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Georg Heinrich von Langsdorff

Von Nukahiwa nach den Sandwich-Inseln

Besuch auf der Marquesas-Insel Nukahiwa

Die Schiffe waren zu Ende Januars 1804 wieder in segelfertigem Stande. Wir hatten uns alle mehrere Wochen mit den vortrefflichsten Nahrungsmitteln erquickt; die Mannschaft der beiden Schiffe befand sich gesund, und Kapitän von Krusenstern, mit einem großen Vorrat von frischen Provisionen aller Art versehen, gab am ersten Februar den Befehl, sich an Bord zu begeben, und so mußten wir das schönste und reichste Land der Erde verlassen. Die Rückerinnerung an meinen Aufenthalt in Brasilien wird mir zeitlebens unvergeßlich bleiben!

Am 2ten Februar kam der Gouverneur, der uns während unseres Aufenthalts sehr viele Freundschaft erzeigt hatte, nebst einer zahlreichen Gesellschaft beiderlei Geschlechts auf das Schiff, um uns ein Lebewohl zu wünschen.

Kapitän von Krusenstern hielt es für notwendig, die Abreise von Brasilien so viel als möglich zu beschleunigen, weil die Aussicht, das Kap Hoorn in so später Jahreszeit zu umschiffen, nicht die erfreulichste war.

Der Tag unserer Abfahrt war auf den 3. Februar bestimmt, indes tobte ein Sturm aus Norden so heftig, daß es Kapitän von Krusenstern für ratsamer hielt, noch im Hafen zu bleiben und günstigere Umstände abzuwarten. Erst am 4. Februar nachmittags wurden die Anker bei einem stark sich erhebenden Südwinde gelichtet, und gegen Abend waren beide Expeditionsschiffe unter Segel. Das Wetter war trübe, es regnete beinahe unaufhörlich während diesem und den nächstfolgenden Tagen, und bei immer anhaltendem Südwind sahen wir uns bald von der brasilianischen Küste entfernt. Am 6. änderte sich das Wetter, es wurde heiter, und wir segelten mit östlichem Winde sehr rasch gegen Süden, so daß wir uns schon am 9. Februar in der Breite von Rio de la Plata befanden.

Bei abwechselnder, bis hierher meistens günstiger Witterung sahen wir uns am 25. Februar in der Nachbarschaft des Staatenlandes, und die Ansicht dieser rauhen und unbewohnten Insel, deren steile und spitze Felsenberge unsern südlichen Horizont begrenzten, gewährte uns bei einem hellen Horizont manche Abwechselung. Die Menge der Albatrosse und der Sturmvögel nahm zu, je mehr wir nach Süden vorrückten, und das fontänenartige Aufspritzen der Walfische, welches des Nachts zuweilen für eine Brandung an irgendeinem unbekannten Felsen gehalten wurde, war uns nun schon so gewöhnlich, daß es kaum mehr unsere Aufmerksamkeit an sich zog.

Der 2. März war einer der schönsten Tage, den wir nach vielen in diesen südlichen Breiten erlebt hatten; die erquickenden Strahlen der Sonne erwärmten uns heute mehr als jemals, und da die anhaltenden Nebel, der Regen und die unangenehme melancholische Witterung bisher fast alle, die nicht gezwungen waren, auf das Verdeck zu gehen, abgehalten hatte, frische Luft zu schöpfen, so suchten sie sich heute dafür schadlos zu halten; auch wurden nun zum erstenmal wieder nach dreien Tagen Sonnenhöhen genommen, aber ein Teil unserer Freude war gestört, als wir erfuhren, während dieser Zeit bloß nach Süden und gar nicht nach Osten vorgerückt zu sein.

Unsre sehnlichsten Wünsche, bald aus diesen kalten stürmischen Regionen wegzukommen, schienen endlich erhört zu werden, indem sich nachmittags ein schwacher Nordostwind erhob, der gegen Abend so frisch wurde, daß wir in einer Stunde zehn Seemeilen nach Westen zurücklegten und morgens den 5. März das Vergnügen hatten, unserm vortrefflichen Führer, der uns anzeigte, daß wir das Kap Hoorn umschifft hätten, den herzlichsten Glückwunsch und schuldigsten Dank abzustatten.

Kaum waren wir in die Südsee getreten, so verließ uns der Nordost, und statt seiner wehte nun ein nicht sehr günstiger Westwind, der uns durch seine Fortdauer zwang, immer mehr südlich zu steuern, so daß wir uns am 5. März im 60. Grad als der südlichsten Breite, die wir auf dieser Reise erreichten, befanden.

Die folgende Woche war angenehm, und bis zum 24. März fiel nichts besonders Merkwürdiges vor. An diesem Tag aber erhob sich ein sehr starker Nordnordwestwind, der bis Ende März anhielt und uns heute während eines anhaltenden dicken Nebels zu unserm größten Leidwesen von der »Newa«, unserer bisherigen treuen Gefährtin, trennte.

Am 1. April legte sich der Wind, und an den folgenden Tagen wechselten heiteres Wetter, Regenschauer und Windstillen miteinander ab. Das Thermometer stieg von 13° bis 15°. Am 17. durchschnitten wir den Wendekreis des Steinbocks und fanden bei einer bisher so beschwerlichen Seefahrt die beständigere warme Witterung sehr behaglich und zuträglich. Nach wenigen Tagen stellten sich die Passatwinde ein, und bei heiterem und schönem Wetter und einer Wärme von 18 bis 23° hatten wir uns den Marquesas-Inseln genähert.

Am 6. bei Tagesanbruch hatten wir das Vergnügen, Fetugu oder die von Cook entdeckte Hood's Island zu erblicken. Sie gleicht einem steilen, aus dem Meere sich erhebenden Felsen und scheint, wenigstens auf der Nordseite, ganz kahl, öde und unfruchtbar zu sein. Abends um 5 Uhr erblickten wir den erwünschten Erfrischungsort, die Insel Nukahiwa.

Das vor uns liegende Land war von mittelmäßiger Höhe. Steile und plötzlich abgerissene Felsenmassen wechselten mit bald spitz hervorragenden, bald schräg aufstehenden, kahlen Steinmassen, die ganz unregelmäßig und gleichsam wie von ungefähr dahingeworfen erschienen. Wir glaubten uns wieder nach Teneriffa versetzt; dem äußeren Ansehen nach war sie gleichsam wie verbrannt, und der erste Hinblick verriet ähnlichen Ursprung mit allen übrigen, sogenannten vulkanischen Inseln. Nur hin und wieder sah man einen Busch oder einen Strauch, der den Gipfel der dunklen Felsenpyramide zierte, oder einen Baum, der sich an einen kaum mit etwas Erde bedeckten, fast schwarzen Felsen klammerte. Die wenigen sanft anlaufenden Hügel waren mit einem reizenden Grasteppich überzogen. So einladend auch anfänglich diese Landschaft erschien, so ermüdete sie doch bald das Auge durch das ewige Einerlei, da sie weder von Menschen noch durch irgendeine am Abhang des Berges weidende Herde belebt wurde.

Kapitän von Krusenstern ließ zwei Schaluppen aussetzen, um die nahe, tote Küste und den Hafen auszukundschaften. Indessen bemerkten wir einige Insulaner, die am felsigen Ufer fischten und uns, so viel wir unterscheiden konnten, ganz gleichgültig angafften, als wir vorübersegelten. Kurze Zeit nachher sahen wir endlich zu unserer großen Freude ein Kanu mit einer weißen Flagge herannahen, das mit acht nackten Personen besetzt war, welche gerade auf die von uns ausgesetzten Schaluppen zuruderten; wir suchten sie in einiger Entfernung zu beobachten und freuten uns unendlich, als wir einen dieser Wilden ganz ohne Schüchternheit aus dem Kanu in die Schaluppe springen sahen und diese hierauf sogleich nach unserm Schiff zurückkehrte. Manche Mutmaßungen wurden geäußert, aber wir waren nicht wenig erstaunt, als wir auf einmal statt eines Südsee-Insulaners einen Europäer, ganz nach hiesiger Landessitte entkleidet und außer einer schmalen Hüftsbinde entblößt, auf unserem Verdeck erblickten. – Ein englischer Matrose, der sich Roberts nannte und der, Gott weiß, bei welcher Gelegenheit und durch welchen Zufall hierhergekommen war, stand vor uns und versicherte, indem er so ziemlich gut englisch sprach, diese Insel schon seit mehreren Jahren bewohnt zu haben. Der Farbe nach war er wenig oder gar nicht von den übrigen Insulanern verschieden. So großen Einfluß hatte das Klima auf seine Haut. Verschiedene Empfehlungsschreiben von andern hier gewesenen Schiffskapitänen, denen dieser Mensch treue und hilfreiche Dienste erwiesen hatte, die er nun vorzeigte, mußten uns natürlicherweise ein größeres Zutrauen einflößen als sein verwilderter Aufzug, und wir freuten uns nicht wenig, ganz unerwartet auf einmal einen europäischen Lotsen an Bord zu haben, der uns genaue Nachricht von allem, was die Insel und deren Bewohner betrifft, zu geben versprach.

Mit tausend und tausenderlei Fragen wurde er bestürmt, und jeder wünschte zuerst durch eine Antwort befriedigt zu werden. Als wir uns nach dem Chef oder Oberhaupt der Insel erkundigten, sagte er, hier herrsche ein König, und der Bruder desselben sei mit ihm in dem neben unserm Schiff wegrudernden Kanu gekommen; dies schien uns lächerlich, indes erlaubten wir sogleich Sr. Königlichen Hoheit, zu uns zu kommen. – Ein wohlgewachsener, über den ganzen Körper tatuierter Mann kletterte nun an Bord. Er war wie seine übrigen Begleiter ganz nackend, hatte kein besonderes Ansehen, kein besonderes Unterscheidungszeichen und war so blöde und schüchtern, daß es uns allen auffiel, bei einem so starken, muskulösen und robusten Manne eine so kindische Zaghaftigkeit und Furcht zu finden. – Anfänglich weigerte er sich, die ihm dargebotene Hand anzufassen, schmiegte sich aber wenige Augenblicke nachher an jeden, der ihm eine freundschaftliche Miene schenkte, fest an und hatte kaum Mut genug, einen Augenblick für sich allein zu bleiben.

Nachdem sich die seltenen Gäste auf unserm Schiff eine Zeitlang schüchtern umgesehen hatten und wieder nach ihrem Kanu wollten, so wurden sie mit einigen Nägeln, Messern, rotem Zeug und andern Gegenständen beschenkt, womit sie vergnügt über Bord sprangen und schwimmend ihrem Fahrzeug zueilten.

Unterdessen hatten wir mit unserm Lotsen unter mancherlei Fragen und Antworten den Hafen erreicht, in welchem wir gegen ein Uhr nachmittags in der Entfernung von etwa einer halben Seemeile vom Lande den Anker fallen ließen.

Noch schien alles an den nahen, meist sandigen Ufern tot. Es währte aber nicht lange, so versammelten sich eine Menge Menschen beiderlei Geschlechts an denselben. Die meisten Weiber konnte man in weiter Entfernung durch ein aus Papiermaulbeerbaum verfertigtem, größtenteils gelbem Zeuge, welches sie umgeworfen hatten, unterscheiden.

Nun kamen viele Insulaner von dem unserm Ankerplatz entgegengesetzten und etwa drei Seemeilen entfernten nordwestlichen Ufer herangeschwommen. Anfänglich konnten wir in großer Entfernung nur eine große Anzahl aus dem Wasser hervorragender und schwarz behaarten Körper gewahr werden, kurze Zeit nachher aber hatten wir das seltene Schauspiel, einige hundert nackte Männer, Weiber und Mädchen um unser Schiff schwimmen zu sehen, wovon die meisten Kokosnüsse, Bananen und Brotfrüchte zum Verkauf herbeibrachten.

Das Geschrei, Gelächter und Toben dieser immer frohsinnigen Menschen war unbeschreiblich und machte auf jeden einzelnen einen eigenen Eindruck. – Nur wenigen Insulanern, die der Engländer Roberts für die Vornehmern erklärte, wurde der Zugang zum Schiff erlaubt, die übrigen jubelten, indem sie, Sirenen gleich, um dasselbe schwammen. Der immerwährende Lärm war größer als bei dem zahlreichsten unserer Jahrmärkte, und kaum konnten wir bei Tische unser eignes Wort hören. Die jungen Mädchen und Weiber, die sich ebenso wie die Männer ganz nackt und in nicht geringer Anzahl versammelt hatten, waren außerordentlich laut und gesprächig und dabei, nach unsern europäischen Begriffen, unverschämt. Sie brachen bei jeder unserer Bewegungen oder Handlungen in ein lautes und frohes Lachen aus, und da wir auch nicht ein Wörtchen von den vielen schönen Sachen, die sie uns vorerzählten, verstanden, so machten sie sich sehr bald durch die unsittlichsten und unanständigsten Gebärden und Pantomimen, mit denen sie ihre Reize anboten, verständlich. Einige deuteten höhnisch auf ihre größern Gespielinnen und suchten sich selbst mehr Vorzug zu verschaffen, indem sie mit lauter Stimme Wahine iti-iti, d. h. kleines Mädchen, wiederholten und ihren Anträgen mit huka-huka mehr Nachdruck zu geben bemühten; andere zeigten ihre körperliche Geschicklichkeit, machten im Wasser Purzelbäume, legten sich und schwammen auf dem Rücken und waren außer sich vor Freuden, wenn sie bemerkten, daß eine oder die andere Posse die Aufmerksamkeit eines Zuschauers erregt hatte. Es ist beinahe keine unanständige Stellung zu denken, die sie uns nicht zum besten gegeben hätten. – Die mit ihnen herangeschwommenen Männer waren nicht im geringsten eifersüchtig; im Gegenteil, der Mann schien die Vorzüge seiner Frau, der Bruder die seiner Schwester, der Vater die seiner Tochter, der Liebhaber die seiner Geliebten anzupreisen.

