Benvenuto Cellini
Leben des Benvenuto Cellini
Benvenuto Cellini

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Siebentes Kapitel

Kaiser Karl der Fünfte hält einen prächtigen Einzug in Rom. – Schöner Diamant, den dieser Fürst dem Papste schenkt. – Herr Durante und der Autor werden von Seiner Heiligkeit befehligt, die Geschenke dem Kaiser zu bringen. – Diese waren zwei türkische Pferde und ein Gebetbuch mit einem goldenen Deckel. – Der Autor hält eine Rede an den Kaiser, der sich mit ihm freundlich bespricht. – Ihm wird aufgegeben, den Diamanten zu fassen, den der Kaiser dem Papste geschenkt hatte. – Herr Latino Juvinale erfindet einige Geschichten, um Seine Heiligkeit gegen den Verfasser einzunehmen, der, als er sich vernachlässigt hält, nach Frankreich zu gehen den Entschluß faßt.

Ich hatte das Werk fast vollendet, als der Kaiser eintraf, dem man die herrlichsten Triumphbogen erbauet hatte. Die Pracht seines Einzuges mögen andere beschreiben, denn ich will mich nur auf das, was mich selbst angeht, einschränken. Gleich bei seiner Ankunft schenkte er dem Papst einen vortrefflichen Diamanten, den er für zwölftausend Scudi gekauft hatte. Der Papst übergab mir ihn sogleich, daß ich ihn in einen Ring nach dem Maß des Fingers Seiner Heiligkeit fassen sollte, doch wollte er erst das Büchelchen sehen, und wie weit ich damit sei. Als ich es brachte, war der Papst sehr damit zufrieden und befragte mich: was man wohl für eine gültige Entschuldigung finden könnte, da man dem Kaiser das Werk unvollendet überreichen müsse? Ich versetzte darauf, daß ich wohl nur meine Krankheit anführen dürfte, und Seine Majestät, wenn Sie mich so blaß und mager sähen, würden diese Entschuldigung wohl gelten lassen. Darauf versetzte der Papst: das sei ganz recht; ich sollte aber, wenn ich dem Kaiser das Geschenk brächte, hinzusetzen, der Papst mache Seiner Majestät ein Geschenk mit mir selbst; und darauf sagte er mir die Worte vor, wie ich mich ausdrücken sollte. Ich wiederholte sie ihm sogleich und fragte: ob es so recht sei. Er versetzte: Das wäre wohl gut und schön, wenn du auch das Herz hättest, dich vor einem Kaiser so auszudrücken. Darauf antwortete ich: es solle mir nicht an Mut fehlen, noch viel Mehreres zu sagen, denn der Kaiser sei nur gekleidet wie ich, und ich würde glauben, mit einem Menschen von meiner Art zu reden. Aber so gehe es mir nicht, wenn ich mit Seiner Heiligkeit spräche, in der ich eine höhere Gottheit erblickte, sowohl wegen der Würde der geistlichen Kleidung und Zierde als wegen des schönen Alters Seiner Heiligkeit, wodurch ich weit mehr in Verlegenheit gesetzt würde, als die Gegenwart des Kaisers jemals über mich vermöchte. Darauf sagte der Papst: Gehe, mein Benvenuto! du bist ein tüchtiger Mann; mache uns Ehre, und es soll dir fruchten.

Der Papst bestimmte noch zwei türkische Pferde für den Kaiser, die seinem Vorfahren Clemens gehört hatten; keine schönern waren jemals in die Christenheit gekommen. Er gab Durante, seinem Kämmerer, den Auftrag, er solle sie hinunter in die Galerie des Palastes führen und sie dort dem Kaiser verehren. Zugleich legte er ihm die Worte in den Mund, die er zu sagen hatte. Wir gingen zusammen hinunter, und als wir vor den Kaiser kamen, führte man die beiden Pferde herein, die mit solcher Majestät und Geschick durch die Zimmer schritten, daß der Kaiser und jedermann darüber erstaunt war. Da trat nun auch Herr Durante hervor, mit den ungeschicktesten Manieren, und verwickelte sich mit gewissen brescianischen Redensarten die Zunge dergestalt im Munde, daß man nichts Schlimmeres hätte hören noch sehen können und der Kaiser einigermaßen zum Lachen bewegt wurde.

