Benvenuto Cellini
Leben des Benvenuto Cellini
Benvenuto Cellini

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Zweites Kapitel

Cellini wird von dem Großherzog Cosmus von Medicis sehr gnädig aufgenommen. – Nach einer langen Unterhaltung begibt er sich in des Herzogs Dienste. – Der Herzog weist ihm ein Haus an, um darin zu arbeiten. – Die Diener des Herzogs verzögern die Einrichtung. – Lächerliche Szene zwischen ihm und dem Haushofmeister.

Unser Herzog von Florenz befand sich zu dieser Zeit (wir waren eben im August 1545) auf der Höhe von Caiano, einem Orte zehen Meilen von Florenz. Ich hielt für Schuldigkeit, ihm aufzuwarten, teils weil ich ein florentinischer Bürger war, teils weil meine Vorfahren sich immer freundschaftlich zu dem Hause Medicis gehalten hatten und ich mehr als jemand diesen Herzog Cosmus liebte; ich hatte aber diesmal nicht die geringste Absicht, bei ihm fest zu bleiben. Nun gefiel es Gott, der alles gut macht, daß gedachter Herzog mir, als er mich sah, unendliche Liebkosungen erzeigte und sowohl als die Herzogin nach den Werken fragte, die ich für den König gemacht hatte. Darauf erzählte ich gern alles und jedes nach der Reihe. Da er mich angehört hatte, sagte er zu mir: Ich habe das alles auch gehört, und du redest die Wahrheit; aber welch einen geringen Lohn hast du für diese schönen und großen Arbeiten erhalten! Mein Benvenuto! wenn du etwas für mich tun wolltest, so würde ich dich ganz anders bezahlen, als dein großer König getan hat, von dem du dich so sehr lobst. Darauf erzählte ich den großen Dank, den ich Seiner Majestät schuldig sei, daß Sie mich aus einem so ungerechten Kerker gezogen und mir sodann Gelegenheit gegeben hätte, so wundersame Arbeiten zu verfertigen, als jemals ein Künstler meiner Art gefunden hätte.

Indem ich so sprach, machte der Herzog allerlei Gebärden, als wenn er anzeigen wollte, daß er mich nicht hören könne. Dann, als ich geendigt hatte, sagte er: Wenn du ein Werk für mich machen willst, so werde ich dich dergestalt behandeln, daß du vielleicht darüber erstaunen wirst, wenn nur deine Werke mir gefallen, woran ich nicht im geringsten zweifle. Ich Armer, Unglücklicher fühlte ein großes Verlangen, auch unsrer wundersamen Schule zu zeigen, daß ich indessen mich in andern Künsten mehr geübt habe, als man vielleicht nicht glaubte, und antwortete dem Herzog, daß ich ihm gern von Erz oder Marmor eine große Statue auf seinen schönen Platz machen wolle. Darauf versetzte er, daß er von mir als erste Arbeit einen Perseus begehre; ein solches Bildnis habe er sich schon lange gewünscht. Darauf bat er mich, ich möchte ihm ein Modell machen, das in wenig Wochen ungefähr in der Größe einer Elle fertig ward. Es war von gelbem Wachs, ziemlich geendigt und überhaupt mit großem Fleiß und vieler Kunst gearbeitet.

Der Herzog kam nach Florenz, und ehe ich ihm gedachtes Modell zeigen konnte, gingen verschiedene Tage vorbei, so daß es ganz eigentlich schien, als wenn er mich weder gesehen noch gekannt hätte, weshalb mir mein Verhältnis gegen Seine Exzellenz nicht gefallen wollte; doch als ich eines Tags nach der Tafel das Modell in die Garderobe brachte, kam er mit der Herzogin und wenigen andern Herren, die Arbeit anzusehen. Sie gefiel ihm sogleich, und er lobte sie außerordentlich. Da schöpfte ich ein wenig Hoffnung, daß er sich einigermaßen darauf verstehen könnte.