Gegen Abend zogen sich die meisten Insulaner auf unser dringendes Verlangen nach dem Lande zurück, nachdem einige derselben wenigstens vier bis fünf Stunden lang unter beständigem Geschrei und Lärmen unsere Ohren in der Tat nicht wenig ermüdet hatten.

Die Weiber und Mädchen zeigten sich hier, wie beinahe allenthalben, halsstarriger oder doch weniger gehorsam als die Männer; vielleicht wußten sie auch, durch frühere Besuche der Europäer verwöhnt, daß diese ankommenden Fremdlinge und gutartigen Menschen doch am Ende keine abschlägige Antwort zu geben gewohnt sind. Genug, die Schönen der Insel bestanden so hartnäckig auf ihrem Gesuch, an Bord kommen zu dürfen, und waren so zudringlich und laut, daß man zuletzt, bloß um dem Lärm ein Ende zu machen, den zum Teil ganz kläglichen Bitten Gehör geben und wenigstens einigen derselben den Zugang auf das Schiff gestatten mußte.

Jetzt erschienen diese Grazien mit allen ihren Blößen; denn ob sie gleich niemals das Land verlassen, ohne wenigstens ein grünes Blättchen vorzubinden, so wurde doch diese nachlässige Bedeckung durch das lange Umherschwimmen und die vielfachen Gaukeleien bei den meisten vermißt.

So bereit auch diese Insulanerinnen mit Austeilung ihrer Gunstbezeugung sein mochten und so willig sie jedem Matrosen, der ihnen die Hände reichte, folgten, so herrschte doch eine Schamhaftigkeit unter ihnen; denn alle diejenigen, die ihre Blätter verloren hatten, waren nicht wenig besorgt, man möchte einen Teil ihrer sonst verborgenen Reize sehen, und um dieses zu vermeiden, gingen sie in kleinen Schritten, kaum einen Fuß vor den andern setzend, gekrümmt, mit eingezogenen und enge zusammengeschlossenen Knien und Schenkeln, indem sie mit der Hand das Blatt zu ersetzen suchten. Diejenigen hingegen, die noch ein Blättchen umhängen hatten, waren bei jeder ihrer Bewegungen beschäftigt, demselben wieder die rechte Stelle anzuweisen.

Wir wunderten uns nicht wenig, unter diesen Mädchen, die sich von freien Stücken zudrängten, einige zu bemerken, die kaum das achte oder neunte Jahr erreicht haben konnten, die bei dem noch lange nicht ausgebildeten Körper in jeder Rücksicht als Kinder zu betrachten waren und demungeachtet lustig und fröhlicher Dinge ihre jugendlichen Reize ebenso vergnügt zu Markte brachten als ihre älteren Gespielinnen. Bei ausdrücklicher Nachfrage und Erkundigung hierüber erfuhr ich von Roberts, daß diese vermeintlichen Kinder schon lange das nicht mehr hatten, was man bei ihnen vermuten sollte, ja, er versicherte mich, daß es den erwachsenen Mädchen zur Schande gereichen würde, wenn sie, von den Männern verachtet, keine Gunstbezeugung austeilen können, und daß ein unverheiratetes Mädchen desto mehr geschätzt wird, je mehr Liebhaber sie hat. Ein anderes Kind, das höchstens zehn bis elf Jahre alt sein konnte, war nach Aussage unseres Gewährsmannes die anerkannte Frau eines Insulaners.

Wir konnten nicht lange unsern philosophischen Betrachtungen nachhängen; denn bald verlor sich eine Sirene nach der andern mit den Matrosen Hand in Hand nachdem innern Raum des Schiffes, und die Göttin der Nacht deckte alles, was sich da mag zugetragen haben, mit ihrem dunklen Schleier.

So endete unter neuen, wunderbaren und nie erlebten Szenen der erste Tag unseres Hierseins. Am folgenden frühen Morgen hüpfte eine Schöne nach der andern über Bord und schwamm, mit Geschenken mancherlei Art, zum nahen Ufer. Anstatt journalmäßig die sich zugetragenen Begebenheiten zu erzählen, scheint es mir zweckmäßiger, das Resultat meiner während unseres Aufenthaltes in Nukahiwa gemachten Beobachtungen zusammenzufassen und auf diese Art einen allgemeinen Blick über diesen Archipel und dessen Bewohner nebst ihren Sitten und Gewohnheiten zu werfen. In dieser Absicht aber finde ich es für notwendig, folgende Bemerkungen vorauszuschicken.

Es ist schon aus dem Vorhergehenden bekannt, daß wir von einem Engländer namens Roberts in Empfang genommen wurden; dieser benachrichtigte uns sogleich, daß wir auch einen Franzosen auf der Insel vorfinden würden, den er aber in einem sehr schwarzen Lichte darzustellen suchte und den Kapitän von Krusenstern zugleich warnte, sich nicht mit diesem Menschen einzulassen. Hätte der Franzose das Glück gehabt, zuerst zu uns gekommen zu sein, so würde er uns sicherlich ebendasselbe von Roberts, seinem Erzfeinde, gesagt haben; dem sei, wie ihm wolle, ungeachtet dieser Engländer alle Gemeinschaft des Franzosen mit uns vereiteln wollte, so wußte es dieser doch so geschickt einzurichten, daß er sogleich nach unserer Ankunft in Gesellschaft des sogenannten Königs an das Schiff kam. Er nannte sich Jean Baptiste Cabri, von Bordeaux gebürtig. Auf die freundschaftliche Vorstellung unseres würdigen Kommandanten von Krusenstern, der sich auf alle Art bemühte, Ruhe, Frieden und Einigkeit zwischen beiden Parteien herzustellen, schienen sie sich auch wirklich miteinander zu versöhnen und reichten uns während unseres Aufenthalts gemeinschaftlich hilfreiche Hand.

Diese beiden Europäer lebten schon seit mehreren Jahren bald auf der einen, bald auf der andern Insel dieser Gruppe und hatten beide, besonders der Franzose, die Sprache derselben erlernt; sie konnten uns also auch als Dolmetscher die besten Nachrichten von diesen Inseln, den Sitten, Gebräuchen und Gewohnheiten ihrer Einwohner, so weit sie ihr Verstand umfaßte, mitteilen. Schade nur, daß wir eine so seltene Gelegenheit nur so wenig Tage benutzen konnten.

Die Marquesas-Inselgruppe wurde von Alvaro Mendaña de Neyra im Juli 1595 entdeckt; er benannte sie so zu Ehre des Marquis Mendoça de Cañete, der damals Vizekönig von Peru war und ihn mit vier Schiffen ausgeschickt hatte.

Die Insel (Nukahiwa) hat ungefähr fünfzehn deutsche Meilen im Umfang und besteht aus nackten, schroffen, größtenteils unzugänglichen Bergen, welche schmale, hin und wieder sehr fruchtbare und wasserreiche Täler zwischen sich bilden.

An der südlichen Küste findet man mehrere sichere Hafen, nämlich den Hafen und die Bai von Tayo-Hoae, Home und den neuen Hafen Hapoa.

Die bewohntesten Örter in der Nachbarschaft unseres Ankerplatzes sind die drei ersten ebengenannten Hafen und die daran grenzenden Täler, die zusammen etwa 3000 streitbare Männer enthalten sollen.

Aus diesen und andern einzelnen, unzuverlässigen Angaben ließe sich die Volksmenge von Nukahiwa bis auf 18 000 Menschen bestimmen; ich halte diese Anzahl aber nach den vielen Wohnplätzen, die wir haben kennenlernen und nach der wahrscheinlich noch größern Anzahl der uns unbekannten für zu gering.

Nach dem Zeugnis aller Seefahrer, welche die Freundschaftlichen und Sozietäts-Inseln besuchten, übertreffen die Bewohner der Marquesas- und Washington-Inselgruppen alle übrigen der Südsee an Wuchs, körperlicher Schönheit, Regelmäßigkeit der Gesichtszüge, Farbe usw.

Die Männer sind beinahe durchgehends stark, groß und wohlgebildet; man bemerkt keinen einzigen verkrüppelten oder ungestalteten Menschen, sondern meistens Schönheiten, deren Regelmäßigkeit unsere Bewunderung erregte. Manche hätte man füglich neben die Meisterstücke der alten Kunst stellen können, und sie würden gewiß nichts verloren haben. Der Bart ist glänzend, schwarz und gewöhnlich dünn, weil sie sich viele Haare ausrupfen. Ihr Haar ist gewöhnlich lang, lockigt, stark und schwarz, bei einigen wenigen aber heller.

Die Frauen sind im allgemeinen unverhältnismäßig kleiner als die Männer, aber von sehr proportioniertem Gliederbau. Einige gleichen in der Form und Physiognomie dem schön gebildeten, vornehmen Frauenzimmer von Tahiti.

Die Weiber haben einen wohlgebildeten Kopf, ein volles, mehr rundes als längliches Gesicht, große funkelnde Augen, blühende Gesichtsfarbe, sehr schöne Zähne, ausdrucksvolle, symmetrische Gesichtszüge und schwarzes, größtenteils lockigtes Haar. Bei mehreren aus der niedern Klasse, die sich täglich um das Schiff einfanden, war der Körper klein, ohne Haltung, der Unterleib unverhältnismäßig dick, der Gang schleppend. Mit den Vornehmern, die selten oder gar nicht an Bord kamen, war dies nicht der Fall. Sie haben eine gefälligere Form, schlanken Wuchs und viele Lebhaftigkeit, so daß man sie in dieser Hinsicht schön nennen darf. Höchstwahrscheinlich ist es, daß wir nur wenige der vielen schönen Weiber und meistens nur die liederlichen Dirnen der Insel zu Gesicht bekamen.

Die natürliche Farbe der Haut dieser Insulaner ist beinahe so weiß wie die der Europäer. Aber durch den Einfluß des Klimas und der Einwirkung der brennenden Sonnenstrahlen wird sie nach und nach bräunlich. Dies ist besonders bei Personen der niedrigsten Klasse der Fall, die kaum einen Schamgürtel zur Bedeckung haben und vermöge ihres Dienstes und der Arbeit beständig der Sonne ausgesetzt sind. Die Frauen der vornehmern Klasse sind ebenso für die Erhaltung der hellem Farbe ihrer Haut besorgt wie unsre Schönen; und um sie nicht zu verderben, leben sie eingezogen, setzen sich selten der Einwirkung der Sonnenstrahlen aus, sind mit Zeugen vom Bast des Maulbeerbaumes bedeckt und tragen, wenn sie ausgehen, einen grünen Baumzweig oder ein Bananenblatt statt eines Sonnenschirms; wodurch sie die natürliche Farbe der Haut so sehr erhalten, daß sie einer europäischen Brünette sehr ähnlich sind. Der Hang, gefallen zu wollen, hat hier schon unter den Damen einen so hohen Grad erreicht, daß sie ein Mittel erfunden haben, die von der Sonne verbrannte Haut in wenigen Tagen wieder weiß zu färben; sie bedienen sich desselben einige Zeit vor den großen Volksfesten und öffentlichen Spielen, um bei dieser Gelegenheit mehr Beifall und Bewunderung erregen zu können. In dieser Absicht reiben sie sich den ganzen Körper mit dem Saft der Blätter von verschiedenen Pflanzen, die sie Epapha, Hoko-kuh und Ohue nennen.

Eine andere Gewohnheit, sowohl der Männer als der Weiber, besteht in dem Einsalben des Körpers mit Kokosnußöl, welches sie für sehr wohlriechend halten und der Schönheit wegen mit verschiedenen gelbfärbenden Pflanzensäften vermischen. Diese gelbe Farbe erhöht nebst dem glänzenden Öl nach dem Geschmack mehrerer Insulaner besonders männlichen Geschlechts die körperliche Schönheit, macht die Haut sanft und geschmeidig und verhindert insbesondere starke Transpiration, welche in einem so heißen Klima sehr bald die Konstitution schwächen und ihr zum größten Nachteil gereichen würde; auch trägt es viel zur Erleichterung des Schwimmens bei.

Die Nukahiwer halten es ferner für anständig, einen völlig glatten, von allen Haaren entblößten Körper zu haben, und in dieser Absicht rupfen sie diese an und unter den Armen, auf der Brust, kurz allenthalben aus und schreiben die Unterlassung dieser Gewohnheit einer großen Nachlässigkeit zu. Der Chef oder älteste des Tals Katanuah blieb eines Tages voller Erstaunen vor einem unserer Herrn Seeoffiziere stehen und bedeutete ihm durch Zeichen, stille zu halten, hierauf spitzte er Finger und Nägel und wollte ihm ein Härchen aus der innern Nasenfläche ausreißen. An diesem Ort sind die Haare wahrscheinlich doppelt unanständig, weil man sich auf dieser Inselgruppe zum Beweis der Liebe und Freundschaft, anstatt zu küssen, die Nasen gegeneinander drückt.

 

Die merkwürdigste und interessanteste Art der Südseeinsulaner, den nackten Körper zu verschönern, besteht in der Punktierung oder dem Tatuieren. Diese Zierde so vieler Völker des Erdbodens verdient eine größere Aufmerksamkeit der Reisenden, als es bisher geschehen ist, und ich wundere mich, daß der Scharfblick eines Forsters diesen Gegenstand so gleichgültig übergangen hat, da es ohne Widerrede sehr auffallend ist, unter weit entfernten Nationen, die in keinem Berührungspunkt miteinander stehen oder unseres Wissens je gestanden haben, dennoch einen und denselben Gebrauch zu finden.

