Berthold Auerbach
Landolin von Reutershöfen
Berthold Auerbach

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Dreizehntes Kapitel.

Anton fragte nach dem Gespiel, der Tochter des Oberbauern, die damals bei Thoma gewesen war. Mit schmerzlichem Ausdrucke erzählte Thoma, daß sie mit dieser einzigen Freundin zerfallen sei; Zorn und Scham rötheten ihre Wangen, indem sie berichtete, daß des Oberbauern Tochter an ihrem Hochzeitstage einen Kranz getragen habe, den sie nicht verdiente. Die Lippen Thoma's bebten, da sie sagte: »Man spricht noch davon, wie die Mutter der Schaubkäther hat vor der Kirchenthüre stehen müssen mit einem Strohkranz auf dem Kopf und einem Strohgürtel um den Leib. Das war hart, aber gerecht. Jetzt aber des Oberbauern Tochter! Vor Gott und den Menschen lügen, sich eine Ehre nehmen, die einem nicht gebührt, das bei sich wissen und doch so keck sein – da hast Du wieder ein Beispiel, grad wie bei dem Vetturi. Mit einem Lugenbeutel, reich oder arm, Mann oder Frau, habe ich keine Gutheit und keine Freundschaft. Wer die rechte Ehre und den rechten Stolz hat, der giebt sich nicht so herunter, daß er leugnet, was auch geschehen sein mag. Wer nicht für das einsteht, was er gethan hat, der soll zum Teufel gehen, oder eigentlich man braucht's ihn nicht mehr zu heißen, er ist schon zum Teufel gegangen. Du lachst? Hast recht! Einem so fürnehmen Ehrenmenschen wie Du, braucht man so was nicht predigen. Und jetzt brauch' ich kein Gespiel und nichts mehr. Ich hab' Dich und meinen Vater, ich hab' die alte und junge Ehrenhaftigkeit bei einander, keine Prinzessin kann sie besser und schöner haben.«

Sie gingen Hand in Hand weiter. Als sie an den Hof kamen, rief die Mutter, die rasch heimgekehrt war, zum Fenster heraus, sie sollten nur noch draußen bleiben, es werde schon Alles gerichtet für die Glückwünschenden, die nun kommen.

Die Beiden saßen im Berggarten hinter dem Hause auf der Bank unter dem Kirschbaum, und reicher waren nicht die Blüthen an dem Baum, als die glückseligen Empfindungen der Verlobten. –

Derweil die Verlobten hier unter dem Kirschbaum waren, saß die Schaubkäther bei ihrem Sohne, und dieser sagte. »Mutter, ich muß fort von hier, ich geh' ins Elsaß in eine Fabrik.«

»Und mich willst allein lassen?« klagte die Mutter wol zum hundertsten Male, und auch zum hundertsten Male erzählte sie – als wär' das ein Trost – daß der Großvater Vetturi's auch ein Sohn vom Reutershof gewesen sei, der abgefunden wurde, und wie dessen Nachkommenschaft es nie mehr zu etwas brachte. Vetturi ließ die Mutter reden, blieb aber dabei, er wolle fort.

»Mutter, ich lieg' Euch auf dem Hals, ich schäm' mich.«

»Du liegst mir nicht auf dem Hals und hast Dich nicht zu schämen, daß Du bei Deiner Mutter bleibst. Was hab' ich denn noch auf der Welt, wenn Du fort bist? Ich stehe dann nicht mehr gern auf und mach' nicht mehr gern Feuer an. Wenn Du fortgehst, mußt mich mitnehmen.«

»Wollen sehen, Mutter. Jetzt muß ich einmal meinen Lohn haben vom Landolin, heut am Tag muß ich ihn haben.«

Er riß sich von seiner Mutter los und eilte nach dem Hofe.


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