleicht eines Tages zurück und übernehme freiwillig den Platz, den du mir jetzt aufzwingen willst.

»Na, überleg dir's«, meinte Mijnheer Clement, als ahnte er, was mich im Innern bewegte.

»Da gibt's nur eine Antwort«, fiel mein Vater ein: »Lieber Herr Onkel, wenn es Ihr Ernst ist, wird es mir eine Ehre und ein Vergnügen sein.«

»Ich kann Pieter Adrian ansehen«, sagte sie (ich fühlte, wie ihre schwarzen Stecknadelaugen mir auf der Haut prickelten), »daß er von dem Angebot so überwältigt ist, daß er keine Worte finden kann.«

Und als ich noch immer nichts sagte, nur einen roten Kopf bekam, fügte sie entschuldigend hinzu:

»Er ist ein wenig scheu, Mijnheer.«

»Ja, ja, er kann es sich beschlafen«, sagte Onkel Clement.

Dann erzählte er von seinem Schoner, der nach seiner Tochter »Lydia« genannt ist. Sie hatte ihn getauft, als er vor zwei Jahren an ihrem vierzehnten Geburtstag vom Stapel lief. Er zeigte mir ein Bild von ihr, das er in einem Medaillon an seiner Uhr trug. Auf dem Bild war sie erst fünf Jahre alt, ein niedliches, kleines Mädchen mit blonden Locken und blauen Augen.

Abends war ich zum erstenmal mit im Klub. Vater stellte mich stolz mehreren seiner alten Freunde und Kollegen vor. Einige kannten Onkel Clement aus ihren jungen Tagen. Er scheint ein reicher und mächtiger Mann zu sein, denn er wurde mit großer Ehrerbietung behandelt; er hat drüben ein Geschäft mit den Produkten der Eingeborenen; auf allen Inseln hat er Agenten, sagt Vater.

20. August.

Heute morgen waren wir alle drei zum Frühstück an Bord der »Lydia«. Alles ist dort vom Besten und frisch gestrichen. Dreißig Mann Besatzung. Wir aßen bei dem schönen Wetter auf Deck unter dem Sonnensegel, jeder von uns hatte einen Eingeborenen aus Mijnheers Bungalow zur Bedienung. Sie waren ganz in Weiß gekleidet, mit Turban und Schärpe in den holländischen Farben. Auch die vier Eingeborenen, die mit ihren seltsamen Instrumenten auf dem Fußboden hockten und, während wir aßen, eine komische Katzenmusik machten, waren so gekleidet. Auf dem Kai war ein regelrechter Auflauf, ein Hafenpolizist mußte Ordnung halten.

Onkel Clement stieß mit mir an.

»Na, Herr Neffe, was wird aus unserer Reise? In den nächsten Tagen habe ich noch Geschäfte zu erledigen, in vier Tagen aber bin ich reisefertig, oder hast du vielleicht einen andern Herzenswunsch?«

Der Wein hatte mir Mut gemacht.

»Herzlichen Dank, Herr Onkel«, sagte ich und hob mein Glas. »Ich weiß wirklich nicht, ob ich ein würdiger Reiseführer bin für einen so großen Mann, wie Sie es sind. Ich kenne das Land selbst nicht, bin noch niemals gereist. Lieber will ich auf die Ehre und das Vergnügen verzichten, als mir hinterher Vorwürfe darüber zu machen, daß ich Ihre kostbare Zeit vergeudet habe.«

»Bravo!« rief er mit seiner Posaunenstimme, während seine Augen funkelten (er trinkt gewiß häufig mal einen über den Durst), »das nenne ich eine wohlgesetzte Rede! Der Bursche hat einen guten Kopf« – er stieß Vater mit dem Ellbogen in die Seite und nickte vor sich hin. – »Vielleicht, Vetter Adrian, ist er zu etwas Besserem geboren, als Metallteile zusammenzuschweißen und Kunden zu bedienen. Weder du noch ich konnten solche Rede schwingen, als wir in seinem Alter waren.«

Vater räusperte sich. Er fühlte sich geschmeichelt, aber die Worte waren dennoch nicht recht nach seinem Sinn.

»Für wohlgesetzte Reden«, knurrte er, »kann man wohl in jedem Beruf Verwendung finden. Und ein gelernter und zuverlässiger Instrumentenmacher ist heutzutage ein seltener Vogel.«

Es wurde nicht mehr von der Reise gesprochen, und ich war heilfroh. Am liebsten wäre ich Mjnheer wegen seiner Worte um den Hals gefallen. Der Gedanke schoß mir durch den Kopf: Soll ich mich ihm anvertrauen und ihn für mich gewinnen? Aber ich unterließ es, und wenn ich es mir recht überlege, sehe ich ein, daß Onkel Clement doch niemals gemeinsame Sache mit mir gemacht haben würde gegen meinen Vater, seinen Jugendfreund.

Morgen soll ich mich also in der Kirche zu meinem Glauben bekennen. Ich weiß selbst nicht, woran ich glaube, außer an das eine, daß ich frei sein und über mein eigenes Schicksal entscheiden will.

Glücklicherweise hat sie so viel mit dem Festessen zu tun, daß sie nicht mit zur Kirche geht: Sie will dem reichen und vornehmen Vetter ihre beste Kunst zeigen.

Fühle ich ihre Augen auf mir, so weiß ich, daß ich jedes Wort wägen muß, denn sie scheint etwas anderes hinter meinen Worten zu wittern. Habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich wirklich etwas verberge, und ist sie schlauer als Vater, oder mißtrauisch, weil sie selbst etwas Verstecktes hat und andere danach beurteilt? Mit Vater kann ich leicht fertig werden, er ist eine ehrliche Haut.