Die regelmäßigsten Zeichnungen und Verzierungen, womit der Körper der Männer in Nukahiwa vom Kopf bis zum Fuß bedeckt ist, ersetzen bei diesen Menschen gewissermaßen die Kleidung, die sie wegen des heißen Himmelstriches gänzlich entbehren können. Viele suchen sich hier ebensosehr durch eine symmetrische Tatuierung als bei uns durch ein reiches Kleid in Ansehen zu setzen; und obschon dieser Schmuck keine persönliche Auszeichnung bedeutet, so bedienen sich doch besonders nur die Vornehmern desselben, indem diese allein ihn zu bezahlen imstande sind.

Das Geschäft der Tatuierung ist einigen Personen überlassen, deren einziger Erwerbszweig in Ausübung dieser Kunst besteht, und ich vermute, daß derjenige, der am meisten Geschmack zeigt und der die größte Geschicklichkeit in der Ausführung besitzt, auch am meisten zu tun hat, etwa so wie bei uns ein guter Schneider; nur mit dem Unterschied, daß die Wahl nicht so gleichgültig geschehen kann; denn wenn das Kleid der Punktierung ein einziges Mal verdorben ist, muß der Schaden lebenslang getragen werden.

Um das Tatuieren zu bewerkstelligen, bedient man sich der Flügelknochen von Tropikvögeln, die an einem Ende kammartig ausgezackt und zugespitzt werden und bald halbmondförmige, bald geradlinige, breite oder schmale Werkzeuge oder Tatuierspitzen darbieten, je nachdem sie der Künstler zu Erreichung seiner Absicht nötig erachtet.

Sobald der Nukahiwer in die Jünglingsjahre tritt, so wird der Anfang mit dem Tatuieren gemacht, und dies ist eines der wichtigsten Ereignisse seines Lebens. Der Künstler, der dieses verrichtet, erhält sowohl vorher als nachher mehrere Schweine zur Belohnung. Die Anzahl derselben richtet sich nach dem Reichtum der einzelnen Personen. Während unseres Aufenthaltes auf dieser Insel wurde der Sohn des Chefs Katanuah tatuiert. Er ward in dieser Absicht als das Kind eines Vornehmen des Landes in einem besondern Hause auf mehrere Wochen, so lange die Tatuierung dauerte, abgesondert und war tabu; d.h. er durfte nicht ausgehen und auch von niemand außer den Personen, die von dem Tabu ausgeschlossen sind, wozu z.B. der Vater gehört, besucht werden. Allen Weibern, auch sogar der Mutter, ist der Zugang zum Kandidaten verweigert. Die besten Lebensmittel, welche die zu tatuierende Person und der Tatuierungsmeister während der Zeit der Punktierung bedürfen, müssen vorher herbeigeschafft und dem letztern, solange er beschäftigt ist, täglich im Überfluß gereicht werden. Dieser legt im ersten Jahr nur den Grund zu den Hauptfiguren an Brust, Armen, Rücken und Schenkeln, und zwar so, daß er, solange der Schorf der ersten Figur noch nicht abgetrocknet oder abgefallen ist, die folgende nicht anfängt. Jede einzelne Zeichnung erfordert auf diese Weise drei bis vier Tage, und die erste Sitzung dauert gewöhnlich drei oder vier Wochen.

Während der Zeit der ersten Operation oder des auferlegten Tabus darf der Knabe nicht viel trinken, indem man dadurch einer stärkern Entzündung vorzubeugen glaubt; auch nicht des Morgens früh, sondern bloß mittags und abends essen. Ist einmal der Anfang gemacht, so werden in der Folge alle drei oder sechs Monate und zuweilen in noch größern Zwischenräumen Nebenfiguren und Verschönerungen der Hauptzeichnungen hinzugefügt, so daß wohl 30 und 40 Jahre verstreichen können, ehe der Körper ganz tatuiert ist. Wir sahen einige bejahrte Männer vornehmen Standes, die so sehr über und über punktiert waren, daß man kaum mehr die Zeichnung der Figuren unterscheiden konnte, wodurch der Körper ein ganz negerartiges Ansehen erhielt. Dieses ist nach hiesigen Begriffen ein hoher Grad von Vollkommenheit des Körperschmucks, wahrscheinlich, weil er kostbar ist und die Ausgaben der vielen Schweine, die unmittelbar mit demselben verbunden sind, einen wohlhabenden Mann verraten. Sonderbar genug, daß die reichen Männer ihre Schönheit in ein negerartiges Ansehen, die Weiber hingegen in die Erhaltung ihrer natürlichen weißen Farbe setzen!

Die Punktierung der minder bemittelten Personen geschieht in gemeinschaftlichen, besonders dazu eingerichteten Tabuhäusern, die den Tatuiermeistern zugehören und gleichsam als Pensionsanstalten oder als Tatuierwerkstätten anzusehen sind. In einer jeden solchen Wohnung, deren ein Tatuierer, welcher uns öfters an Bord besuchte, drei besaß, können acht bis zehn Personen auf einmal aufgenommen werden, die dann verhältnismäßig für das ihnen anzupunktierende Kleid, je nachdem die Figur mehr oder minder mühsam oder künstlich ist, bezahlen müssen.

Die ärmeren Insulaner, die eben nicht viele Schweine zu schlachten haben und wohl meistens nur mit der Brotfrucht vorlieb nehmen müssen, lassen sich von den Anfängern und Laien in der Tatuierkunst punktieren, deren Arbeit eben keine besondere Aufmerksamkeit verdient und deren Probestückchen auch selbst von einem Fremden sehr bald erkannt werden.

Die allerniedrigste und ärmste Klasse, mehrenteils Fischer, deren wir aber nur sehr wenige zu sehen bekamen, können nicht so viel aufbringen, um ein solches Kleid, wenn auch von den Lehrburschen gemacht, zu bezahlen, sie sind daher gar nicht tatuiert.

Nach Versicherung unserer Dolmetscher besteht weder in der Punktierung im allgemeinen noch auch in der Zeichnung der einzelnen Figuren ein Vorrecht oder eine Auszeichnung. Wer den Tatuiermeister gut belohnt, erhält einen der Bezahlung entsprechenden Hautschmuck. Die Weiber sind in Nukahiwa nur wenig tatuiert und unterscheiden sich dadurch von allen Bewohnerinnen der Südsee. Die Punktierung der Weiber geschieht nicht wie die der Knaben und Männer in einem Tabuhause, sondern ohne alle Zeremonie in ihrem eigenen, im Beisein ihrer Anverwandten oder wo es ihnen gefällig ist.

Zuweilen veranstaltet ein reicher Insulaner aus Großmut, Ehrgeiz oder Liebe zu Ehren seiner Frau ein Gastmahl, welches im Schlachten eines Schweines besteht; er läßt derselben bei dieser Gelegenheit ein Armband, Ohrläppchen oder sonst ein beliebiges Zeichen tatuieren und macht seinen eingeladenen Freunden und Freundinnen die Ursache des Schmauses bekannt, welche dann nach einiger Zeit diese Höflichkeit ebenso erwidern, indem sie nämlich ihrer Geliebten dieselbe Figur von der Frau ihres Freundes punktieren lassen. Dies ist eine von den wenigen Gelegenheiten, bei welchen Weiber Schweinefleisch zu essen bekommen.

Wenn in einem sehr trocknen Jahr Hungersnot eintritt und Brotfrüchte, Schweine, Wurzeln und andere Lebensmittel selten sind, so teilt derjenige, der noch den größten Vorrat davon hat, welches gewöhnlich das Oberhaupt ist, seinen hungrigen Brüdern etwas davon mit und gibt alsdann eine Zeitlang einer bestimmten Anzahl armer Schlucker offene Tafel, bei welcher alle Anwesende ein bestimmtes Zeichen dieser Schmausgesellschaft tatuiert bekommen. Kraft eines Tabus sind in der Folge alle diese Ordensbrüder verbunden, jeden ihrer Mitgenossen mit Nahrungsmitteln zu unterstützen, wenn sie anders bei einer zukünftigen Hungersnot imstande sein sollten, Gleiches mit Gleichem vergelten zu können – eine der vernünftigsten Maurerlogen auf dem Erdenrunde.

Unser Dolmetscher Cabri, der beinahe am ganzen Körper schlecht und unregelmäßig (von einem Pfuscher) tatuiert war, hatte bei einer ähnlichen Gelegenheit sein schwarzblaues (tatuiertes) Auge erhalten, und Roberts, bei dem man nur allein ein kleines Viereck, etwa sechs Zoll lang und vier Zoll breit, auf der Brust punktiert sah, versicherte, daß er sich niemals zu der Zierde dieses Brustschildes würde verstanden haben, wenn ihn nicht die im vorigen Jahr hier herrschende Hungersnot gezwungen hätte, sich unter die Zahl der 26 Tischgenossen aufnehmen zu lassen, die Katanuah (das Oberhaupt des Tals Tiohai) damals ernährte und ihnen das Leben fristete.

Eine und dieselbe Person kann Mitglied verschiedener dergleichen Gesellschaften sein; von allen Gerichten aber muß dem sogenannten Priester oder Hexenmeister (Taua) eine Portion geschickt werden, wenn er selbst nicht Teilnehmer an denselben sein sollte; auch bei Tanzfesten entstehen ähnliche Schmausgesellschaften.

Zur Zeit einer Hungersnot vereinigen sich auch zuweilen mehrere auf einerlei Weise tatuierte Menschen und teilen untereinander alles, was sie haben, rauben oder töten und bilden also wahre Räuberbanden.

 

Die Kleidung dieser Insulaner besteht, wie ich schon oben erwähnt habe, in einem Schamgürtel, der bei Männern Tschiabu, bei den Frauen teweu oder teuwei genannt wird. Die Weiber hüllen sich gewöhnlich in ein großes Stück Zeug, das von dem Baste des Papiermaulbeerbaumes verfertigt ist. Dies geschieht wohl weniger aus Schamhaftigkeit als vielmehr, um nicht von der Sonne verbrannt zu werden. Bei unserm Tauschhandel am Lande hätte gern manche ihre Hülle gegen ein Stückchen Eisen oder gegen ein Messer veräußert, wenn sie nicht zu weit von ihrer Wohnung entfernt gewesen wäre und befürchtet hätte, durch die brennenden Strahlen der Sonne die Schönheit der weißern Haut zu verlieren.

Nur bei wenigen Männern sah man Zeuge oder Matten, von Bast geflochten, die auf der Brust oder unter dem Kinn zusammengebunden waren und den Rücken sehr nachlässig schützten.

Die Hauptnahrung dieser Menschen wird aus dem Pflanzenreich genommen und besteht in den schon oben angezeigten Naturprodukten; nämlich der Brotfrucht, den Kokosnüssen, Bananen usw.

Die Brotfrucht hat ungefähr die Größe und Figur einer Kokosnuß oder einer Melone und wächst an einem hohen, dickstämmigen, schattenreichen Baum, dessen Blätter denen eines Eichbaums ähneln, nur mit dem Unterschied, daß sie weit größer sind und 1 bis 1½ Fuß im Längendurchmesser haben. Diese Frucht kann ebenso wie Kartoffeln nicht roh, sondern nur gekocht, geröstet oder gebraten genossen werden. Der Geschmack derselben ist, je nachdem sie auf eine oder die andere Art zubereitet wird, verschieden und läßt sich im allgemeinen mit dem der Bananen vergleichen, doch ist er weniger süß und nicht so fettig und speckig, so daß derselbe am meisten mit dem Geschmack des aus dem feinsten Mehl, mit Butter, Eiern, Milch und Zucker bereiteten Semmel- oder Weißbrotes übereinstimmt. Die Substanz dieser Frucht ist lockerer und mehliger als die der Bananen.

Die gewöhnlichste Art, sie zu braten, geschieht, indem man ein in die Erde gemachtes Loch mit glatten breiten Steinen auslegt und in diesem ein lebhaftes Feuer anmacht. Sobald die Steine wohlerhitzt sind, so wird die Grube von Kohlen und Asche gereinigt, mit Bambusstäben und Blättern ausgelegt und die in Bananenblätter eingewickelte Brotfrucht mit Bambusrohr, heißen Steinen und Erde bedeckt und dies Gericht so lange in der Erde gelassen, als man es nötig erachtet. Die auf diese Art in einer bedeckten Grube zart gebratene und nachher mit einer aus geschabten Kokosnüssen gepreßten Milch bereitete Brotfrucht heißt Waikai; sie ist sehr beliebt und schmackhaft. Das Oberhaupt des Tals Tiohai brachte uns einmal dies Gericht als Geschenk zur Probe der hiesigen Kochkunst, und wir fanden es alle sehr wohlschmeckend.

Wenn die Brotfrucht am Feuer geröstet, die äußere Schale abgeschabt und dann mit etwas Wasser oder bei Vornehmern mit geschabten Kokosnüssen und der daraus gepreßten Milch vermischt wird, so nennt man dieses wohlschmeckende Gericht Kakuh.

Die reife Brotfrucht läßt sich frisch nur wenige Tage aufbewahren, daher wird sie zur Zeit eines großen Überflusses in kleine Stückchen geschnitten und in Gruben von etwa acht Fuß Länge, vier Fuß Breite und fünf bis sechs Fuß Tiefe, die mit breiten Steinen ausgelegt sind, geworfen. Hier geht sie alsdann bald in Gärung über, und es entsteht ein wahrer Sauerteig, der sich monatelang hält. Die Einwohner nennen dies Nahrungsmittel Popoi und tragen es in zusammengerollten Klumpen als die gewöhnlichste aller Speisen allenthalben mit sich. Wenn dieser Sauerteig (Popoi) mit Wasser vermischt wird, so erhält man ein Getränk, welches vollkommen den Geschmack einer guten fetten Buttermilch hat und sehr kühlend und erfrischend ist. Von der besondern Bereitungsart anderer Gerichte, die in verschiedenen Verhältnissen aus einer Mischung von Taro- und Yamwurzeln, von Bananen, Kokosnüssen und andern Früchten bestehen, habe ich keine genaue Nachricht erhalten können.

