Benvenuto Cellini
Leben des Benvenuto Cellini
Benvenuto Cellini

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Neuntes Kapitel

Madame d'Estampes, in der Absicht, den Autor ferner zu verfolgen, erbittet von dem König für einen Destillateur die Erlaubnis, das Ballhaus in Klein-Nello [Petit-Nesle] zu beziehen. – Cellini widersetzt sich und nötigt den Mann, den Ort zu verlassen. – Der Autor triumphiert, indem der König sein Betragen billigt. – Er begibt sich nach Fontainebleau mit der silbernen Statue des Jupiters. – Bologna, der Maler, der eben Abgüsse antiker Statuen in Erz von Rom gebracht, versucht, den Beifall, den der Autor erwartet, zu verkümmern. – Parteilichkeit der Madame d'Estampes für Bologna. – Des Königs gnädiges und großmütiges Betragen gegen den Autor. – Lächerliches Abenteuer des Ascanio.

Madame d'Estampes erfuhr alles, was geschehen war, und ward nur giftiger gegen mich, indem sie bei sich selbst sagte: Ich regiere gegenwärtig die Welt, und ein kleiner Mensch dieser Art achtet mich nicht. Nun setzte sie sich recht in den Gang, um gegen mich zu arbeiten. Da kam ihr ein Mann zur Hand, der ein großer Destillierer war und ihr einige wohlriechende und wundersame Wasser übergab, welche die Haut glatt machten, dergleichen man sich niemals vorher in Frankreich bedient hatte; sie stellte ihn auch dem König vor, dem er einige abgezogene Wasser überreichte und diesem Herrn damit viel Vergnügen machte. In einem so günstigen Augenblick trieb sie den Mann an, vom König das Ballspiel zu begehren, das ich in meinem Schloß hatte, nebst einigen kleinen Zimmern, von denen sie sagte, daß ich mich derselben nicht bediene. Der gute König, der recht wohl einsah, woher die Sache kam, antwortete nicht. Madame d'Estampes aber wußte nachher ihren Willen auf die Weise durchzusetzen, wie es den Weibern bei den Männern gelingt, und ihr Plan ging durch: denn sie benutzte eine verliebte Stimmung des Königs, der er manchmal unterworfen war, und Madame erhielt, was sie verlangte. Darauf kam gedachter Mann mit dem Schatzmeister Grolier, der sehr gut italienisch sprach, einem großen französischen Edelmann. Dieser fing erst an, mit mir zu scherzen, dann kam er auf die Sache und sagte: Im Namen des Königs setze ich diesen Mann in Besitz des Ballspiels und der kleinen Häuser, die dazu gehören. Darauf versetzte ich: Der heilige König ist Herr von allem, und alles kommt von ihm, deswegen könnt Ihr frei hineintreten; da man aber auf diese gerichtliche Weise durch Notarien den Mann einsetzt, so sieht es mehr einem Betrug als einem königlichen Auftrag ähnlich, und ich versichre Euch, daß ich, anstatt mich beim Könige zu beklagen, mich selbst verteidigen werde, wie Seine Majestät mir noch vor kurzem befohlen hat. Ich werde Euch den Mann, den Ihr mir hier hereinsetzt, zum Fenster hinauswerfen, wenn ich nicht ausdrücklichen Befehl von des Königs eigner Hand sehe.

Da ging der Schatzmeister murmelnd und drohend hinweg; ich blieb und tat desgleichen, denn ich wollte vorerst nichts weiter unternehmen. Sodann ging ich zu den Notarien, die diesen Mann in Besitz gesetzt hatten. Sie waren meine guten Freunde und sagten: es sei eine Zeremonie, die wohl auf Befehl des Königs geschehen sei, aber nicht viel bedeuten wolle, denn wenn ich ein wenig widerstanden hätte, so wäre der Mann gar nicht in Besitz gekommen; es seien dieses Handlungen und Gewohnheiten des Gerichtshofs, wobei das Ansehen des Königs gar nicht zur Sprache komme, und wenn ich ihn aus dem Besitz werfen könne, wie er hineingekommen sei, so wäre es wohlgetan und würde weiter keine Folgen haben.

