Benvenuto Cellini
Leben des Benvenuto Cellini
Benvenuto Cellini

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehntes Kapitel

Die Tochter des Raphael del Moro hat eine böse Hand; der Autor ist bei der Kur geschäftig, aber seine Absicht, sie zu heiraten, wird vereitelt. – Er schlägt eine schöne Medaille auf Papst Clemens VII. – Trauriges Ende seines Bruders, der zu Rom in einem Gefechte fällt. – Schmerz des Autors darüber, der seinem Bruder ein Monument mit einer Inschrift errichtet und den Tod rächt. – Seine Werkstatt wird bestohlen. – Außerordentliches Beispiel von der Treue eines Hundes bei dieser Gelegenheit. – Der Papst setzt großes Vertrauen auf den Autor und muntert ihn außerordentlich auf.

Noch arbeitete ich in der Werkstatt des Raphael del Moro, dessen ich oben erwähnte. Dieser brave Mann hatte ein gar artiges Töchterchen, auf die ich ein Auge warf und sie zu heiraten gedachte; ich ließ mir aber nichts merken und war vielmehr so heiter und froh, daß sie sich über mich wunderten. Dem armen Kinde begegnete an der rechten Hand das Unglück, daß ihm zwei Knöchelchen am kleinen Finger und eines am nächsten angegriffen waren. Der Vater war unaufmerksam und ließ sie von einem unwissenden Medikaster kurieren, der versicherte, der ganze rechte Arm würde dem Kinde steif werden, wenn nichts Schlimmeres daraus entstünde. Als ich den armen Vater in der größten Verlegenheit sah, sagte ich ihm: er solle nur nicht glauben, was der unwissende Mensch behauptete. Darauf bat er mich: weil er weder Arzt noch Chirurgus kenne, so möchte ich ihm einen verschaffen. Ich ließ sogleich den Meister Jakob von Perugia kommen, einen trefflichen Chirurgus. Er sah das arme Mädchen, das durch die Worte des unwissenden Menschen in die größte Angst versetzt war, sprach ihr Mut ein und versicherte, daß sie den Gebrauch ihrer ganzen Hand behalten solle, wenn auch die zwei letzten Finger etwas schwächer als die übrigen blieben. Da er nun zur Hülfe schritt und etwas von den kranken Knochen wegnehmen wollte, rief mich der Vater: ich möchte doch bei der Operation gegenwärtig sein! Ich sah bald, daß die Eisen des Meister Jakob zu stark waren, er richtete wenig aus und machte dem Kinde große Schmerzen. Ich bat, er möchte nur eine Achtelstunde warten und innehalten. Ich lief darauf in die Werkstatt und machte vom feinsten Stahl ein Eischen, womit er hernach mit solcher Leichtigkeit arbeitete, daß sie kaum einigen Schmerz fühlte und er in kurzer Zeit fertig war. Deswegen, und um anderer Ursachen willen, liebte er mich mehr als seine beiden Söhne und gab sich viele Mühe, das gute Mädchen zu heilen.

Ich hatte große Freundschaft mit einem Herrn Johann Gaddi, der Kämmerer des Papstes und ein großer Freund von Talenten war, wenn er auch selbst keine hatte. Bei ihm fand man immer die gelehrten Leute, Johann Greco, Ludwig von Fano, Antonio Allegretti und auch Hannibal Caro, einen jungen Fremden, Bastian von Venedig, einen trefflichen Maler, und mich. Wir gingen gewöhnlich des Tages einmal zu ihm. Der gute Raphael wußte von dieser Freundschaft und begab sich deswegen zum Herrn Johann Gaddi und sagte zu ihm: Mein Herr! Ihr kennet mich wohl, und da ich gern meine Tochter dem Benvenuto geben möchte, so wüßte ich mich an niemand besser als an Eure Gnaden zu wenden. Darauf ließ der kurzsichtige Gönner den armen Mann kaum ausreden, und ohne irgendeinen Anlaß in der Welt sagte er zu ihm: Raphael, denket mir daran nicht mehr! Ihr seid weiter von ihm entfernt als der Jänner von den Maulbeeren. Der arme niedergeschlagene Mann suchte schnell das Mädchen zu verheiraten, die Mutter und die ganze Familie machten mir böse Gesichter, ich wußte nicht, was das heißen sollte, und verdrießlich, daß sie mir meine treue Freundschaft so schlecht belohnten, nahm ich mir vor, eine Werkstatt in ihrer Nachbarschaft zu errichten. Meister Johann sagte mir nichts als nach einigen Monaten, da das Mädchen schon verheiratet war.