Die animalische Nahrung dieser Insulaner besteht in Schweinefleisch, Fischen und Hühnern; die beiden letzten kommen kaum in Anschlag; die Schweine hingegen spielen in ökonomischer und politischer Rücksicht eine Hauptrolle. Es wird kein Kind geboren, keine Heirat vollzogen, kein Begräbnis gefeiert, kein Vornehmer tatuiert, kein Tanz, Fest oder sonstige Zeremonie angestellt, ohne daß nicht mehr oder weniger Schweine geschlachtet würden; man ißt sie, in heißen Steingruben gebraten, gewöhnlich ohne Salz, indem die Insulaner an dessen Gebrauch nicht gewöhnt sind und dasselbe höchstens zuweilen durch Seewasser ersetzen. Fische und Krebse sind nicht sehr geschätzt, und die Hühner und besonders die Hähne werden mehr der Federn als der Nahrung wegen unterhalten.

Zur Zeit einer Hungersnot nehmen sie mit allem vorlieb und bequemen sich, Ratten, Seequallen (Medusa) und manche zu anderer Zeit nicht gewöhnliche Nahrungsmittel zu genießen.

Den Gebrauch des auf den übrigen Südsee-Inseln gewöhnlichen und berauschenden Kawatrankes aus der Pfefferwurzel haben wir nicht bemerkt, obgleich die Pflanze und das Getränk, welches man daraus bereitet, bei den Bewohnern bekannt ist. Wahrscheinlich trägt die Enthaltung von diesem ungesunden Getränke vieles zur Schönheit der hiesigen Menschengattung bei.

Die Wohnungen der Nukahiwer sind an Größe verschieden, und sie gleichen von außen einem europäischen Häuschen von einem Stockwerk, das keine Fenster hat und der Länge nach in der Mitte durchschnitten ist und dessen Höhe der hintern Wand die der vordern bei weitem übersteigt, indem letztere nur drei bis vier, erstere hingegen über 10 bis 12 Fuß beträgt. Die Länge eines solchen Hauses ist etwa 25, die Breite 6 bis 8 Fuß, und es ist durch vier fest in die Erde eingerammelte starke Pfosten befestigt, über welchen Horizontalstangen liegen. Die Seitenwände bestehen aus dünnen Bambusstäben von gleicher Dicke, die in der Entfernung von etwa ½ Zoll in perpendikulärer Richtung zum Teil recht niedlich aneinandergereiht und inwendig mit Blättern der Kokospalme und einigen Farnkräutern behängt sind, um den Luftzug zu verhindern. Das Dach ist mit mehreren Lagen von Blättern des Brotbaumes bedeckt, wodurch die Einwohner bei den stärksten Regengüssen geschützt werden.

Die guten Wohnungen sind auf einer aus großen viereckigen und abgerundeten Steinen gemachten Plattform oder Erhöhung erbaut, die zuweilen auch noch mehrere Fuß breit vor dem Hause hervorsteht, wodurch unstreitig die Wohnung trockener und die Aussicht freier wird. Man muß bei dieser Grundlage auch noch die Geschicklichkeit bewundern, mit welcher die Einwohner beträchtlich große Steine, die kaum von zehn bis zwölf Menschen getragen oder gewälzt werden können, so künstlich und schön ohne Kalk oder Mörtel aneinanderzufügen wissen, daß sie wahre römische Mauern aufführen, die einem europäischen Baumeister Ehre machen würden.

Bei Errichtung eines neuen Hauses reicht wechselweise ein Nachbar dem andern hilfreiche Hand. Oft baut man zum Zeitvertreib, und wohlhabende Personen besitzen in mehreren Teilen ihres Tales dergleichen Wohnungen oder vielmehr Hütten, die in wenig Tagen aufgeschlagen werden können.

Die Erbauung der größern Wohnungen, worin eine zahlreiche Familie gemeinschaftlich leben kann, wird von den Männern sowohl als von den Weibern besorgt; wenn aber die Männer ganz allein, ohne Beihilfe der Frauen, die zur Grundlage eines Hauses notwendigen Steine herbeischaffen, so wird eben dadurch die darauf gebaute Wohnung in der Folge für die Weiber tabu, d. h. diese dürfen es nie wagen, sie zu betreten. – Jeder wohlhabende Insulaner hat wenigstens eine solche Tabuhütte, die gewöhnlich vom Wohnhause etwas abgesondert ist. Er richtet sie ganz nach seiner Bequemlichkeit und besonders zu seinem Speisesaal ein, damit er hier allein, ohne Beisein seiner Frau, in desto ungestörterer Ruhe die Schweine verzehren kann, von denen die Weiber nur selten und aus Gefälligkeit und Großmut des Mannes ein Stückchen erhalten. Ein solches Tabuhaus heißt Popoi tabu.

Jede neuerbaute Wohnung muß von einem Taua, einem Priester, Zauberer, Hexenmeister oder wie man diese Leute nennen will, eingeweiht werden; dieser hält eine Rede und spricht alsdann in einer jedem Eingebornen unverständlichen Sprache. Man muß ihn mit Schweinen und andern guten Gerichten bewirten, wofür er viele sonderbare Zeremonien macht und die erste Nacht in dem neuen Hause schläft, wodurch dasselbe gegen alle bösen Geister, die sich in der Folge einfinden könnten, geschützt wird.

Bei besondern Gewohnheiten des häuslichen Lebens werden auch für die Weiber eigene Häuser bestimmt, so z. B. wird das junge Mädchen, bei dem sich die Zeichen des reiferen Alters einstellen, und die Frau zur Zeit ihrer Niederkunft in entlegenen und bloß in dieser Absicht erbauten Hütten abgesondert.

Im Innern der Häuser sieht es sauber aus, indem die Bewohner derselben durch Tabus oder Gesetze zur Beobachtung einer großen Reinlichkeit verbunden sind. Ein Balken teilt der Länge nach den Boden des innern Raumes in zwei ungleiche Teile; auf dem vordern schmalen sieht man die bloßen Steine, auf der hintern Abteilung liegt weiches Gras, welches mit Strohmatten bedeckt ist und den Bewohnern ohne Unterschied des Geschlechtes zur Schlafstelle dient. Die Wände sind mit Gerätschaften behangen, z.B. große und kleine Kalebassenkürbisse, Kokosnußschalen, Fischernetze, Lanzen, Schleudern, Stelzen, Streitäxte, Beile, verschiedene Zierate, Trommeln usw.

 

Von der gesellschaftlichen Einrichtung, den Kriegen, der Religion, dem Charakter und der Denkungsart dieser Insulaner war es so schwer, sich während unseres Aufenthalts von wenig Tagen einen richtigen Begriff zu verschaffen, daß ich es kaum wagen darf, etwas Bestimmtes darüber zu sagen. – Die Kenntnisse und Beurteilungskraft unserer Dolmetscher waren auch so beschränkt, daß sie sich gewöhnlich, sobald man etwas im Allgemeinen festsetzen wollte, in ihren Reden widersprachen.

Eine Regierungsform bemerkten wir eigentlich gar nicht. Roberts, der wohl als Engländer immer einen König im Sinne hatte, belegte den angesehensten Mann im Tale Tiohai namens Katanuah mit diesem Titel; indessen schien sich derselbe nicht einmal die Gewalt eines Oberhauptes, geschweige die eines Regenten anzumaßen. Er stammt wahrscheinlich von einer der ältesten Familien und hat vielleicht als angesehener Hausvater die weitläufigste Verwandtschaft und die größten Besitzungen; politisch aber übt er keine Obermacht aus. Durch äußerliche Ehrenzeichen oder Kleidung unterscheidet er sich auch nicht im geringsten von seinen Mitbürgern, außer daß er etwas mehr tatuiert war, welches er aber mit vielen andern reichen Personen gemein hatte. Sein Körper war gut genährt und unbehilflich, so daß er sich wohl nicht als Anführer oder bei Streitigkeiten, wo die Behendigkeit den Meister spielt, vorteilhaft würde hervorgetan haben. Seine Machtsprüche oder seine Befehle wurden verlacht, und er hatte so wenig Einfluß auf die Einwohner, daß er auf Bitten des Kapitän von Krusenstern nicht einmal die Menge des Volkes von unserm Wasserplatz abhalten oder ein Tabu auf denselben legen konnte. Zuweilen kam er mit andern Insulanern in einem Kanu, und zu anderer Zeit schwamm er mit seinen Landsleuten an Bord, ohne daß man irgendeinen Unterschied oder Achtung vor seiner Würde, die er durch seine Gegenwart einflößte, bemerken kann. Jeder Distrikt und jedes Tal der Insel hat nach Aussage unserer Dolmetscher einen König; so daß demnach wohl auf diesem Eiland, das kaum 16 deutsche Meilen Umfang hat, an zehn bis fünfzehn und mehrere anzutreffen sind, die aber, wie wir gesehen, weniger Gewalt über ihre Untertanen haben als bei uns der Schultheiß über seine Bauern. Ich möchte daher wohl behaupten, daß Roberts und Cabri den Katanuah zum Könige gemacht und daß weder er noch die übrigen Ältesten, weder die Reichen noch die Armen irgendeinen Begriff von politischer Obergewalt, von Regierung oder Regierungsverfassung haben.

Dieses Oberhaupt, der sogenannte König eines Tals, ist im Besitz und wahrscheinlich der Erbe vieler Brotfruchtbäume, Kokos- und Bananenwälder und als solcher imstande, viele Menschen zu nähren, die sich in dieser Absicht unter seinen Schutz begeben, doch so, daß jeder sein eigener Richter ist und die Handlungen aller Insulaner nach dem Tabu bestimmt werden.

Wenn einer den andern totschlägt, welches wahrscheinlich bei Menschen von den heftigsten Leidenschaften nicht selten vorfällt, so vereinigt sich die Familie des Erschlagenen gegen den Mörder; es entsteht ein öffentlicher Kampf, und die Beleidigten hören gewöhnlich nicht eher auf, als bis entweder der Mörder oder eine Person aus dessen Familie getötet ist; sobald aber ein Mann oder eine Frau, ein Knabe oder Mädchen erschlagen wird, so hat alle Feindschaft ein Ende, und die beste Harmonie zwischen beiden Parteien findet wieder statt. Während eines solchen Familienstreites sollen zuweilen sehr viele Zuschauer aus den benachbarten Häusern gegenwärtig sein, ohne daß sich irgend jemand ins Mittel legte, um Freundschaft und Versöhnung bewerkstelligen zu wollen.

Jeder Insulaner richtet sich in seinem Lebenswandel nach den Vorurteilen und Gebräuchen, und seine Leidenschaften werden durch eingewurzelten Aberglauben, durch Furcht vor unsichtbaren Geistern und Gespenstern (welches alles das Wort Tabu in sich begreift) im Zaum gehalten. Hieraus entspringen ihre Gesetze und das, was man bei ihnen Religion nennen könnte.

Durch die Kenntnis aller Tabugesetze würde man sich vieles in Absicht der Verfassung, Lebensart, Sitten und Gebräuche erklären können, und wären Roberts und Gabri gebildetere Leute gewesen, so würden wir wahrscheinlich wichtigere Beiträge hierzu haben sammeln können; statt dessen aber muß ich mich nur auf einige wenige Bemerkungen beschränken, welche ich zufällig machte.

Die Person der Priester oder Taua und alle ihre Habseligkeiten sind tabu, d.h. sie sind wie heilig zu betrachten und dürfen von niemand als dem Besitzer getragen oder angefaßt werden.

Im Anfang war es uns unbegreiflich, warum einige Insulaner, die sich übrigens nicht im geringsten von andern unterschieden, ihren Kopfschmuck oder sonstige gewöhnliche Gerätschaften gegen bedeutende Geschenke nicht veräußern wollten, bis wir durch dieses Wort Tabu Aufschluß erhielten.

Die Person der Vornehmen und Reichen ist tabu, d. h. ohne die unsichtbaren Geister zu beleidigen und ihren Haß zu erregen, darf man keine persönliche Gewalt an ihnen ausüben.

Jeder einzelne, wäre er auch der niedrigste des Tals, der im Krieg einen oder den ersten Feind erlegt, wird durch diese seine Heldentat auf zehn Tage tabu oder, mit andern Worten, er darf während dieser Zeit keinen Umgang mit seiner Frau haben. Man bringt ihm Schweine zum Geschenk, und er wird wie ein Vornehmer bedient; auch das Feuer ist in dieser Zeit für ihn tabu; folglich muß ihm ein anderer das Feuer anmachen und für ihn kochen. Vielleicht will man ihn und andere durch eine solche besondere ehrenvolle Aufmerksamkeit zu fernern Heldentaten aufmuntern.

Das Morai oder der Begräbnisplatz ist für das weibliche Geschlecht tabu; daher darf keine Frau diesen Ort besuchen und ist, wenn sie in die Nachbarschaft desselben kommt, gezwungen, ein großes Stück Zeug umzuhängen oder, wenn sie nackt ist, einen weiten Umweg zu machen.

Die Frau des Oberhauptes ist für dessen Freunde und für alle, die dessen Namen tragen, tabu, d.h. die Freunde und Namensbrüder dürfen sich keine besonderen Freiheiten gegen dessen Frau erlauben.

Der Kopf eines jeden Insulaners ist tabu, man darf also nicht über den Kopf eines Schlafenden wegschreiten, auch selbst der Vater nicht über den seines Sohnes; man darf nicht einmal die Hand auf den Kopf eines andern legen.