Nachdem er das Modell genug betrachtet hatte, gefiel es ihm immer mehr; zuletzt sagte er: Wenn du, mein Benvenuto, dieses kleine Modell in einem großen Werk ausführtest, so würde es die schönste Arbeit sein, die auf dem Platze stünde. Darauf sagte ich: Gnädigster Herr! auf dem Platze stehen die Werke des großen Donatello und des verwundersamen Michelagnolo, welches beide die größten Männer von den Alten her bis jetzt gewesen sind; indessen erzeigen Eure Exzellenz meinem Modell eine zu große Ehre, und ich getraue mir, das Werk dreimal besser zu machen. Darüber stritt der Herzog ein wenig mit mir und sagte: er verstehe sich recht gut darauf und wisse genau, was man machen könne. Da versetzte ich: meine Werke sollten seine Zweifel über diese Streitfrage auflösen, und gewiß wollte ich ihm mehr leisten, als ich verspräche; er möchte mir nur die Bequemlichkeit dazu geben, denn ohne dieselbe wäre ich nicht imstande, das große Unternehmen zu vollbringen, zu dem ich mich verbände. Darauf sagte Seine Exzellenz: ich sollte ihm schriftlich anzeigen, was ich verlangte, und zugleich alle Bedürfnisse bemerken; er wolle alsdann deshalb umständlichen Befehl erteilen. Gewiß, wäre ich damals so verschmitzt gewesen, alles, was zu meinem Werke nötig war, durch einen Kontrakt zu bedingen, so hätte ich mir nicht selbst so großen Verdruß zugezogen, den ich nachher erleben mußte; denn in diesem Augenblick schien der Herzog den besten Willen zu haben, teils Arbeiten von mir zu besitzen, teils alles Nötige deshalb zu befehlen. Freilich wußte ich nicht, daß dieser Herr auch sonst noch großes Verlangen zu andern außerordentlichen Unternehmungen hatte, und erzeigte mich auf das freimütigste gegen ihn.

Als ich nun mein Bittschreiben eingereicht und der Herzog darauf vollkommen günstig geantwortet hatte, sagte ich zu demselben: Gnädigster Herr! das wahre Bittschreiben und unser wahrer Kontrakt besteht weder in diesen Worten noch in diesen Papieren, sondern alles kömmt darauf an, ob mir meine Arbeit so gelingt, wie ich versprochen habe. Geschieht das, so kann ich hoffen, daß Eure Exzellenz sich auch meiner Person und Ihrer Versprechungen erinnern werde. Bezaubert von diesen Worten, von meinem Handeln und Reden, erzeigten mir der Herzog und seine Gemahlin die äußerste Gunst, die sich in der Welt denken läßt. Ich, der ich große Begierde hatte, meine Arbeit anzufangen, sagte Seiner Exzellenz, daß ich ein Haus nötig hätte, worin Platz genug sei, um meine Öfen aufzustellen und Arbeiten von Erde und Erz zu machen, worin auch abgesonderte Räume sich befänden, um in Gold und Silber zu arbeiten; denn da ich wisse, wie geneigt er sei, auch von solcher Arbeit zu bestellen, so bedürfe ich hinlängliche Zimmer, um alles mit Ordnung anlegen zu können. Und damit Seine Exzellenz sähe, welches Verlangen ich trüge, Ihr zu dienen, so habe ich schon das Haus gefunden, gerade wie ich es bedürfe, und in der Gegend, die mir sehr wohl gefalle; weil ich aber nicht eher Geld oder sonst was von Seiner Exzellenz verlange, bis Sie meine Werke gesehen hätten, so bäte ich, zwei Kleinode, die ich aus Frankreich mitgebracht habe, anzunehmen und mir dagegen das gedachte Haus zu kaufen, sie selbst aber so lange aufzuheben, bis ich sie mit meinen Arbeiten wiedergewinnen würde. Es waren aber diese Kleinode sehr gut gearbeitet, von der Hand meiner Gesellen nach meinen Zeichnungen.

Nachdem er sie lange genug betrachtet hatte, sagte er diese günstigen Worte, welche mir die beste Hoffnung gaben: Nimm, Benvenuto, deine Kleinode zurück, denn ich verlange dich und nicht sie; du sollst dein Haus frei erhalten. Dann schrieb er mir folgende Resolution unter meine Supplik, die ich immer aufgehoben habe: Man besehe gedachtes Haus und erkundige sich um den Preis, denn ich will Benvenuto damit zu Willen leben. Nun dachte ich des Hauses gewiß zu sein und war sicher, daß meine Werke mehr gefallen sollten, als ich versprochen hatte.