Ich arbeitete immer mit großer Sorgfalt, mein Hauptwerk zu endigen und die Münze zu bedienen, als der Papst aufs neue mir einen Stempel zu einem Stücke von zwei Karlinen auftrug, worauf das Bildnis Seiner Heiligkeit stehen sollte und auf der andern Seite Christus auf dem Meer, der St. Petern die Hand reicht, mit der Umschrift: Quare dubitasti? Die Münze gefiel so außerordentlich, daß ein gewisser Sekretär des Papstes, ein trefflicher Mann, Sanga genannt, sagte: Eure Heiligkeit kann sich rühmen, daß Sie eine Art Münze hat, wie die alten Kaiser mit aller ihrer Pracht nicht gesehen haben. Darauf antwortete der Papst: Aber auch Benvenuto kann sich rühmen, daß er einem Kaiser meinesgleichen dient, der ihn zu schätzen weiß. Nun war ich unausgesetzt mit der großen goldnen Arbeit beschäftigt und zeigte sie oft dem Papste, der immer mehr Vergnügen daran zu empfinden schien. Auch mein Bruder war um diese Zeit in Rom und zwar in Diensten Herzog Alexanders, dem der Papst damals das Herzogtum Penna verschafft hatte, zugleich mit vielen jungen tapfern Leuten aus der Schule des außerordentlichen Herrn Johann von Medicis, und der Herzog hielt so viel auf ihn als auf irgendeinen. Mein Bruder war eines Tages nach Tische unter den Bänken in der Werkstatt eines gewissen Baccino della Croce, wo alle die rüstigsten Brüder zusammenkamen; er saß auf einem Stuhle und schlief. Zu der Zeit gingen die Häscher mit ihrem Anführer vorbei und führten einen gewissen Kapitän Cisti, der auch aus der Schule des Herrn Giovanni war, aber nicht bei dem Herzog in Diensten stand. Als dieser vorbeigeführt wurde, sahe er den Kapitän Cattivanza Strozzi in der gedachten Werkstatt und rief ihm zu: Soeben wollt ich Euch das Geld bringen, das ich Euch schuldig bin; wollt Ihr es haben, so kommt, ehe es mit mir ins Gefängnis spaziert. Kapitän Cattivanza hatte keine große Lust, sich selbst aufs Spiel zu setzen, desto mehr, andere vorzuschieben; und weil einige von den tapfersten jungen Leuten gegenwärtig waren, die mehr Trieb als Stärke zu so großer Unternehmung hatten, sagte er ihnen: sie sollten hinzutreten und sich vom Hauptmann Cisti das Geld geben lassen. Wollten die Häscher widerstehn, so sollten sie Gewalt brauchen, wenn sie Mut hätten. Es waren vier unbärtige junge Leute. Der eine hieß Bertino Aldobrandi, der andere Anguillotto von Lucca, der übrigen erinnere ich mich nicht. Bertino war der Zögling und der wahre Schüler meines Bruders, der ihn über die Maßen liebte. Gleich waren die braven Jungen den Häschern auf dem Halse, die, mehr als vierzig stark, mit Piken, Büchsen und großen Schwertern zu zwei Händen bewaffnet einhergingen. Nach wenig Worten griff man zum Degen, und hätte sich Kapitän Cattivanza nur ein wenig gezeigt, so hätten die jungen Leute das ganze Gefolge in die Flucht geschlagen; aber so fanden sie Widerstand, und Bertino ward tüchtig getroffen, so daß er für tot zur Erden fiel. Auch Anguillotto ward auf den rechten Arm geschlagen, so daß er nicht mehr den Degen halten konnte, sondern sich so gut als möglich zurückziehen mußte. Bertino, gefährlich verwundet, ward aufgehoben.