Inzwischen hatte ich auch meine Arbeit aufgedeckt, und da ich bemerkte, daß der Kaiser auf die gefälligste Weise sich nach mir umsah, trat ich hervor und sagte: Geheiligte Majestät! unser heiligster Papst Paul läßt dieses Brevier Eurer Majestät überreichen: es ist geschrieben und gemalt von der Hand des größten Mannes, der jemals diese Kunst getrieben. Der reiche Deckel von Gold und Edelsteinen ist wegen meiner Krankheit unvollendet; deswegen übergibt seine Heiligkeit auch mich zugleich mit dem Buche, damit ich es bei Eurer Majestät vollende, wie alles übrige, was Sie sonst zu befehlen haben möchte, und Ihr diene, solange ich lebe. Darauf antwortete der Kaiser: Das Buch ist mir angenehm, und Ihr seid es auch; aber Ihr sollt es mir in Rom vollenden. Ist es fertig und seid Ihr geheilt, so kommt und bringt mirs! Indem er nun weiter mit mir sprach, nannte er mich beim Namen, worüber ich mich sehr verwunderte, denn mein Name war bisher in der Unterredung nicht vorgekommen. Er sagte darauf: er habe den Knopf des Pluvials gesehen, worauf ich für Papst Clemens so wundernswürdige Figuren gemacht habe. So sprachen wir umständlich eine ganze halbe Stunde, von verschiedenen trefflichen und angenehmen Gegenständen uns unterhaltend; und da mir weit größere Ehre widerfahren war, als ich mir versprochen hatte, ergriff ich eine kleine Pause des Gesprächs, neigte mich und ging weg.

Der Kaiser soll gesagt haben: Man zahle sogleich fünfhundert Goldgulden an Benvenuto! Und der, der sie hinauftrug, fragte: wo der Diener des Papstes sei, der mit dem Kaiser gesprochen habe? Da zeigte sich Herr Durante und entwendete mir die fünfhundert Gulden. Ich beklagte mich darüber beim Papste, der mir sagte: ich sollte ruhig sein. Er wisse, wie gut ich mich bei meiner Unterredung mit dem Kaiser gehalten habe, und von dem Gelde solle mir gewiß mein Teil nicht fehlen.

Ich kehrte in meine Werkstatt zurück und arbeitete mit großer Sorgfalt, den Diamanten zu fassen. Da schickte mir der Papst die vier ersten Juweliere von Rom zu, denn man hatte ihm gesagt, der Stein sei durch den ersten Goldschmied der Welt, Meister Miliano Targhetta in Venedig, gefaßt worden, und da der Diamant ein wenig zart sei, so müsse man beim Fassen mit vieler Vorsicht zu Werke gehn. Unter diesen vier Meistern war ein Mailänder, Gaio genannt, eine eingebildete Bestie. Was er am wenigsten verstand, glaubte er eben am besten zu verstehen. Die übrigen waren bescheidene und geschickte Leute. So fing denn auch der Gaio vor allen andern an zu reden und sagte: Bleibe ja bei der Folie des Miliano! denn vor der mußt du die Mütze abnehmen. Beim Fassen ist es die größte Kunst, die rechte Folie zu finden. Miliano ist der größte Juwelier, und das ist der gefährlichste Diamant.