Nächst diesem hatte Seine Exzellenz ausdrücklichen Befehl seinem Haushofmeister gegeben, der Peter Franziskus Riccio hieß, von Prato gebürtig und ehemals ein ABC-Lehrer des Herzogs gewesen war. Ich sprach mit dieser Bestie und sagte ihr alles, was ich bedürfte; denn in dem Garten des gedachten Hauses wollte ich meine Werkstatt aufbauen. Sogleich gab der Mann einem gewissen Kassierer den Auftrag, der ein trockner und spitzfindiger Mensch war und Lattanzio Gorini hieß. Dieses Menschchen, mit seinen Spinnemanieren und einer Mückenstimme, tätig wie eine Schnecke, ließ mir mit genauer Not nur so viel Steine, Sand und Kalk ins Haus fahren, daß man nicht gar einen Taubenschlag daraus hätte bauen können. Da ich sah, daß die Sachen so böslich kalt vorwärtsgingen, fing mir an der Mut zu fallen; doch sagte ich manchmal zu mir selbst: Kleine Anfänge haben ein großes Ende! Und machte mir wieder Hoffnung, wenn ich betrachtete, wie viele tausend Dukaten der Herzog an gewisse häßliche Unformen von der Hand des bestialischen Baccio Bandinello weggeworfen hatte. So machte ich mir selbsten Mut und blies dem Lattanzio Gorini in den H***, und um ihn nur vom Platze zu bringen, hielt ich mich an einige lahme Esel und einen Blinden, der sie führte.

Unter allen diesen Schwierigkeiten hatte ich die Lage der Werkstatt entworfen, hieb Weinstöcke und Bäume nieder, nach meiner gewöhnlichen lebhaften Art, und ein wenig wütend. Zu meinem Glück hatte ich von der andern Seite Tasso, den Zimmermann, zur Hand, und ich ließ ihn ein Gerippe von Holz machen, um gedachten Perseus im großen anzufangen. Tasso war ein trefflicher Arbeiter, ich glaube, der größte von seiner Profession, dabei gefällig und froh, und sooft ich zu ihm kam, eilte er mir entgegen und sang ein Liedchen durch die Fistel, und ich, der ich schon halb verzweifelt war, sowohl weil ich hörte, daß die Sache in Frankreich übel ging, als auch weil ich mir hier wenig von dem kalten und langsamen Wesen versprach, mußte doch wenigstens über die Hälfte seines Liedchens anhören. Manchmal erheiterte ich mich mit ihm und suchte wenigstens einen Teil meiner verzweifelten Gedanken loszuwerden.

So hatte ich nun, wie oben gesagt, alles in Ordnung gebracht und eilte vorwärtszugehen, um so schnell als möglich jenes große Unternehmen vorzubereiten. Schon war ein Teil des Kalks verwendet, als ich auf einmal zu gedachtem Haushofmeister gerufen wurde. Ich fand ihn, nach Tafel, in dem Saale der Uhr, und als ich mit der größten Ehrfurcht zu ihm trat, fragte er mich mit der größten Strenge: wer mich in das Haus eingesetzt habe? und mit welcher Befugnis ich darin angefangen habe, mauern zu lassen? Er verwundere sich sehr, wie ich so kühn und anmaßlich sein könne. Darauf antwortete ich: Seine Exzellenz der Herzog habe mich in dieses Haus eingewiesen und im Namen desselben der Herr Haushofmeister selbst, indem er darüber den Auftrag an Lattanzio Gorini gegeben; dieser Lattanzio habe Steine, Sand und Kalk anfahren lassen und nach meinem Verlangen alles besorgt und mich versichert, er habe dazu Befehl von dem Herrn, der gegenwärtig diese Frage an mich tue.