Mir war dieser Wink hinreichend, und ich nahm den andern Tag die Waffen zur Hand, und ob es mir gleich ein wenig sauer wurde, so hatte ich doch meinen Spaß dran; denn ich tat alle Tage einmal einen Angriff mit Steinen, Piken und Flinten, und ob ich gleich ohne Kugeln schoß, so setzte ich sie doch in solches Schrecken, daß niemand mehr kommen wollte, ihm beizustehen. Da ich nun eines Tags seine Partei schwach fand, drang ich ins Haus mit Gewalt, verjagte ihn und warf alles heraus, was er hereingebracht hatte; dann ging ich zum Könige und sagte: ich hätte alles nach dem Befehl Seiner Majestät getan und mich gegen diejenigen gewehrt, die mich an seinen Diensten verhindern wollten. Der König lachte und ließ mir neue Briefe ausfertigen, daß man mich nicht weiter belästigen sollte.

Indessen endigte ich mit großer Sorgfalt den schönen Jupiter von Silber mit seiner vergoldeten Base, die ich auf einen hölzernen Untersatz gestellt hatte, der wenig zu sehen war, und in denselben hatte ich vier hölzerne Kügelchen gefügt, die über die Hälfte in ihren Vertiefungen verborgen waren, und alles war so gut eingerichtet, daß ein kleines Kind sehr leicht nach allen Seiten die gedachte Statue des Jupiters bewegen konnte. Da ich sie nun auf meine Weise zurechte gemacht hatte, brachte ich sie nach Fontainebleau, wo der König war. Zu der Zeit hatte Bologna die gedachten Statuen von Rom zurückgebracht und sie mit großer Sorgfalt in Erz gießen lassen; ich wußte nichts davon, teils weil er die Sache sehr heimlich hielt, teils weil Fontainebleau über vierzig Miglien von Paris entfernt ist, daher ich nichts erfuhr. Als ich beim König anfragen ließ, wo er den Jupiter zu sehen verlange, war Madame d'Estampes gegenwärtig und sagte: es sei kein geschickterer Ort, um ihn aufzustellen, als in seiner schönen Galerie. Das war, wie wir in Toskana sagen würden, eine Loge, oder vielmehr ein Gang: denn wir nennen ›Loge‹ die Zimmer, die von einer Seite offen sind. Es war aber dieses Zimmer mehr als hundert Schritte lang und außerordentlich reich verziert mit Malereien von der Hand des trefflichen Rosso, eines unserer Florentiner; unter den Gemälden war viele Arbeit von Bildhauerkunst angebracht, einige rund, einige halberhaben. Es konnte ungefähr zwölf Schritte breit sein. In dieser Galerie hatte Bologna alle die gedachten Arbeiten von Erz, die sehr gut vollendet waren, in bester Ordnung aufgestellt, jede auf ihrem Piedestal, und es waren, wie ich schon oben sagte, die besten Arbeiten der Alten in Rom.

