Georg Bötticher
Allerlei Schnick-Schnack
Georg Bötticher

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Der Schiedsspruch.

                Vor altersgrauen Zeiten hat
Ein Fall sich zugetragen –
In welchem Land, in welcher Stadt,
Ist nit mehr recht zu sagen.
Gewiß nur ist: ein Edelmann
Kam nachts vor einem Gasthof an
Und tat den Wirt torquieren,
Ihn bei sich zu losieren.

Der, weil die Zimmer all besetzt,
Hat solches erst verdrossen
Geweigert, aber doch zuletzt
Ein Zimmer aufgeschlossen:
Dabei jedoch gestanden frei,
Daß es darin nit richtig sei,
Dieweil, wie oft geschehen,
Ein Spuk sich lasse sehen.

Der Ritter forcht sich dessen nicht,
Entschlief auch gleich zur Stunde.
Nachts aber – weckt ihn helles Licht.
Da sieht er in der Runde
Viel edle Herrn beim frohen Mahl,
Die schwingen lärmend den Pokal.
Und einer tut ihm winken
Und nötigt ihn, zu trinken . . .

Da hat sich ihm, der schreckensbleich,
Ein laut »Helf Gott!« entwunden.
Auf solches hin ist alsogleich
Der ganze Spuk verschwunden . . .
Die Becher nur, schön anzusehn
Und puren Goldes, blieben stehn:
Der Ritter, froh verwundert,
Zählt ihrer nahe hundert.

Natürlich hat er selbges Gut
Als eigen ihm geschätzet.
Dem aber hat in üblem Mut
Der Wirt sich widersetzet.
Der Ritter achtet dessen nicht –
Der Wirt droht mit dem Amtsgericht.
Da keins Vernunft genommen,
Ist's zum Prozeß gekommen.

Der hat gedauert manch ein Jahr
Und Haufen Golds verschlungen;
Doch weil der Fall verwickelt war,
Ist Lösung nit gelungen.
Zuletzt rief Wirt wie Edelmann
Den König um Entscheidung an.
Der ließ vor allen Dingen
Sich Schatz und Kläger bringen.

Den Schatz beschaut' er lang und sprach:
»Wohlan denn, Wir entscheiden!
Dies Gold – das liegt am hellen Tag –
Ist keinem von euch beiden.
Dem Landesherrn gehört es zu:
Marschalk, verwahrt's in Unsrer Truh . . .
Ihr aber, wackre Streiter,
Packt und begebt euch weiter.«


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