Wir wollten bei unserer Ankunft einigen schönen Männern über den Kopf streicheln, worüber sie in Angst und Verlegenheit gerieten und uns mit diesem Tabu bekannt machten. – Diesem Gesetz scheint Sorge für persönliche Sicherheit zum Grunde zu liegen, man darf also niemand im Schlaf überfallen oder auch nur beim Kopf fassen.

Jedes Kind erhält sogleich nach der Geburt von seinen Eltern wenigstens einen Brotbaum, und dieser ist tabu, selbst für Vater und Mutter. Sind die Eltern so arm, daß sie keinen Brotbaum entbehren können, so wird sogleich einer für das Kind gepflanzt und folglich auf diese Art für die Nahrung desselben gesorgt, indem ein oder zwei Brotbäume hinreichend sind, eine Person das ganze Jahr durch ausreichend zu nähren.

Die großen Kalebassen, die zu Trink- und Wassergefäßen dienen, sind für jede einzelne Person beiderlei Geschlechts tabu. Die Weiber dürfen die der Männer niemals anrühren, nicht einmal im Hause aufhängen; hieraus erhellt offenbar Eigentumsrecht.

Wird jemandem etwas gestohlen, z. B. ein Schwein, und hat der Bestohlene Mutmaßung gegen den Täter, so legt er aus Rachsucht ein Tabu auf die Schweine oder Besitzungen des Diebes. Er gibt dessen Schweinen oder Bäumen seinen eigenen oder eines andern Menschen Namen, hierdurch werden diese Habseligkeiten nach den Begriffen dieser Insulaner begeistert oder behext; denn sie glauben, der Geist eines Verstorbenen oder Lebendigen (natetu) sei darin, und dies Verfahren ist zuweilen hinreichend, den Dieb zu zwingen, seine Besitzungen zu verlassen und sich woanders anzusiedeln. Die Schweine, welche nateta, d. h. begeistert sind, dürfen nicht geschlachtet werden.

Jeder Einwohner sowohl männlichen als weiblichen Geschlechts kann die schönsten seiner Bäume begeistern und tabu machen, dies sichert sein Eigentum.

Die Hüftbinde eines jeden ist tabu, d. h. sie darf zu keinem andern Gebrauch angewendet oder im Haus neben andern Gerätschaften aufgehängt werden, sondern muß in einer Ecke auf einem Stocke hängen oder auf der Erde liegen. – Es wird dadurch Reinlichkeit bezweckt.

Die Wohnung ist tabu für das Wasser, oder das Wasser ist tabu für die Wohnung, man darf sich daher nicht in der Hütte waschen oder irgendeinen Tropfen Wasser auf die Steine oder Matten gießen; bei Befolgung dieser Sitte ist das Haus immer trocken und reinlich.

Die geschicktesten Stelzenläufer, welche sich bei öffentlichen Tanzfesten sehen lassen, sind drei Tage vor denselben tabu; sie gehen folglich nicht aus, pflegen sich gut und haben keine Gemeinschaft mit ihren Weibern; wahrscheinlich, um mehr Kräfte zu sammeln.

Derjenige Teil des Tanzplatzes, welcher von der Musik, nämlich von zehn und mehr Trommeln und vielen Sängern und Schreiern besetzt wird, ist für die Weiber tabu, weil diese muntern und unruhigen Geschöpfe durch ihre Lebhaftigkeit die Musiker leicht stören könnten.

Das Feuer des Mannes ist für die Frau tabu, d. h. diese darf mit dem Feuer, das der Mann angemacht hat, nicht kochen, auch nichts von den Speisen essen, welche dadurch bereitet sind; der Mann hingegen kann nach Belieben von allen Speisen der Frau essen.

Wenn ein Mann ein Gericht von Bananen und Kokosnüssen abends in die heiße Steingrube vergräbt, um es über Nacht zu braten, so ist er tabu und muß sich so lange von der Frau entfernen, sonst wird das Gericht nicht gar.

Wenn ein Schwein irgendwo quer über dem Fußsteig liegt und schläft, so ist es tabu, man darf nicht darüber wegschreiten oder es aufwecken; sondern muß um dasselbe herumgehen, wahrscheinlich damit die Ruhe dieses guten Tieres nicht gestört werde.

Schweinefleisch ist, wie schon gesagt, im allgemeinen für Weiber tabu, d.h. sie dürfen eigentlich keines essen; doch finden hier Ausnahmen statt.

Beinahe alle Fische sind zur Zeit, wenn die meisten Brotfrüchte noch unreif sind, tabu, man darf sie folglich nicht essen. Man hat nämlich den Aberglauben, daß bei Übertretung dieses Gesetzes alle jungen Brotfrüchte von den Bäumen abfallen, welches Hungersnot zur Folge haben würde.

Wer ein Tabu übertritt, der ist ein Kikino, d. h. ein schlechter Kerl, und kann der gerechten Strafe seines Vergehens, nämlich der mittelbaren oder unmittelbaren Einwirkung der Geister (Atuan) und Priester (Taua) nicht entgehen; Krankheit oder plötzlicher Tod sind die sichern Folgen.

Spricht jemand nachteilig von den Tauas, so erfahren sie es sogleich durch die ihnen dienstbaren Geister, und ein schneller Tod der Lästerzunge ist unvermeidlich.

 

Wenn eine Frau ihrer Niederkunft entgegensieht, so wird zu dieser Absicht eine kleine Tabuhütte in der Nähe ihrer Wohnung gebaut. Reinlichkeit liegt offenbar bei dieser Gewohnheit zum Grunde. Die Mutter oder eine andere nahe Anverwandtin verrichtet das Geschäft der Entbindung, bei welcher nur einige Weiber und keine Männer gegenwärtig sein dürfen. Ein großes Stück Zeug von der Rinde des Papiermaulbeerbaumes wird auf die Erde und ein anderes über die zu entbindende Person gedeckt. Der Vater hält sich gewöhnlich in der Nachbarschaft der Entbindungshütte auf, und sobald er benachrichtiget wird, daß ihm ein Kind geboren ist, so eilt er hinzu und schneidet mit einem scharfen Stein etwa einen Fuß von dem Nabel des Kindes die Nabelschnur ab. Diese wird alsdann, um die Blutung zu verhindern, in einen Knoten gebunden und bleibt so lange hängen, bis sie von selbst abfällt.

Ein sehr großer, hervorgedrungener Nabel, der beinahe einem Nabelbruch gleicht und welchen wir hier und auf den Sandwich-Inseln beobachteten, ist die wahrscheinliche Folge dieser Behandlung.

Sogleich nach der Geburt geht die Mutter wieder umher. Ihr erster Ausgang ist nach dem nächsten Bach, um sich zu waschen, wohin auch das Kind in gleicher Absicht durch eine andere Person gebracht wird. Der Wohlstand erfordert es, daß bei dieser Gelegenheit wenigstens ein Schwein und nach mehreren Tagen, wenn die Nabelschnur abfällt, ein zweites geschlachtet wird. Das erste verzehrt meist der Vater allein, zu dem zweiten werden die guten Freunde eingeladen.

Das Geburtsgeschäft soll leicht und gewöhnlich in ½, längstens 1 Stunde beendigt sein. Indessen kommen doch auch zuweilen schwere Geburten vor, die in widernatürlicher Lage des Kindes oder Vorfällen irgendeines Teils der Extremitäten bestehen. – Jede Mutter stillt im allgemeinen ihr Kind selbst, zuweilen aber, wenn sie sehr beschäftigt ist, überläßt sie es auf kurze Zeit einer guten Freundin. Die Dauer des Säugens ist nicht bestimmt. Die meisten Kinder werden nicht eher von der Brust entwöhnt, als bis sie allein laufen, und manche erst, wenn sie schon sprechen können.

Junge und unverheiratete Mädchen können ungehindert, ungestraft und ohne sich oder ihre Familie zu entehren, dem Hang ihrer Sinnlichkeit nach Wohlgefallen frönen. Sobald sie aber einmal den Stand der Ehe gewählt haben, d. h. die Frau eines einzigen Mannes sind, so hört gesetzmäßig aller freie Umgang mit andern Mannspersonen auf. Sie wird als Sklavin ihres Mannes für Untreue mit Schlägen bestraft oder weggejagt, der Verführer aber wird nach Willkür des Mannes heimlich, öffentlich oder gar nicht bestraft. Dieses beweist offenbar, daß wirkliche eheliche Verbindung und Eifersucht stattfindet, wenn anders die Aussage des Cabri richtig ist.

Sobald zwei Personen durch wechselseitige Einstimmung miteinander zu leben beschlossen haben, so macht der Bräutigam den Schwiegereltern und diese dem Bräutigam Geschenke. Die Ehe dauert so lange, als Einigkeit und wechselseitige Übereinstimmung herrscht. Will ein oder der andere Teil das Band lösen, so steht es ihm frei. Die Kinder finden allenthalben Nahrung und bleiben entweder bei dem Vater oder bei der Mutter, je nachdem die Eltern miteinander übereinkommen; im Ganzen wird, glaube ich, dieser Punkt selten in Anschlag gebracht, weil gänzliche Gleichgültigkeit zwischen Eltern und Kindern herrscht.

Wenn sich die Tochter eines angesehenen Mannes verheiratet, so werden viele Schweine geschlachtet und alle Freunde und Bekannte zum Schmaus eingeladen. Jeder der Hochzeitsgäste hat das Recht, mit Einwilligung der Braut die Freuden der Hochzeitsnacht mit dem Bräutigam zu teilen. Dies dauert gewöhnlich zwei bis drei Tage oder so lange, bis alle geschlachteten Schweine aufgezehrt sind; nach dieser Zeit aber muß die junge Frau allen Umgang mit andern Männern abbrechen und mit ihrem Mann allein leben, wenigstens darf sie nicht willkürlich ihrer Neigung folgen, es sei denn, daß der Gatte durch Geschenke nachsichtig gemacht wird oder sie sogar gegen ihren Willen an einen andern verkuppelt.

Reiche Männer dürfen nach Wohlgefallen so viele Weiber haben, als sie wollen oder ernähren können; indessen ist doch Monogamie das gewöhnlichste.

 

Wenn jemand stirbt, so wird die Leiche sogleich rein abgewaschen, auf ein von Bambusrohr gemachtes, mit einem neuen Stück Zeug bedecktes Gerüst gelegt, mit mehrern neuen Tüchern bedeckt und wenigstens die Hälfte der Schweine, welche die Familie des Verstorbenen besitzt, geschlachtet und gebraten. Sodann wird dem Taua und andern Tabupersonen der Todesfall angesagt und diese am folgenden Tag zum Begräbnis eingeladen. Hinter dem Gerüste, worauf der Verstorbene liegt, wird bei Ankunft der Gäste ein Stück Zeug ausgespannt und mehrere Stäbchen aufgerichtet, die mit feinen weißen Stücken von Zeug geziert sind.

Dies ist das Zeichen des Tabus oder Tabuplatzes. Der Taua bringt wenigstens vier große Trommeln mit und verrichtet die Begräbniszeremonie, die in dem Herplappern einer langen, in einer unverständlichen Sprache abgefaßten Rede besteht, welches unter beständiger Rührung der Trommeln geschieht; vielleicht, um durch diesen Lärm die bösen Geister zu verhindern, dem Toten gefährlich zu sein. Dann fangen die Gäste an, die Schweine und die Brotfrüchte zu verzehren und hören nicht eher auf, als bis nichts mehr übrig ist. Der Taua erhält die Schweinsköpfe für seinen Anteil, und dem Oberhaupte, das bei allen Leichenbegängnissen seines Tals eingeladen wird, muß, wenn er nicht kommt, das Hinterviertel eines Schweines nach Hause geschickt werden. Er findet daher seinen Vorteil dabei, gewöhnlich nicht zu erscheinen. Die nächsten Anverwandten müssen unterdessen Tag und Nacht die Leiche bewachen und sie täglich mit vielem Kokosöl stark einreiben. Dies Geschäft dauert wochen- und monatelang, wodurch der Körper gegen Fäulnis bewahrt und am Ende in eine wahre Mumie verwandelt wird. Zuletzt wickelt man den Leichnam in Tücher, die vorher in diesem Öl getränkt worden sind, und setzt ihn auf ein besonderes Gerüst in das Morai oder den Begräbnisplatz der Familie, der für die Weiber tabu ist.

Die Feinde der benachbarten Gegenden suchen sich wechselseitig die Leichname aus den Morai zu stehlen und glauben, eine große Heldentat verrichtet zu haben, wenn ihnen ihr Vorhaben gelingt. Um dieses zu vereiteln, werden die Leichen, sobald man einen starken Überfall des Feindes vermutet, aus dem Morai weggenommen und in der Nachbarschaft desselben beerdigt.

 

Durch die Furcht der Hexerei und der Einwirkung der Geister werden die meisten Handlungen der Bewohner dieser Inselgruppen gelenkt und im Zaume gehalten. Der Engländer Roberts versicherte uns, daß er sehr oft den Nukahiwern mit der Einwirkung seines Geistes drohte und daß sie zuweilen bloß darum gehorchten, weil sie befürchteten, daß sein Geist, um sich zu rächen, europäische Schiffe herbeirufen könne, die ihrer Existenz auf einmal ein Ende machen würden.