Indessen diese Händel sich ereigneten, waren wir andern zu Tische, denn man hatte diesmal eine Stunde später gegessen. Der älteste Sohn stand vom Tische auf, um die Händel zu sehen. Ich sagte zu ihm: Giovanni, ich bitte dich, bleib da! In dergleichen Fällen ist immer gewiß zu verlieren und nichts zu gewinnen. So vermahnte ihn auch sein Vater, aber der Knabe sah und hörte nichts, lief die Treppe hinunter und eilte dahin, wo das dickste Getümmel war. Als er sah, daß Bertino aufgehoben wurde, lief er zurück und begegnete Cecchino, meinem Bruder, der ihn fragte: was es gebe? Der unverständige Knabe, ob er gleich von einigen gewarnt war, daß er meinem Bruder nichts sagen sollte, versetzte doch ganz ohne Kopf: die Häscher hätten Bertinen umgebracht. Da brüllte mein Bruder auf eine Weise, daß man es zehn Miglien hätte hören können, und sagte zu Giovanni: Kannst du mir sagen, wer mir ihn erschlagen hat? Der Knabe sagte: ja! es sei einer mit dem Schwert zu zwei Händen, und auf der Mütze trage er eine blaue Feder. Mein armer Bruder rannte fort, erkannte sogleich den Mörder am Zeichen, und mit seiner bewundernswerten Schnelligkeit und Tapferkeit drang er in die Mitte des Haufens, und ehe ein Mensch sichs versah, stach er dem Täter den Wanst durch und durch und stieß ihn mit dem Griff des Degens zur Erde. Alsdann wendete er sich gegen die andern mit solcher Gewalt, daß er sie alle würde in die Flucht gejagt haben, hätte er sich nicht gegen einen Büchsenträger gewendet, der zu seiner Selbstverteidigung losdrückte und den trefflichen unglücklichen Knaben über dem Knie des rechten Fußes traf. Da er niederlag, machten sich die Häscher davon, denn sie fürchteten sich vor einem andern dieser Art.

Der Lärm dauerte immer fort, und ich stand endlich vom Tische auf, schnallte meinen Degen an (wie denn damals jedermann bewaffnet ging) und kam zu der Engelsbrücke, wo ich einen großen Zudrang von Menschen sah. Einige, die mich kannten, machten mir Platz, und ich sah, was ich unerachtet meiner Neugierde gerne nicht gesehen hätte. Anfangs erkannte ich ihn nicht: er hatte ein anderes Kleid an, als ich kurz vorher an ihm gesehen hatte. Deswegen kannte er mich zuerst und sagte: Lieber Bruder! mein großes Übel beunruhige dich nicht; denn mein Beruf versprach mir ein solches Ende. Laß mich schnell hier wegnehmen, ich habe nur noch wenig Stunden zu leben. Nachdem ich seinen Fall in aller Kürze vernommen hatte, sagte ich zu ihm: Das ist der schlimmste, traurigste Fall, der mir in meinem ganzen Leben begegnen konnte; aber sei zufrieden, denn ehe dir der Atem ausgeht, sollst du dich noch durch meine Hände an dem gerochen sehen, der dich in diesen Zustand versetzt hat.