In gedachtes Zimmer brachte ich meinen Jupiter, und als ich diese große Vorbereitung sah und erkannte, daß sie mit Fleiß gemacht sei, dachte ich bei mir selbst: Das ist, als wenn man durch die Piken laufen müßte! nun helfe mir Gott! Ich stellte die Statue an ihren Ort, soviel ich vermochte, aufs beste zurecht und erwartete die Ankunft des großen Königs. Jupiter hatte in seiner rechten Hand den Blitz, in der Stellung, als wenn er ihn schleudern wollte; in die linke hatte ich ihm die Welt gegeben und hatte zwischen die Flamme des Blitzes mit vieler Geschicklichkeit ein Stück weiße Kerze angebracht. Nun hatte Madame d'Estampes den König bis zur einbrechenden Nacht aufgehalten, um mir eins von den beiden Übeln zuzufügen: entweder daß er gar nicht käme, oder daß mein Werk in der Nacht sich weniger ausnehmen sollte. Wie aber Gott denjenigen beisteht, welche an ihn glauben, so geschah das Gegenteil ganz. Denn als es Nacht wurde, zündete ich die Kerze an, die Jupiter in der Hand hielt, und weil sie etwas über den Kopf erhaben stand, fielen die Lichter von oben und gaben der Statue ein schöneres Ansehen, als sie bei Tage würde gehabt haben. Nun kam der König mit seiner Madame d'Estampes, mit dem Dauphin, seinem Sohn, der gegenwärtig König ist; auch war die Dauphine, der König von Navarra und Madame Margareta, seine Tochter, dabei nebst vielen großen Herren, die von Madame d'Estampes unterrichtet waren, gegen mich zu sprechen.

Als ich den König hereintreten sah, ließ ich durch meinen Gesellen Ascanio ganz sachte den schönen Jupiter vorwärtsbewegen, und weil die Statue gut und natürlich gemacht war und ich selbst in die Art, wie sie bei der Bewegung schwankte, einige Kunst gelegt hatte, so schien sie lebendig zu sein. Die Gesellschaft ließ jene antiken Statuen hinter sich und betrachtete zuerst mein Werk mit vielem Vergnügen. Sogleich sagte der König: Das ist eine schönere Arbeit, als jemals ein Mensch gesehen hat, und ich, der ich mich doch an dergleichen Dingen vergnüge und sie verstehe, hätte mir sie nicht den hundertsten Teil so gut vorgestellt. Die Herren, die gegen mich sprechen sollten, waren umgewendet und konnten das Werk nicht genug loben; Madame d'Estampes sagte aber auf eine kühne Weise: Es scheint, als wenn Ihr nur zu loben hättet. Sehet Ihr nicht, wie viel schöner alle Figuren von Erz hier stehen, in welchen die wahre Kraft dieser Kunst besteht, und nicht in solchen modernen Aufschneidereien? Darauf machte der König eine Bewegung, und die ändern zugleich, und warf einen Blick auf gedachte Figuren, die aber, weil die Lichter tiefer stunden, sich nicht gut ausnahmen. Darauf sagte der König: Wer diesen Mann heruntersetzen wollte, hat ihn sehr begünstigt; denn eben bei diesen herrlichen Figuren sieht und erkennt man, daß die seinige viel schöner und wundersamer ist, und man muß den Benvenuto sehr in Ehren halten, da seine Arbeiten nicht allein den alten gleich sind, sondern sie noch übertreffen! Madame d'Estampes sagte: wenn man von diesem Werke sprechen wollte, so müßte man es bei Tage sehen, weil es alsdann nicht ein Tausendteil so schön als bei Nacht erscheinen würde; auch müsse man betrachten, daß ich der Figur einen Schleier umgeworfen habe, um ihre Fehler zu verbergen.

Es war das ein sehr feiner Schleier, den ich mit vieler Anmut dem Jupiter umgelegt hatte, damit er majestätischer aussehen sollte. Ich faßte ihn darauf an, indem ich ihn von unten aufhub, die schönen Zeugungsglieder entdeckte und, indem ich ein wenig Verdruß zeigte, ihn ganz zerriß. Nun dachte sie, ich habe ihr das zum Verdruß getan; der König aber merkte meinen Ärger, und daß ich, von der Leidenschaft hingerissen, anfangen wollte, zu reden. Da sagte der weise König in seiner Sprache diese verständigen Worte: Benvenuto! ich schneide dir das Wort im Munde ab, und du sollst tausendmal mehr Belohnung erhalten, als du erwarten kannst. Da ich nicht reden konnte, machte ich die leidenschaftlichsten Bewegungen, und sie brummte immer auf eine verdrießliche Weise. Da ging der König geschwinder, als er sonst getan hätte, weg und sagte laut, um mir Mut zu machen, daß er aus Italien den vollkommensten Mann gezogen habe, der jemals zu solchen Künsten geboren worden sei.