Noch drei Tage und Nächte, und in der dritten Nacht um zwölf Uhr sind die Würfel gefallen. Gott steh mir bei.

21. August.

Ich stand im schwarzen Anzug vorm Altar, ganz wie ein erwachsener Mann, der größte von allen Konfirmanden.

Vater und Onkel Clement saßen hinter mir im Kirchenstuhl, mit feierlichen Gesichtern, als wohnten sie einer Beerdigung bei. Als wir vorm Mittagessen versammelt waren, überreichte Onkel Clement mir zweihundert Gulden und eine goldene Uhr.

Vater schenkte mir Mutters Bild, das über seinem Schreibtisch hing. Es hat einen geschnitzten Goldrahmen bekommen, den man aufstellen oder an die Wand hängen, aber auch zusammenklappen und in der Tasche tragen kann, Ich war so gerührt, daß ich ihm nicht danken konnte. Vater sah es und begriff.

»Viel Glück, mein Junge«, sagte er und strich mir übers Haar.

Wie soll ich es übers Herz bringen, ihn so zu betrüben!

Liebe Mutter, ich will dich bei mir tragen, wo immer ich gehe und stehe. Gib mir ein Zeichen, daß du auf meiner Seite bist.

Großes Festessen mit dem ganzen Personal und dem alten Voß an der Spitze; feierliche Reden. Der junge Dietrich aus dem Geschäft hatte ein Lied verbrochen, in dem er mich »du Sproß eines edlen Hauses« nannte.

22. August.

Ich traf Kerck, den Zweiten Steuermann, in der Kneipe an der Ecke. Ich hätte ihn schon gestern morgen dort treffen sollen, konnte aber nicht fort, weil Onkel Clement gekommen war. Kerck hatte die »Lydia« im Oosterlijk-Dock liegen sehen, sie bewundert und erfahren, daß sie einem Großkaufmann aus Batavia gehörte. Als er erfuhr, daß es mein Onkel sei, bekam er Bedenken und sagte rein heraus, es sei nicht gut für einen geringen Steuermann, es mit einem so reichen und mächtigen Herrn, der sein eigener Reeder sei, zu verderben. Wenn die Familie erführe, daß ich mit seiner Hilfe durchgebrannt sei, könne es üble Folgen für ihn haben. Wir sprachen lange hin und her. Ich berief mich auf sein Wort, mußte ihm aber das Doppelte versprechen und fünfzig Gulden gleich geben, bevor sein Gewissen sich beruhigte.

Bei günstigem Wind lichtet der »Peter Michailow« morgen gleich nach Mitternacht den Anker.

23. August.

Mijnheer war heute nicht hier, er hat seinen Spielabend im Klub.

Unten schlafen schon alle, ich kann Vaters Schnarchen bis hier oben hören. Vor kurzem hat Hanneke das Haus abgeschlossen und den Schlüssel in sein Versteck oben auf dem Schrank gelegt. Wenn sie ahnte, daß ich Vaters Reserveschlüssel in der Tasche habe! Dann ist sie die Treppe zu ihrer Bodenkammer heraufgepoltert, ist in ihrem Zimmer noch eine Welle hin und her gegangen, wie sie zu tun pflegt; jetzt schläft auch sie, und alles ist still.

Ich sitze allein in dem alten Haus, wo ich geboren bin. Früher gab es hier so viele lauschige Ecken und Winkel, so viele Sonnenflecke auf den Fliesen im Vorzimmer, wo ich spielte. Seit Mutters Tod aber ist das Haus düster, kalt, unfreundlich geworden; Mutter aber geizte auch nicht mit Feuerung und Licht, wie sie da unten.

Lebt wohl, meine lieben Bücher! Leb wohl, Fensterplatz, wo ich so manche Stunde vor meinen Schularbeiten gesessen und über den Hafen geblickt habe, während meine Gedanken weit fortwandelten zu den großen Schiffen, die ins Ungewisse fahren, um die Welt zu erobern.

Der Wind ist günstig, der Wetterhahn auf dem Kirchturm zeigt in die gewünschte Richtung. »Peter Michailow« ist bereit, gleich nach Mitternacht den Anker zu lichten.

Wie oft habe ich mich an Bord gewünscht und dennoch, in diesem Augenblick, wo meine Stunde geschlagen hat, zittere ich bei dem Gedanken, alles das zu verlassen, Gutes und Böses, was bisher mein Leben war.

Liebes Tagebuch, du kleines, braunes Heft, das so manchen Abend meine einzige Zuflucht war, und dem ich alles, was in mir vorging, anvertraut habe, zum letztenmal sitze ich jetzt über dich gebeugt. Ach, es wird lange dauern, bis ich Zeit bekomme, wieder mit dir zu plaudern, denn in einer engen Kajüte, wo die eine Koje über der anderen liegt, kann der einzelne keine Ruhe und keine Einsamkeit finden.

Darum mache ich Schluß jetzt. »Finis« soll darunterstehen, wie in den Büchern. Aber du sollst einen Platz dicht an meinem Herzen bekommen, neben dem Bild meiner Mutter.

Alles ist bereit. Dort auf dem Bett liegt mein Bündel, das mein ganzes Hab und Gut enthält.

Leb wohl alter Vater! Es ist deine eigene Schuld, daß ich kein Vertrauen zu dir fassen konnte. Verzeih mir und denk an Mutter; sie würde mich verstanden haben, wenn ich mich ihr anvertraut hätte.

Lebt wohl, liebes Zimmer und alle meine teuren Habseligkeiten! – Mir ist, als müßte ich sterben.

Soeben schlug die Uhr unten halb, und der Zeiger meiner neuen Uhr zeigt halb zwölf.

Es ist Zeit.

Finis!


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