Durch die tiefe Kenntnis der Zauberei sind die Taua auch imstande, die Ursachen vieler Krankheiten zu erforschen. – Befindet sich irgend jemand nicht wohl, so läßt er einen Taua rufen, dieser forscht den Kranken aus oder hat es schon durch andere tun lassen. Bei seinem Besuch streicht er dreimal über die Brust des Patienten und stellt sich an, als wenn er seinen Geist (etwa so, wie wir die Fliegen) auffangen wollte. Bei dieser Gelegenheit macht er vermutlich noch mehrere Zauberkünste und Zeremonien; denn der Franzose Cabri versicherte mir in allem Ernst (so sehr hatte auch der Aberglaube bei ihm Wurzel gefaßt), daß er selbst den Geist des Kranken in der geballten Hand des Taua gehört habe und er zuweilen laut pfeife und sogar auf die Frage, warum der Kranke auf diese Art leiden müsse, in einer unverständlichen, bloß den Tauas bekannten Sprache antwortete und dann das Geheimnis entdecke, daß der Kranke ein Tabu übertreten, von einem Tabubaum Brotfrüchte, Kokosnüsse oder sonst etwas gestohlen habe; zugleich bestimmte er auch die Strafe und die Anzahl Schweine, welche notwendig sei, die Übertretung des Tabus wiedergutzumachen und gesund zu werden. Diese Versöhnungs-Opferschweine werden alsdann auf dem Marai von den Tauas allein auf das Wohlergehen des Kranken verzehrt; daher finden jene ihren Vorteil dabei, nach Vermögensumständen des letztern die Anzahl zu vermehren.

Die Beschneidung oder das Aufschlitzen und die Erweiterung der Vorhaut ist eine allgemeine Operation, welche erst in spätern Jahren und meistens, wenn der Knabe die Zeit der Mannbarkeit erreicht, vorgenommen wird. Man bringt ein kleines, mit einem Läppchen umwundenes Stäbchen unter die Vorhaut, schlitzt sie mit einem scharfen Steine auf und reibt sodann den Saft einer Pflanze (Pahpa) in die Wunde ein. Obgleich zuweilen eine ziemlich starke Entzündung entsteht, so soll diese doch meistens in etwa 10 bis 12 Tagen vorübergehen. Die Operation kann jeder verrichten, nur der Vater nicht. Der Operateur ist tabu; er wird solange, bis alle Entzündung vorüber ist, im Hause des Operierten mit Schweinefleisch reichlich bewirtet und erhält noch überdem beim Weggehen ein Schwein zur Belohnung. Reinlichkeit wird offenbar bei dieser Operation beabsichtigt.

Die Schamhaftigkeit der Männer besteht in dem sorgfältigen Verbergen desjenigen Teils, der unter der Vorhaut liegt; daher ist diese jedesmal übergezogen und mit einem Schnürchen umwunden. Ganz nackt gehen ist nicht unanständig; wollte aber eine Mannsperson den Gebrauch des Zubindens der Vorhaut unterlassen, so würde er nach den Begriffen dieser Insulaner schamlos sein.

Bei der Fülle von Lebensmitteln haben diese immer frohsinnigen Menschen beständigen Hang zu Vergnügungen aller Art. In der Jahreszeit, wenn die Brotfrüchte in größter Menge reif sind, stellen die Oberhäupter oder Vornehmsten eines Tals Volksfeste an, zu welchen sie schon lange vorher Schweine, Kokosnüsse, Bananen und mehrere Arten von Wurzeln einsammeln und aufsparen, um sie bei dieser Gelegenheit mit desto mehr Verschwendung unter das Volk verteilen zu können.

Eines der vorzüglichsten öffentlichen Feste sind die Tänze, wobei die Teilnehmer umherspringen und mancherlei Pantomimen mit schnellen Schwingungen der Hände und Arme machen, ohne sich viel von einer Stelle zu bewegen. – Es scheint, als wenn die Nukahiwer, so wie viele andere Nationen, verschiedene Handlungen des Lebens, z. B. Fischen, Steinschleudern, Stelzenlaufen, Schwimmen etc. durch den Tanz pantomimisch ausdrücken wollten.

Bei diesen Bällen erscheinen alle Anwesende mit den kostbarsten Zieraten, die sie besitzen, worin besonders ein Schmuck von Schwanzfedern des Tropikvogels zu rechnen ist, der aus einem mit sechs dergleichen Federn gezierten Fingerring besteht und auf den Mittelfinger jeder Hand der Tänzer gesteckt wird, wodurch die Schwingungen derselben unendlich gewinnen. Außer diesen Zieraten der Finger sieht man andere, von Haaren und Federn künstlich zusammengeflochten, an Händen, Füßen, um die Hüften, auf dem Kopf, um den Hals und in den Ohren.

Obgleich die Frauenzimmer von Stande, wie ich schon weiter oben erinnert habe, jederzeit wenigstens mit einem Schamgürtel bekleidet sind, so müssen sie doch bei den Tanzfesten ganz entblößt erscheinen. Dieser Umstand gibt zu vielen Unanständigkeiten Anlaß, die bei dieser Gelegenheit jedem erlaubt sind und zum Vergnügen des Pöbels dienen. Denselben Umstand hat auch Cook bei den Tänzen in Tahiti bemerkt. Der Franzose Cabri behauptet, daß nur diejenigen jungen Mädchen, Weiber oder Witwen tanzten, deren Liebhaber und Männer im Krieg gefangen oder umgekommen sind, und daß sie sich bei dieser Gelegenheit mit kleinen Steinchen die Haut aufritzen und den Tanz als eine Handlung der Traurigkeit und Betrübnis betrachten. – Wenn man hierbei den Umstand bedenkt, daß sie bei dieser Gelegenheit ungewöhnlicherweise ganz nackend erscheinen und sich dem Gelächter und Gespött des Pöbels aussetzen müssen, so ist es offenbar, daß sie sich beim Tanz einen Zwang auferlegen.

Auf den Tanzplätzen, die sich in den ebensten Gegenden

der Täler befinden, sind große, glatte und mehrere Fuß breite Steine so dicht und sauber aneinandergefügt, daß man beinahe glauben sollte, es hätten europäische Werkmeister einen solchen Platz von wenigstens hundert Faden Länge mit Quadersteinen belegt.

Die Musik bei diesen Festen besteht in wildem Geschrei und dem Ertönen mehrerer, zum Teil sehr großer Trommeln. Diese haben ungefähr die Form eines auf Füßen stehenden Zylinders oder Fäßchens, das, von der Erde gemessen, etwa vier oder vier und einen halben Fuß Höhe und ein und einen halben bis zwei Fuß im Durchmesser hat, sehr sauber gearbeitet und mit der Haut eines Haifisches überzogen ist. Der Platz, worauf sich die Musiker aufhalten, ist für die Weiber tabu.

Ihre Gesänge begleiten sie bei zahlreichen Zusammenkünften und Volksfesten durch einen taktmäßigen, sehr lauten Schall, den sie dadurch erzeugen, daß sie den nackten linken Arm dicht an den Körper andrücken und mit der rechten Hand in die zwischen die Rippen und der innern Seite des Ellenbogengelenkes entstehende Höhlung schlagen. Diese lauten Schläge fallen zugleich nach einem gewissen Takte, dazwischen schlagen wieder andere mit der bloßen Hand Achtel, und es werden zugleich, besonders wenn der Tanz und Schmaus feierlich ist, Trommeln dazu geholt und nach demselben Takt mit den Händen gerührt. Nach dieser grotesken Musik, welche den schon an sich traurigen und choralmäßigen Mollgesang begleitet, pflegt der Haufe auf einem besonders dazu bestimmten Platze zu tanzen.

Die Trommeln bestehen aus ausgehöhlten Baumstämmen, welche mit Haifischhäuten bespannt und nach ihrem untern schmälern Ende wie der Resonanzboden eines Saiteninstrumentes der Länge nach durchlöchert sind. Vermöge der stärkern oder mindern Anspannung der Haut und vermöge der Größe des Trommelfasses oder Zylinders sind sie in verschiedener Höhe und Tiefe, doch ohne bestimmte Regeln und Grundsätze gestimmt. Sie werden vorzüglich bei Begräbnissen gebraucht, bei denen zwar gesungen, aber nicht getanzt wird. Diese Trommeln sind nebst der Kriegstrompete, welche zugleich mit dem Feldgeschrei des Heeres den Aufruf zur Schlacht macht, die einzigen musikalischen Instrumente dieser Wilden. Die Kriegstrompete besteht aus einem großen Kink- oder Tritonshorn. Es klinget etwa wie ein Hirtenhorn und wird, so viel ich habe erfahren können, nur bei kriegerischen Unternehmungen gebraucht.

Der nächtliche Gesang, verbunden mit dem taktmäßigen Klatschen, und der Anblick des Feuers, um welches sie liegen, macht in der Ferne einen so wilden, halb melancholischen, halb verzweiflungsvollen Eindruck, daß man schon seinen Grabgesang darin zu hören glaubt.

Während einer ganzen Nacht, welche ich am Lande zubrachte, habe ich bei dem beständigen Gesang dieser gutmütig scheinenden Menschen in einem nicht viel angenehmern als dem soeben erwähnten Gefühl verleben müssen. Die starken, klingenden Hohlschläge der Hand auf den an die Brust gedrückten Armwinkel vertreten die Stelle der Sterbeglocke. – Indessen freuen sich diese Leute des Tanzes, der doch nichts als in einem willkürlichen und kunstlosen Hüpfen und Springen besteht, wobei sie mit den ausgestreckten Armen, Händen und Fingern abwechselnd schnelle und zitternde Bewegungen machen.

 

Ein ebenso großes Vergnügen als der Tanz ist das Stelzenlaufen. In dieser Kunst haben die Bewohner der Washington-Inseln vielleicht mehr Geschicklichkeit als irgendeine Nation auf der Welt. Bei ihren großen öffentlichen Festen stellen sie auf denselben Wettrennen an, wobei immer einer dem andern in den Weg zu kommen und auf einem Bein oder Stab balancierend mit dem andern seinen Gegner während des Laufes umzuschlagen sucht. Der zu Boden Gestreckte wird zum allgemeinen Gelächter und Gespött. Die Ausübung dieser Kunst erregte desto mehr unsere Aufmerksamkeit, da die glatten Steine, womit der Tanzplatz belegt ist, das Laufen schwieriger machen müssen. Kinder von acht bis zehn Jahren gewöhnen sich schon an den Gebrauch derselben.

Ihre Geschicklichkeit im Schwimmen erregt die größte Bewunderung und übertrifft alle Vorstellung. Sie könnte leicht bei irgendeinem Beobachter den Gedanken erregen, wir Menschen wären dazu geboren, um im Wasser zu leben.

Sie verrichteten alle willkürlichen Handlungen im Wasser, blieben beinahe auf einem und demselben Platz in aufrechter Stellung gleichsam stehen und regierten sich mit den Füßen, so daß man nur allein den Kopf und die Schultern sehen konnte. Sie schlugen im Wasser Kokosnüsse auf und verzehrten sie, brachten verschiedene Tauschartikel, an einem hohen Stabe festgebunden, die sie hoch über dem Wasser trugen, um sie dadurch vor der Nässe zu schützen. Oft schwammen sie mit kleinen Kindern auf den Achseln, stürzten sich von hohen, steilen Felsen in die See und wollten lieber nach dem gegenüberliegenden Ufer schwimmen als auf den spitzen Steinen zu Fuß einen Umweg um die Bucht machen. Wir bemerkten einzelne Insulaner, die beinahe den ganzen Tag um das Schiff herumschwammen und nicht im mindesten ermüdet zu sein schienen.

Zierate, deren es sehr mannigfaltige gibt, scheinen keine besondere Auszeichnung weder des Standes noch der Person zu sein. Den Kopf zieren sie teils durch Stirnbinden, teils durch Schmuck von Federn, mit Perlmutter und andern Verzierungen untermengt. Gewöhnlich scheren sie den Kopf bis auf zwei kleine runde Stellen nahe über den Ohren, deren langes Haar sie alsdann in einen hohen Büschel zusammenbinden, wodurch diese Menschen gleichsam wie gehörnt erscheinen; ein Gebrauch, der bei den Kindern der Chinesen fast allgemein ist.

Die Öffnung in den Ohren ist so groß, daß man bequem einen Körper, der drei bis vier Linien im Durchmesser hat, folglich etwa einen kleinen Finger, hineinstecken kann. Eine etwa unzenschwere Muschel, an deren hinteren Seite ein etwas abgeschliffener Schweinshauer befestigt ist, oder eine leichte, oval geformte Tafel von Brotbaumholz ist die größte Zierde der Ohren, in die sie auch große eiserne Nägel, ein kleines schwarzes, einige Linien dickes und etwa zwei Zoll langes hölzernes Stäbchen und verschiedene andere Kleinigkeiten stecken oder vermittels Schnüren daran befestigen.

Zum schönsten Halsschmuck rechnet man eine Art von Ringkragen, der die Gestalt eines Hufeisens hat und aus mehreren aneinandergereihten kleinen Stäbchen von leichtem Brotbaumholz besteht; auf dieses werden vermittels eines Harzes, das aus demselben Baum schwitzt, die auch in Europa zu Halsschnüren der Frauenzimmer beliebten roten und schwarzen Erbsen befestigt. Die als Halsband nebeneinandergereihten Schweinshauer und einzelnen Knochen oder dicke abgerundete und längliche Muscheln, die an einer von Kokosfasern niedlich geflochtenen Schnur befestigt sind, sieht man auch nicht selten. In Ermangelung irgendeines Kunstprodukts hatten manche kleine Fischchen, einen Krebs, Blumen, Muscheln, Früchte oder auch wohl ein von uns erhaltenes Geschenk, einen Nagel, ein Messer oder sonst irgendeinen Gegenstand, den sie mit sich führen wollten, in den Ohren oder um den Hals hängen.

Rote oder überhaupt natürliche bunte Federn (denn die künstlich gefärbten wissen sie sehr bald zu unterscheiden) scheinen in hohem Wert zu stehen; denn Katanuah, der mit seinen Schweinen nicht sehr freigebig war, wollte uns doch eins für einen kleinen Papageien überlassen, den wir von Brasilien mitgebracht hatten.