Ich ließ den Jupiter daselbst, und da ich morgens weggehen wollte, empfing ich tausend Goldgülden. Zum Teil war es meine Besoldung, zum Teil Rechnung, weil ich von dem Meinigen ausgelegt hatte. Ich nahm das Geld, ging munter und vergnügt nach Paris. Sogleich ergötzte ich mich in meinem Hause und ließ nach Tische meine Kleider herbeibringen, die von dem feinsten Pelzwerk waren sowie von dem feinsten Tuche; davon machte ich allen meinen Arbeitern ein Geschenk, indem ich jedem nach seinem Verdienste gab, sogar den Mägden und den Stallburschen, und sprach ihnen allen Mut ein, mir mit gutem Willen zu helfen. Ich arbeitete nun auch wieder mit vollkommener Lebhaftigkeit und hatte zum Endzweck, mit großem Nachdenken und aller Sorgfalt die Statue des Mars zu endigen, deren Modell von Holz ich mit Eisen wohl befestigt hatte.

Der Überzug war eine Kruste von Gips, ungefähr ein Achtteil einer Elle stark und fleißig gearbeitet. Dann hatte ich veranstaltet, gedachte Figur in vielen Stücken auszuarbeiten und sie zuletzt mit Schwalbenschwänzen zu verbinden, wie es die Kunst fordert und wie ich sehr leicht tun konnte.

Nun will ich doch auch an diesem Orte ein Abenteuer erzählen, das bei Gelegenheit dieses großen Werkes vorfiel und das wirklich lachenswert ist. Ich hatte allen, die in meinen Diensten waren, verboten, daß sie mir keine Mädchen ins Kastell bringen sollten, und ich war zugleich sehr wachsam, daß es nicht geschehe. Nun war Ascanio in ein außerordentlich schönes Mädchen verliebt und sie in ihn; sie floh deshalb von ihrer Mutter und kam eines Nachts, um Ascanio aufzusuchen, wollte aber nicht wieder weg, und er wußte nicht, wohin er sie verbergen sollte. Zuletzt, als ein erfinderischer Kopf, versteckte er sie in die Figur des Mars und richtete ihr im Kopfe des Bildnisses eine Schlafstelle zu, wo sie sich lange aufhielt und des Nachts manchmal von ihm ganz stille abgeholt wurde. Nun war der Kopf beinahe vollendet, und ich ließ ihn aus einiger Eitelkeit aufgedeckt, so daß ihn wegen der Höhe, worauf er stand, ein großer Teil von Paris sehen konnte. Nun stiegen die Nachbarn auf die Dächer, und auf diese Art sahen ihn viele Menschen. Da man sich nun in Paris mit der Meinung trug, daß von alters her in meinem Schloß ein Geist umgehe, den sie Bovo hießen, ob ich gleich niemals das Geringste davon gespürt habe, so erhielt das Märchen durch diesen Zufall neue Kraft. Denn das Mädchen, das im Kopfe wohnte, mußte sich doch manchmal regen, und weil die Augen sehr groß waren, so konnte man die Bewegung von etwas Lebendigem gar wohl bemerken; daher sagte das dumme Volk, der Geist sei schon in die Figur gefahren und bewege ihr Augen und Mund, als wenn sie reden wolle. Selbst einige klügere Zuschauer hatten die Sache genau betrachtet, konnten das Leuchten der Augen nicht begreifen und versicherten, es müßte ein Geist dahinter stecken; sie wußten aber nicht, daß wirklich ein guter Geist darin war und ein guter Leib dazu.


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