Solche kurze Worte wechselten wir gegeneinander. Die Häscher waren fünfzig Schritte von uns, denn Maffio, ihr Anführer, hatte vorher einen Teil zurückgeschickt, den Korporal zu holen, der meinen Bruder erschlagen hatte. Ich erreichte sie geschwinde, drängte mich, in meinen Mantel gewickelt, mit möglichster Schnelligkeit durchs Volk und war schon zu der Seite des Maffio gelangt, und gewiß, ich brachte ihn um, wenn nicht im Augenblick, als ich den Degen schon gezogen hatte, mir ein Berlinghieri in die Arme fiel, der ein tapferer Jüngling und mein großer Freund war. Vier seiner Gesellen waren mit ihm und sagten zu Maffio: Mache, daß du wegkommst, denn dieser allein bringt dich um! Maffio fragte: Wer ist es? Sie sagten: Es ist der leibliche Bruder von dem, der dort liegt. Da wollt er nichts weiter hören und machte, daß er sich eilig nach Torre di Nona zurückzog. Die andern sagten zu mir: Benvenuto! wenn wir dich gegen deinen Willen verhinderten, so ist es aus guter Absicht geschehen. Laß uns nun dem zu Hülfe kommen, der nicht lange mehr leben wird. So kehrten wir um und gingen zu meinem Bruder, den wir in ein Haus tragen ließen. Sogleich traten die Ärzte zusammen und verbanden ihn nach einiger Überlegung. Sie konnten sich nicht entschließen, ihm den Fuß abzunehmen, wodurch man ihn vielleicht gerettet hätte. Gleich nach dem Verbande erschien Herzog Alexander selbst, der sich sehr freundlich und teilnehmend gegen ihn bezeigte. Mein Bruder war noch bei sich und sagte zu ihm: Ich bedaure nur, daß Sie, gnädiger Herr, einen Diener verlieren, den Sie wohl braver, aber nicht treuer und anhänglicher finden können.

Der Herzog sagte: er möge für sein Leben sorgen, er sei ihm als ein wackrer und braver Mann bekannt; dann kehrte er sich zu seinen Leuten und sagte: sie sollten es an nichts fehlen lassen. Man konnte das Blut nicht stillen, er fing an, irre zu reden, und phantasierte die ganze Nacht; außer, da man ihm die Kommunion reichen wollte, sagte er: Ich hätte wohlgetan, früher zu beichten, denn gegenwärtig kann ich das heilige Sakrament in dieses schon zerstörte Gefäß nicht aufnehmen; es sei genug, daß ich es mit den Augen empfange, und durch diese soll meine unsterbliche Seele teil daran nehmen, die ihren Gott um Barmherzigkeit und Vergebung anfleht.

Sobald man das Sakrament weggenommen, fingen dieselben Torheiten wieder an, die aus den schrecklichsten Dingen, der ungeheuersten Wut und den fürchterlichsten Worten, die ein Mensch sich denken kann, zusammengesetzt waren, und so hörte er nicht auf, die ganze Nacht bis an den Morgen. Als die Sonne aufgegangen war, wendete er sich zu mir und sagte: Mein Bruder! ich will nicht länger hier bleiben, denn ich würde etwas tun, das jene bereuen sollten, die mir Verdruß gemacht haben. Alsbald warf er sich mit beiden Füßen herum, ob wir ihm gleich den einen in einen schweren Kasten gesteckt hatten, und gleichsam in der Bewegung eines, der zu Pferde steigen will, sagte er mir dreimal: Lebe wohl! und so schied diese tapfre Seele von dannen.

Abends zu gehöriger Stunde ließ ich ihn mit den größten Ehren in der Kirche der Florentiner begraben und ihm nachher einen schönen Leichenstein von Marmor setzen, auf welchem Siegeszeichen und Fahnen gebildet waren. Übergehen kann ich nicht, daß ein Freund meinen Bruder fragte: ob er wohl den Mann, der ihn verwundet, kenne? worauf denn der Sterbende hinter mir her einige Zeichen gab, die ich aber wohl bemerkte und wovon ich die Folgen bald erzählen werde.

Einige vorzügliche Gelehrte, die meinen Bruder wohl gekannt und seine Tapferkeit bewundert hatten, gaben mir eine Inschrift, mit der Versicherung, daß der außerordentliche Jüngling sie wohl verdiene. Sie lautete folgendermaßen:

Francisco Cellino Florentino, qui, quod in teneris annis ad Joannem Medicem ducem plures Victorias retulit et signifer fuit, facile documentum dedit, quantae fortitudinis et consilii vir erat futurus, ni crudelis fati archibuso transfossus quinto aetatis lustro jaceret, Benvenutus frater posuit. Obiit die XXVII. Maii M.D.XXIX.