Als ich diese Worte gesagt hatte, wendete sich gedachte Bestie mit mehr Bitterkeit zu mir als vorher und sagte, daß weder jener noch irgend jemand, den ich anführe, die Wahrheit gesprochen habe. Darauf wurde ich unwillig und sagte: O Haushofmeister! solange Dieselben der edlen Stelle gemäß leben, welche Sie bekleiden, so werde ich Sie verehren und mit derjenigen Unterwürfigkeit zu Ihnen sprechen, als wenn ich mit dem Herzog selbst redete; handeln Sie aber anders, so werde ich nur den Peter Franziskus del Riccio vor mir sehen. Da wurde der Mensch so zornig, daß ich dachte, er wollte auf der Stelle närrisch werden, um früher zu seinem Schicksale zu gelangen, das ihm der Himmel schon bestimmt hatte, und sagte zu mir mit einigen schimpflichen Worten: er verwundere sich nur, wie ich zu der Ehre komme, mit einem Manne seinesgleichen zu reden. Darauf rührte ich mich und sagte: Nun hört mich, Franziskus del Riccio! ich will Euch sagen, wer meinesgleichen sind. Aber vorher sollt Ihr wissen: Euresgleichen sind Schulmeister, die Kindern das Lesen lehren. Als ich diese Worte gesprochen hatte, erhub der Mann mit zornigem Gesichte die Stimme und wiederholte seine Worte; auch ich machte ein Gesicht wie unter den Waffen, und weil er so großtat, so zeigte ich mich auch übermütig und sagte: meinesgleichen seien würdig, mit Päpsten, Kaisern und großen Königen zu sprechen; meinesgleichen ginge vielleicht nur einer durch die Welt, und von seiner Art durch jede Türe ein Dutzend aus und ein. Als er diese Worte vernahm, sprang er auf ein Fenstermäuerchen, das im Saal war; dann sagte er mir: ich solle noch einmal die Worte wiederholen, deren ich mich bedient hätte! und ich wiederholte sie mit noch mehr Kühnheit als vorher. Ferner sagte ich: es kümmere mich gar nicht, dem Herzog zu dienen; ich wolle nach Frankreich zurück, welches mir völlig frei stehe. So blieb die Bestie erstaunt und erdfarb, und ich entfernte mich voller Verdruß, in der Absicht, in Gottes Namen fortzugehen. Und wollte Gott, ich hätte sie nur ausgeführt!

Ich wollte nicht, daß der Herzog sogleich diese Teufelei erfahren sollte, deswegen hielt ich mich einige Tage zu Hause und hatte alle Gedanken auf Florenz aufgegeben, außer was meine Schwester und meine Nichten betraf, die ich durch Empfehlungen und Vorsorge so gut als möglich eingerichtet hinterlassen, nach Frankreich zurückkehren und mir Italien aus dem Sinne schlagen wollte. Und so hatte ich mir vorgenommen, so geschwind als möglich alles in Ordnung zu bringen und ohne Urlaub des Herzogs oder jemand anders davonzugehen.

Eines Morgens ließ mich aber gedachter Haushofmeister von selbst auf das höflichste rufen und fing an, eine gewisse pedantische Rede herzusagen, in der ich weder Art noch Anmut noch Kraft, weder Anfang noch Ende finden konnte. Ich hörte nur, daß er sagte: er wolle als ein guter Christ keinen Haß gegen jemanden hegen, vielmehr frage er mich im Namen des Herzogs, was für eine Besoldung ich zu meinem Unterhalt verlange? Darauf besann ich mich ein wenig und antwortete nicht, fest entschlossen, nicht dazubleiben. Als er sah, daß ich nicht antwortete, hatte er so viel Verstand zu sagen: O Benvenuto! den Herzogen antwortet man, und ich rede gegenwärtig im Namen Seiner Exzellenz mit dir. Darauf versetzte ich mit einiger Zufriedenheit: er solle Seiner Exzellenz sagen, ich wolle keinem nachstehen, der in meiner Kunst arbeitete. Darauf sagte der Haushofmeister: Bandinello hat zweihundert Scudi Besoldung; bist du damit zufrieden, so ist auch die deinige gemacht. Ich sagte, daß ich zufrieden sei, und das, was ich mehr verdiente, möchte man mir geben, wenn man meine Werke sähe; ich wolle dem guten Urteil Seiner Exzellenz alles überlassen. So knüpfte ich den Faden wider meinen Willen aufs neue fest und machte mich an die Arbeit, indem mir der Herzog so unendliche Gunst bezeigte, als man sich in der Welt nur denken kann.


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