Den höchsten Wert hat der Hopemoaschmuck, eine Binde von langen lockigen Haaren, welche die Männer ihren Weibern abschneiden und sie hinten vorbinden; nach diesem gewissen Fingerringe, die bei Tanzfesten gebräuchlich und aus den Federn der Tropikvögel verfertigt sind. Um diese zu erhalten, ersteigen die Einwohner bei Nachtzeit steile Felsen, fangen die Vögel während des Schlafs und rupfen ihnen die Schwanzfedern aus, ohne sie zu töten, damit auf solche Art auch in der Folge, wenn die Federn wieder gewachsen sind, dasselbe Verfahren wiederholt werden könne. Außer diesem bemerkten wir noch einen Federschmuck an Armen und Füßen und Schnüre von aneinandergereihten kleinen Conchylien.

Die Bereitung der Kleidung oder der Zeuge aus dem Bast des Papiermaulbeerbaumes, die wenig von der in Cooks Reise beschriebenen abweicht, ist bloß und allein den Weibern übertragen; die Verfertigung der Gerätschaften und Waffen aber macht das Hauptgeschäft der Männer aus. Die letztern sind mit Sorgfalt und Geschmack gearbeitet. Lanzen, Wurfspieße und Streitkolben sind bei dem einen mit Schnitzwerk, bei dem andern mit künstlich geflochtenen Haaren der im Krieg erlegten Feinde geziert. Die Schleudern werden aus den Fasern der Kokosnüsse und einer andern Pflanze, die mir nicht zu Gesicht kam, dauerhaft und schön geflochten. Die Stelzen sind mit Fleiß und Kunst verfertiget.

Auf den Morais findet man Figuren, die eine menschliche Gestalt vorstellen sollen und einen deutlichen Beweis geben, daß diese Menschen in den bildenden Künsten noch keine große Fortschritte gemacht haben. – Auf die Verfertigung der Fischernetze verwenden sie mehr Zeit als auf die der Angeln; letztere sind einfach, ohne alle Widerhaken aus der Perlmuttermuschel gemacht.

Die Sonnen- oder Windfächer verraten Kunst und Geschicklichkeit im Flechten. Die Wirtschaftsgerätschaften bestehen in Kalebassen, die mit Netzwerk umflochten sind, in kleinern und größern Eßgefäßen, die einem Trog ähneln, an denen man schlecht geschnitzte Figuren von Menschengesichtern, Fisch- und Vögelköpfen wahrnimmt. Die Kokosschalen braucht man als Trinkgefäße.

Die Schiffsbaukunst der Nukahiwer ist im Verhältnis mit andern Bewohnern der Südsee noch sehr weit zurück. Die Kanus sind 20 bis 50 Fuß lang, nur 1 Fuß breit und fassen höchstens 6 bis 7 Menschen; um das Umschlagen zu verhindern, bedient man sich der Balancierstangen oder Ausleger, die auch bei vielen andern Nationen gewöhnlich sind. Das ganz Kanu ist schlecht und grob gearbeitet. Die Bretter zur Erhöhung der Seitenwände sind mit Kokosfasern zusammengenäht, die Öffnungen und Fugen mit Moos verstopft und mit dem Harze des Brotbaumes überstrichen. Im Fall das Boot umschlägt oder sehr leck wird, springen alle, die darinnen sind, heraus, schwimmen nebenher und schaufeln mit den Händen in einigen Minuten das Wasser heraus, so daß sie sich wieder ohne Gefahr des Sinkens hineinsetzen und weiterrudern können. Die Ruderschaufeln und das Steuerruder sind mit mehr Sorgfalt verfertigt als das Kanu.

Von Nukahiwa nach den Sandwich-Inseln

Während unseres Aufenthaltes in Nukahiwa hatten wir bei dem Tauschhandel zum größten Leidwesen nur wenige Schweine erhalten, weil einesteils die Einwohner einen zu hohen Wert auf dieselben setzten, andernteils auch wohl, weil sie der öftern Schmausgelegenheiten und anderer Lustbarkeiten wegen sie nicht gern entbehren wollten. Wir versorgten uns also mit einer Menge von Kokosnüssen, Brotfrüchten, Bananen und nahrhaften Wurzeln reichlich und verließen diese Insel im besten Wohlsein und in der angenehmen Hoffnung, nach einigen Wochen auf den Sandwich-Inseln reichlichen Ersatz und Schadloshaltung für diesen Mangel an animalischen Lebensmitteln zu erhalten.

Die »Newa«, von der wir beim Kap Hoorn den 24ten März getrennt wurden, war zu unserer allgemeinen Freude am 11ten Mai in Nukahiwa angekommen und brachte uns die Nachricht, daß sie drei Tage bei der Osterinsel auf uns gewartet habe, durch starke Westwinde aber gehindert worden sei, an derselben zu landen, und daß sie außer einigen Bataten und Bananen, welche ihnen die Insulaner in einem kleinen Kanu zugeführt hatten, keine Erfrischungen erhalten habe.

Am 16ten Mai wurden auf beiden Schiffen wieder Anstalten getroffen, in See zu gehen, und am 17ten früh, da alles zur Abreise fertig war, wurden die Anker gelichtet. Der Wind kam in kleinen Stößen von den nahen und hohen Bergen, welche den Hafen ringsum begrenzen, und veränderte sich fast in jedem Augenblick, so daß das Schiff ebensooft umgelegt werden mußte und wir nur wenig vorrückten. Gegen 10 Uhr kam ein starker Windstoß von der See, die vor sich hertreibenden Wellen rollten mit großer Gewalt in den Hafen, und unser Schiff näherte sich, durch den Sturm überwältigt, allmählich dem südwestlichen Ufer. Die Nachbarschaft der schroffen Felsen, denen wir uns bis auf 120 Faden genähert hatten, machte unsere Lage sehr gefährlich, doch zum Glück fanden wir Ankergrund. Dieser, die Aufmerksamkeit unseres vortrefflichen Führers und die Tätigkeit der Seeoffiziere und der Mannschaft retteten uns von der offenbaren Gefahr, an den nicht weit entfernten Klippen zu scheitern. Es wurden nun sogleich Werfanker ausgeführt, und die »Newa« schickte uns nach einem gegebenen Signal ihre Schaluppe, um uns desto sicherer und schneller von der Nähe der gefährlichen Felsen abzubugsieren.

Nachmittags gegen vier Uhr sahen wir uns in der Mitte der Bai auf sicherem Ankergrund von der bevorgestandenen Gefahr befreit. Das unbeständige Wetter und anhaltende Windstöße bewegten Kapitän von Krusenstern, seiner Mannschaft, die von Tagesanbruch an bei einer Temperatur von 22° bis 23° Hitze beständig gearbeitet hatte, Nachtruhe zu verschaffen.

Am 18ten früh wurden die Anker gelichtet. Wir waren kaum zwischen den beiden am Eingang des Hafens gelegenen Inseln, so erhub sich plötzlich ein so starker, ungleichförmiger, mit Regen begleiteter Windstoß, daß auf einmal wieder die ganze Mannschaft in Tätigkeit gesetzt, mehr Segel aufgespannt und ein Kabeltau des Werfankers gekappt werden mußte, um sobald als möglich die offene See zu gewinnen.

Wir richteten nun unsern Lauf nach den Sandwich-Inseln und Kamtschatka. Der Wind war ziemlich frisch, und nach wenigen Tagen, nämlich den 25ten Mai nachmittags, durchschnitten wir den Äquator.

Am 27ten Mai bemerkten wir einen Ast mit grünen Blättern und zugleich ungewöhnlich viele Tropik- und andere Seevögel wie auch einige Fische. Es wurde auch eine kleine Veränderung an dem Passatwind bemerkt, und höchstwahrscheinlich befanden wir uns in der Nachbarschaft einer bis jetzt noch unbekannten Insel, die wir aber nicht das Glück hatten zu entdecken.

Den 7ten Juni bekamen wir die Ostspitze der Insel Owaihi in einer Entfernung von 36 Seemeilen zu Gesicht. Diese, die größte der Sandwich-Inseln, ist durch den Tod des größten Seefahrers neuerer Zeiten in der Geschichte merkwürdig und hinreichend bekannt.

Kapitän von Krusenstern hatte die Absicht, noch vor Ende Septembers in Nagasaki, einer großen Handelsstadt Japans, anzukommen, und hoffte durch Beschleunigung seiner Reise die oft schon in der Mitte desselben Monats stattfindenden Wechsel des Nordostmonsuns vermeiden zu können.

Um daher Zeit zu gewinnen, ging er nicht in die Karacacua-Bai der Insel Owaihi vor Anker, sondern befolgte das Beispiel anderer Seefahrer, die ohne Zeitverlust längs der Küste einen vorteilhaften Tauschhandel mit den Insulanern getrieben und sich dadurch in wenig Tagen reichlich mit Schweinen und Provisionen aller Art versehen hatten.

Die Insulaner, welche wir hier zu beobachten Gelegenheit hatten, waren nackend, unreinlich, nicht schön gewachsen, von mittlerer Größe, dunkler schmutzigbrauner Farbe und mit Ausschlägen und Wunden als wahrscheinliche Folge des Kawatrinkens oder venerischer Krankheiten bedeckt. Den meisten Männer fehlten die Vorderzähne, die sie nach ihrer Aussage in Streitigkeiten durch Steinwürfe verloren hatten. Bei vielen bemerkte man den Nabel so stark vorgedrungen, daß die Geschwulst einem Bruch desselben nicht unähnlich war. Sie zeigten sich als gute Schwimmer und waren an den Armen und in den Seiten tatuiert; die Figuren der Tatuierung bestanden in Eidechsen, Ziegenböcken, Flinten und andern rhombenförmigen Zeichnungen, die aber keineswegs so wie in Nukahiwa den Körper verschönerten, sondern eher denselben entstellten.

Die Kanus, mit welchen sich diese Nation mehrere Meilen weit in See begibt, sind leicht und überaus schön und sauber gearbeitet und beweisen, daß sie in der Schiffahrt bei weitem größere Fortschritte gemacht haben als die Nukahiwer.

Die Küste hatte in der Gegend, die wir berührten, ein freundliches Ansehen; wir bemerkten viele Kultur und eine Menge Kokos- und Bananenwälder. Unsere besondere Aufmerksamkeit zog der majestätische Berg Mowna Roa auf sich.

Dieser ansehnliche Berg, der den Pik von Teneriffa noch um drei- bis vierhundert Toisen übersteigt, erhebt sich so allmählich von dem Fuß, ja von der Meeresfläche bis zu seinem hohen Haupt, daß er eine überaus merkwürdige Erscheinung ist, eine sehr gefällige Ansicht gewährt und daß man wohl nirgends eine so beträchtliche Höhe mit weniger Schwierigkeiten ersteigen kann. Hierzu trägt auch noch besonders das milde Klima vieles bei, indem die oberste Spitze ungeachtet der beträchtlichen Höhe doch kaum die Schneelinie der Gebirge unter dem Äquator berührt und wir dessen Gipfel in dieser Jahreszeit gänzlich von Schnee entblößt sahen.

Wir verließen am 10ten Juni Owaihi, ohne auch nur die mindesten Nachrichten von dem jetzigen Zustande dieser Insel erhalten zu haben. Als ich im Jahr 1805 und 1806 an der Nordwestküste von Amerika überwinterte, hatte ich Gelegenheit, Erkundigungen von derselben einzuziehen, die ich hier kurz mitteilen will.

Die Gruppe der Sandwich-Inseln, die für alle nach der Nordwestküste von Amerika, den aleutischen Eiländern oder nach Kamtschatka segelnde Schiffe sehr gelegen ist, hat sichere Baien, einen Überfluß an Schweinen, Brotfrüchten, Kokos, Taro- und Yamwurzeln, Bataten, Salz, Holz, Wasser usw. und bietet vortreffliche Erfrischungsörter dar. Die Seefahrer der vereinigten amerikanischen Freistaaten besuchen sie jährlich auf ihrem Wege nach der Nordwestküste, wo sie das Pelzwerk der von den Chinesen so hoch geschätzten Seeotter gegen Eisenwaren, Tuch, Messer, Beile, Küchengerätschaften, Reis, Zuckermelasse, Zwieback, Pulver und Flinten von den dortigen Einwohnern eintauschen und solches in der Folge nach Kanton führen. Dieser Handel wird ganz vorzüglich seit jener Zeit betrieben, da die Engländer sowohl als die Spanier Nootka-Sund verlassen und ihr dortiges ehemaliges Etablissement aufgegeben haben. Der Umsatz muß sehr vorteilhaft sein; denn beinahe in jedem Jahr kreuzen 6 bis 8 Schiffe um Nootka-, Queen-, Charlotte- und Norfolk-Sund. Wenn sie in einem Jahr keine hinreichende Ladung von Seeottern für Kanton erhalten, so segeln sie im Oktober oder November nach Colombo River oder noch gewöhnlicher nach den Sandwich-Inseln, wo sie überwintern und ihre Schiffahrt so einrichten, daß sie zu Anfang März an der Nordwestküste den Tauschhandel wieder anfangen.

Die Menge der in Karacacua-Bai ankommenden Schiffe und der öftere Handelsverkehr hat bisher einen so großen Einfluß auf die Kultur dieser Inselgruppe geäußert, daß diese Nation in ihrer Zivilisation mit Riesenschritten vorgerückt ist und sich schneller als irgendeine andere der Südsee zu einem gebildeten Handelsstaat umschaffen wird.