Darauf versetzte ich: Desto größer ist die Ehre, in einer solchen Kunst mit einem so trefflichen Manne zu wetteifern. Dann wendete ich mich zu den andern Meistern und sagte: Seht! hier verwahre ich die Folie des Miliano. Ich will nun einige selbst versuchen und sehen, ob ich sie besser machen kann. Gelingt es mir nicht, so will ich diese wieder unterlegen. Nun, sagte Gaio, wenn dir das gerät, so will ich gern selbst die Mütze abziehen.

Nun fing ich mit großem Fleiß an, verschiedene Folien zu machen, deren Bereitung ich Euch an einem andern Orte lehren will. Gewiß ist es, dieser Diamant war der bedenklichste, der mir vor- und nachher in die Hand kam, und die Folie des Miliano war trefflich gemacht; doch ließ ich nicht nach, schärfte die Werkzeuge meines Verstandes und erreichte jene nicht nur, sondern übertraf sie wirklich. Da ich nun meinen Vorgänger übertroffen hatte, ging ich darauf aus, mich selbst zu übertreffen, und es gelang mir, auf einem neuen Wege noch eine vollkommnere Folie zu finden.

Da ließ ich die Goldschmiede berufen und zeigte ihnen den Diamant mit der Folie des Miliano und hernach mit der meinen; darauf sagte Raphael del Moro, der geschickteste unter ihnen: Benvenuto hat die Folie des Miliano übertroffen! Gaio wollte es nicht glauben, und kaum hatte er den Diamanten in der Hand, so rief er: Der Stein ist zweitausend Dukaten mehr wert als vorher! Nun versetzte ich: Da ich einen solchen Meister übertroffen habe, laßt sehen, ob ich mich selbst übertreffen kann. Darauf bat ich, sie möchten einen Augenblick verziehen, ging auf meinen Altan und schob die andere Folie unter. Als ich den Stein zurückbrachte, rief Gaio: So etwas habe ich in meinem Leben nicht gesehen! der Stein ist jetzt mehr als achtzehntausend wert, da wir ihn vorher nur auf zwölf tausend geschätzt hatten. Die andern Goldschmiede sagten darauf: Benvenuto ist die Ehre unserer Kunst, und wir müssen vor ihm und seinen Folien die Mütze wohl abnehmen. Gaio sagte: Jetzt will ich gleich zum Papste gehen, er soll tausend Goldgulden für die Fassung zahlen. Auch lief er wirklich sogleich hin und erzählte alles. Darauf schickte der Papst desselbigen Tages dreimal, ob der Ring nicht fertig wäre?

Um dreiundzwanzig trug ich den Ring hinauf, und weil ich freien Eintritt hatte, so hub ich den Vorhang an der Türe bescheiden auf. Ich sah den Papst mit dem Marchese del Guasto sprechen; sie schienen über gewisse Dinge nicht einig zu sein, und ich hörte den Papst sagen: Es geht nun einmal nicht, ich muß neutral bleiben, sonst habe ich nichts zu tun. Ich zog mich sogleich zurück; der Papst rief mich. Schnell trat ich hinein, und da ich ihm den schönen Diamant überreichte, zog er mich ein wenig beiseite, und der Marchese entfernte sich. Indem der Papst den Diamant ansah, sagte er leise: Benvenuto! fange etwas mit mir zu reden an, das wichtig aussieht, und höre nicht auf, solange der Marchese im Zimmer ist. Nun ging er mit mir auf und ab; es gefiel mir, daß ich mich bei dieser Gelegenheit zeigen konnte, und fing an, dem Papst zu erzählen, wie ich mich benommen hatte, dem Diamant die schöne Folie zu geben.