Der König Tomoomo hat durch den beständigen Verkehr mit den Seefahrern der amerikanischen Freistaaten und besonders durch die Herren Joung und Davie, die schon jahrelang bei ihm wohnen und gleichsam seine Minister sind, europäische Sitten, englische Sprache und Gebräuche angenommen, so daß die mehrsten und tätigsten Bewohner dieser Insel jetzt englisch sprechen. Tomoomo hat sich alle Inseln dieser Gruppe zu unterwerfen gewußt und ist Alleinherrscher derselben. Durch den beständigen Handel und Umtausch lernte er in wenig Jahren den Wert des Silbers kennen und verkaufte den ankommenden Schiffen seine Landesprodukte am liebsten gegen bare billige Bezahlung in spanischen Talern oder Piastern. Sobald er eine hinlängliche Summe beisammen hatte, kaufte er von einem Amerikaner ein Schiff, bemannte es teils mit seinen eigenen, teils mit ausländischen Matrosen, deren heutzutage sehr viele in Owaihi leben; denn im Überfluß von Naturprodukten, bei weniger Arbeit und schönen Mädchen behagt es den Seemännern der Vereinigten Staaten so wohl daselbst, daß beinahe kein Schiffer absegelt, der nicht einen oder einige von seiner Mannschaft zurückließe. Nur Leute von guter Aufführung und mit guten Zeugnissen ihrer Kapitäne versehen duldet der König auf seiner Insel, und die Eingebornen haben sich unterdessen so sehr an das Seeleben gewöhnt, daß sie vortreffliche Matrosen geworden sind. An der Nordwestküste von Amerika habe ich auf Bostonianischen Schiffen, die von Owaihi kamen, Einwohner dieser Insel gesprochen, die als Matrosen dienten und 10 bis 12 Piaster monatlichen Dienstlohn erhielten.

In Verfertigung von Stricken, Netzgarn, Seilen und Tauwerk haben sie es so weit gebracht, daß sich die Seefahrer bereits hier damit versehen und dieses Takelwerk der Sandwich-Insulaner für ausdauernder halten als das europäische.

Tomoomo verrät in allen seinen Handlungen vielen Verstand, Scharfblick und eine große Tätigkeit. Seine Seemacht hat er in kurzer Zeit so ansehnlich vergrößert, daß er im Jahre 1806 schon 15 Fahrzeuge hatte, unter denen sich einige dreimastige Schiffe, Briggen und Kutter befanden. In demselben Jahr ließ er dem Geschäftsverwalter der Russisch-Amerikanischen Handelskompanie, Herrn Baranow in Neu-Archangel (Norfolk-Sund), sagen, er habe von den Nordwestfahrern in Erfahrung gebracht, daß die russischen Etablissements an dieser Küste zuweilen großen Mangel an Provisionen und andern Artikeln leiden; er erböte sich daher, jährlich ein Schiff mit Salz, Schweinen, Bataten und andern Lebensmitteln, ja selbst mit europäischen Produkten beladen, zuzuführen, wenn man ihm dagegen Seeotterfelle für billige Preise überlassen wollte, die er in Handelsspekulation nach Kanton zu schicken gesonnen sei.

Der König beschäftiget sich unter anderm sehr viel mit der Schiffbaukunst und soll die Vorzüge und Fehler eines Schiffes sehr richtig auffinden und beurteilen können. Alle zum Schiffbau gehörigen Gerätschaften und Werkzeuge machen dermalen den vorteilhaftesten Artikel des Tauschhandels aus, und Matrosen, die zugleich Zimmerleute sind, werden vorzüglich gut aufgenommen und mit Ländereien und andern Vorteilen beschenkt.

Vor einigen Jahren hat man auf Owaihi die äußerst merkwürdige Entdeckung einer zum Bau der Schiffe dienlichen Holzart gemacht, die ganz und gar nicht von dem in diesen Gewässern so gefährlichen Schiffs- oder Bohrwurm angegriffen wird. Das sonst notwendige Beschlagen der Schiffe mit Kupferplatten ist durch diese Entdeckung, wenn sie sich anders bestätigt, überflüssig geworden.

Zu den Produkten dieser Gruppe gehört auch unter anderm das Zuckerrohr, welches, wenn man die Kultur desselben hier vervollkommnen wollte, mit dem größten Vorteil angebaut und mit der Zeit Kamtschatka und ganz Sibirien von hier aus mit Zucker versorgt werden könnte.

 

Am 10ten abends um sechs Uhr nahmen wir unter wechselseitigem dreifachem Hurra von der »Newa«, unserer bisherigen Gefährtin, Abschied. Kapitän Lisjanski war mit diesem Schiff nach Kodiac und der Nordwestküste von Amerika bestimmt. Ihn drängte die Zeit nicht so sehr als uns. Er hatte sich daher auch vorgenommen, einige Tage in der Karacacua-Bai vor Anker zu gehen, um seine Mannschaft zu erfrischen. Kapitän von Krusenstern aber hielt es für notwendig, einen entscheidenden Entschluß zu fassen und, da wir in vier Tagen keine Lebensmittel an der Küste erhalten konnten, ohne weitern Zeitverlust von dem ungewissen Versuch, in besagter Bai vor Anker zu gehen, abzustehen und gerade nach Kamtschatka zu steuern.

In den ersten Tagen dieser Seereise fiel nicht besonders Merkwürdiges vor. Unsere Küche war einfach, und die Nahrung der Offiziere bestand so wie die der Matrosen in Schiffskost, nämlich in Salzfleisch und Zwieback. Letzterer war zwar sehr schmackhaft, es hatte sich aber ein kleiner Käfer so häufig darin eingenistet, daß jeder sein Stück Brot, ehe er es in den Mund steckte, ausklopfen mußte.

Die ungewöhnliche Menge von Vögeln, die wir bemerkten, erregte unsere Aufmerksamkeit und erweckte die Hoffnung, irgendeine unbekannte Insel zu entdecken, die aber, wie schon einmal vorher, bald wieder verschwand.

Der 22te Juni war in mehrerer Rücksicht für uns merkwürdig, indem er viele Abwechselung darbot. Wir durchschnitten an diesem Tag den Wendezirkel des Krebses, da uns zugleich die Sonne im Zenit stand. Die Temperatur war 21° bis 22° der Wärme.

Schon am frühen Morgen sah man einen großen Haifisch in der Nachbarschaft des Schiffes, der, ob er gleich hungrig zu sein und dasselbe bloß in der Absicht zu verfolgen schien, um den über Bord geworfenen Abfall von Lebensmitteln aufzuschnappen, anfänglich doch nicht an die ihm zugeworfene Angel beißen wollte; demungeachtet konnte er endlich dem Reiz der Lockspeise nicht widerstehen und wurde mit vielem Lärm und Jubel an Bord gezogen. Er maß 7½ Fuß und wog an 200 Pfund.

Noch während man, von der ersten Freude des neuen Schauspiels erfüllt, das Wundertier anstaunte, wurde ein zweiter von derselben Art und Größe beobachtet. Dieser verschlang sogleich heißhungrig die geköderte Angel, und wir freuten uns um desto mehr dieses Zufalls, da wir zugleich dadurch mit etwas frischer Provision versehen wurden. Obgleich das Fleisch des Haifisches hart, trocken und fade ist, so ließen wir uns dasselbe doch noch an demselben Abend recht gut schmecken. Dies Gericht bekam allen sehr wohl. Bei einigen Matrosen entstand zwar ein starkes Erbrechen, welches ich aber eher geneigt bin, einer Unmäßigkeit oder irgendeiner zufälligen Ursache zuzuschreiben als der Natur des Fisches, den ich sehr oft in Lissabon und Teneriffa öffentlich zu Markte bringen und zur Speise für arme Leute verkaufen sah.

Den 3ten Juli richtete Kapitän von Krusenstern seinen Lauf westlich, um die auf den besten Karten verschieden angegebenen und zu wiederholten Malen vergeblich aufgesuchten Inseln Rica de oro und Rica de Plata oder die Gold- und Silberinsel auszuspähen. Die Atmosphäre war trübe, und nachmittags erhob sich ein starker, zu diesem Vorhaben günstiger Ostwind, der aber bald in einen Sturm überging. Mit eingerefftem Marssegel liefen wir in einer Nacht, die so dunkel war, daß wir kaum eine Schiffslänge vor uns her sehen konnten, 9 Meilen in einer Stunde gerade nach Westen, so daß es ein großes Glück war, auf keine Gold- oder Silberklippe gestoßen zu sein.

Folgenden Tages (4ten Juli) veränderte sich der Wind; demungeachtet war das Wetter überaus neblicht, und da Kapitän von Krusenstern den sichern Verlust der Zeit höher schätzte als einen ungewissen Erfolg, so hielt er es für zweckmäßiger, von dieser zweifelhaften Entdeckung abzustehen.

Am 5ten Juli sahen wir eine Schildkröte, ohne jedoch irgend noch andere Kennzeichen eines nahen Landes wahrzunehmen. Den 6ten bemerkten wir eine Menge von Walfischen, den 7ten Enten und einen alten Baumstamm, und nun vermehrten sich beinahe mit jedem Tage die Anzeigen eines nicht entfernten Landes. Am 11ten waren große Scharen von Seemöwen, große und kleine Sturmvögel (die mit ihren langen schmalen Flügeln, aber nicht im Flug, den Lerchen oder Schwalben einigermaßen ähneln) und Albatrosse in der Nachbarschaft unseres Schiffes zu sehen.

Am 13ten morgens wurde von der Spitze des Mastes Land gerufen; dieses Wörtchen ertönte himmlisch in den Ohren derer, die nach einer mehr als fünfmonatlichen Seefahrt endlich wieder Land und in gewisser Hinsicht vaterländischen Boden zu betreten hofften. – Windstille hinderte uns am folgenden Tag, weiter vorzurücken, und sehnsuchtsvoll blickten wir auf das vor uns liegende Vorgebirge Schibunskoy-Noß, in dessen Nähe der längst gewünschte Hafen von St. Peter und St. Paul liegt.

Die hochgelegenen Bergrücken und die mit ewigem Schnee bedeckten Piks und feuerspeienden Berge geben dem Lande ein ganz eignes Ansehen, und da wir schon so weit im Sommer vorgerückt waren, so schien es uns zweifelhaft, ob das, was wir sahen, wirklich Schnee sei, der die obere Hälfte der Berge noch bedeckte.

So sehr wir auch anfänglich durch diesen Anblick und das schlechte Vorurteil, welches man im allgemeinen gegen Kamtschatka gefaßt hat, abgeschreckt und niedergeschlagen wurden, so erheiterte sich doch unser Gemüt, je mehr wir uns der Küste näherten. Den 15ten morgens erhob sich ein ziemlich frischer und günstiger Wind, und die mit grünen Waldungen bedeckten niedrigern Berge überraschten uns durch ihre Anmut und Schönheit. Seitdem wir Brasilien verlassen hatten, sahen wir keine Gegenden, die uns so freundlich anlachten als diese unschuldigerweise in so üblem Ruf stehende Halbinsel von Kamtschatka. Die schönen Birkenwälder und dickbegrasten Hügel im Vordergrund hatten so viele Ähnlichkeiten mit einer europäischen Landschaft, daß wir uns schon in Gedanken in unser Vaterland versetzt glaubten und nun im Hintergrunde die hohen Alpen, die gestern einen so üblen Eindruck auf uns machten, heute als Zierde und Merkwürdigkeit des Landes bewunderten.

Gegen Mittag befanden wir uns in der Einfahrt der großen Bucht von Awatscha, in die wir mit Hilfe der sehr guten Pläne von Cook und Sarytschew ohne alle Beschwerlichkeit einsegeln konnten.

Die Scharen von vielen tausend Seemöwen, welche die schroffen Felsen der Ufer bewohnten, schienen uns einen freundlichen Willkommen entgegenzurufen. Da das Geschrei dieser Vögel viele Ähnlichkeit mit der menschlichen Stimme hat, so glaubten anfänglich mehrere von unserer Gesellschaft, das Rufen irgendeines Bewohners von den nahen Bergen zu vernehmen.

Außer den Möwen sahen wir eine unzählige Menge von Papageientauchern, Enten, Tauchern und viele andere uns unbekannte Vögel. – Kaum hatten wir die geräumige Awatschabai erreicht, so sahen wir ein Boot mit einem Offizier auf uns zurudern, der, sobald er hörte, wer wir seien, uns sagte, daß man schon längst von St. Petersburg aus unsere Abreise und wahrscheinliche Ankunft in diesem Hafen gemeldet habe. Er eilte sogleich nach dem Ort St. Peter und St. Paul, von wo aus man uns mit dem Donner der Kanonen bewillkommte, welchen wir mit einer gleichen Anzahl Schüsse erwiderten. Um 1 Uhr ließen wir die Anker sinken, nachdem wir die Insel Owaihi seit 35 Tagen verlassen hatten.

Petropawlowsk liegt im nördlichen Teil der Awatschabai in einem engen, kurzen gegen Norden durch einen großen See von süßem Wasser begrenzten Tal am Ufer eines kleinen, in der Bucht gelegenen Hafens, der von dieser durch eine natürliche Landzunge getrennt und vor allen Winden und Stürmen völlig geschützt ist.

Der Ort enthält einige 30 Häuser, die alle von Holz sind und wie im ganzen übrigen russischen Reich aus übereinandergelegten Balken oder Baumstämmen bestehen. Hier wohnen etwa 150 Soldaten und eine Kompanie Artilleristen, einige Kosaken und der Kommissionär der Russisch-Amerikanischen Handelskompanie, auch ein Geistlicher, obgleich keine Kirche vorhanden ist. Der Hafen gehört nach Aussage aller Seefahrer zu einem der besten, die man kennt, und es ist höchst wahrscheinlich, daß bei einer zunehmenden Industrie und Handelsverbindung mit China, Japan, Amerika, den aleutischen und andern Inseln der Südsee St. Peter und Paul der Mittelpunkt des Handels und eine sehr blühende Stadt werden wird.


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