Der Marchese lehnte sich zur Seite an die Tapeten und wiegte sich von einem Fuß auf den andern; nun hatte ich zu meinem Diskurs ein solches Thema, daß ich drei ganze Stunden hätte reden können, um es recht auszuführen. Der Papst hörte mir mit Vergnügen zu und schien die unangenehme Gegenwart des Marchese zu vergessen. Ich hatte denn auch in meinen Vortrag den Teil von Philosophie gemischt, der zu dieser Kunst nötig ist, und hatte so beinah eine Stunde gesprochen; endlich fing es an, den Marchese zu verdrießen, und er ging halb erzürnt hinweg. Da erzeigte mir der Papst die vertrautesten Liebkosungen und sagte: Sei nur fleißig, Benvenuto! ich will dich anders belohnen als mit den tausend Gulden, die mir Gaio vorgeschlagen hat.

Als ich weg war, lobte mich der Papst vor seinen Leuten, worunter denn auch Latino Juvinale sich befand. Der war nun mein abgesagter Feind geworden und suchte, mir auf alle mögliche Weise zu schaden. Als er sah, daß der Papst mit so vieler Neigung und Kraft von mir sprach, versetzte er: Es ist kein Zweifel, Benvenuto ist ein Mann von außerordentlichen Talenten, und es ist ihm nicht zu verargen, daß er von seinen Landsleuten vorteilhaft denkt, nur sollte er auch wissen, wie man von einem Papste spricht. Denn es ist doch unvorsichtig, wenn er sagt: Clemens sei der schönste Fürst gewesen und dabei der würdigste, nur habe er leider kein Glück gehabt; bei Eurer Heiligkeit sei es ganz umgekehrt, die Krone scheine sich auf Ihrem Haupte zu betrüben, man glaube, nur einen gekleideten Strohmann zu sehen, und nur Ihr gutes Glück sei zu rühmen. Diese Worte brachte er mit einer so ungezwungenen Art vor, daß sie leider nur eine zu starke Wirkung taten und der Papst ihnen Glauben beimaß, da ich sie doch weder jemals gesagt noch auch irgend so etwas gedacht hatte. Wäre es dem Papste möglich gewesen, mir mit Ehren etwas Unangenehmes zu erzeigen, so hätte er es wohl getan; aber als ein Mann von großem Geiste schien er darüber zu lachen. Dessenungeachtet behielt er einen unversöhnlichen Haß gegen mich, wie ich bald merkte, denn ich konnte nur mit großer Mühe in die Zimmer gelangen. Da sah ich nun als einer, der an diesem Hofe viele Jahre gelebt hatte, wohl ein, daß mir jemand einen schlechten Dienst geleistet habe. Ich erkundigte mich auf geschickte Weise darnach und erfuhr die üble Nachrede, aber nicht den Urheber. Ich konnte mir auch damals nicht vorstellen, wer es gewesen sein könnte; hätte ich es gewußt, so hätte ich ihm die Rache mit dem Kohlenmaße zugemessen.

Als das Büchelchen fertig war, brachte ich es dem Papst, der, als er es erblickte, sich nicht enthalten konnte, mich höchlich zu loben; darauf bat ich ihn, er möchte mich es auch, wie er es mir versprochen, hinbringen lassen. Er versetzte: ich hätte meine Arbeit getan, und er wolle nun tun, was ihm gefiele. Und so befahl er, ich sollte gut bezahlt werden. Ich erhielt fünfhundert Goldgulden: so viel hatte ich ungefähr in zwei Monaten verdient, und alles übrige, was er mir versprochen hatte, war zunichte. Man rechnete den Ring für hundertundfünfzig Gulden, das übrige war für das Büchelchen, woran ich mehr als tausend verdient hatte; denn die Arbeit war äußerst reich an Figuren, Laubwerk, Schmelz und Juwelen. Ich nahm eben, was ich haben konnte, und setzte mir vor, mit Gott Rom zu verlassen. Der Papst schickte Herrn Sforza, einen seiner Nepoten, mit dem Büchelchen zum Kaiser, der es sehr lobte und äußerst zufrieden war, auch sogleich nach mir fragte. Der junge Sforza, den man schon abgerichtet hatte, versetzte: wegen meiner Krankheit sei ich nicht selbst gekommen. Das erfuhr ich alles wieder.


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