Er war fünfundzwanzig Jahr alt, und ob er gleich Johann Franziskus Cellini hieß, so nannte man ihn doch unter seinen Kameraden Cecchin, den Pfeifer. Diesen Kriegsnamen ließ ich denn auch auf den Grabstein setzen, mit schönen antiken Buchstaben, die ich alle zerbrochen vorstellen lassen, außer dem ersten und letzten. Als mich nun die gelehrten Verfasser der Inschrift darüber befragten, erklärte ich ihnen, daß ich durch diese zerbrochenen Buchstaben das wundersame Werkzeug seines Körpers, das nun zertrümmert sei, vorstellen wollen. Der erste ganze Buchstabe hingegen solle die von Gott uns geschenkte Seele bedeuten, welche unzerstört in Ewigkeit bleibe, so wie der letzte den dauerhaften Ruhm des Verstorbenen anzeige. Dieser Gedanke fand Beifall; auch hat ihn ein und der andere in der Folge nachgeahmt.

Sodann ließ ich auf gedachten Stein das Wappen der Cellini setzen, jedoch mit einiger Veränderung. In Ravenna, einer sehr alten Stadt, finden sich unsere Cellinis als die geehrtesten Edelleute, welche einen aufwärts gerichteten, zum Kampf geschickten goldenen Löwen mit vorwärts geworfenen Pranken, in deren rechter er eine rote Lilie hält, im blauen Felde führen. Das Haupt des Schildes, von Silber, trägt einen roten Turnierkragen von vier Lätzen, zwischen welchen drei rote Lilien stehen. Unser Haus aber führt die Löwenpranke ohne Körper, mit allem übrigen, was ich erzählt habe: und so ließ ich auch das Wappen auf meines Bruders Grabstein setzen, nur daß ich statt der Lilie ein Beil anbrachte, um mich zu erinnern, daß ich ihn zu rächen habe.

Ich suchte nunmehr mit der größten Sorgfalt jene Arbeit in Gold, die der Papst so sehr verlangte, fertigzumachen; er ließ mich zwei-, dreimal die Woche rufen, und immer gefiel das Werk ihm besser. Öfters aber verwies er mir die große Traurigkeit um meinen Bruder. Eines Tages, als er mich über die Maßen niedergeschlagen sah, sagte er: Benvenuto! ich glaubte nicht, daß du so gar töricht wärest. Hast du denn nicht vorher gewußt, daß gegen den Tod keine Arznei ist? Du bist auf dem Wege, ihm nachzufolgen.

Indessen ich aber so an gedachter Arbeit und an den Stempeln für die Münze fortfuhr, hatte ich die Leidenschaft gefaßt, den, der meinen Bruder geliefert hatte, wie ein geliebtes Mädchen nicht aus den Augen zu lassen. Er war erst Kavallerist gewesen und hatte sich nachher als Büchsenschütze unter die Zahl der Häscher begeben, und was mich gegen ihn am grimmigsten machte, war, daß er sich seiner Tat noch berühmt und gesagt hatte: Wäre ich nicht gewesen, der den braven Kerl aus dem Wege räumte, so hätte er uns alle zu unserm größten Schaden in die Flucht geschlagen. Ich konnte nun wohl bemerken, daß meine Leidenschaft, ihn so oft zu sehen, mir Schlaf und Appetit nahm und mich den Weg zum Grabe führte; ich faßte also meinen Entschluß und scheute mich nicht vor einer so niedrigen und keineswegs lobenswürdigen Tat: genug, ich wollte eines Abends mich von diesem Zustande befreien.

Er wohnte neben einem Hause, in welchem eine der stolzesten Kurtisanen sich aufhielt, die man jemals in Rom reich und beliebt gesehen hatte. Man hieß sie Signora Antea. Es hatte eben vierundzwanzig geschlagen, als er, nach dem Nachtessen, den Degen in der Hand, an seiner Tür lehnte. Ich schlich mich mit großer Gewandtheit an ihn heran, und mit einem großen pistojesischen Dolch holte ich rücklings dergestalt aus, daß ich ihm den Hals rein abzuschneiden gedachte. Er wendete sich schnell um, der Stoß traf auf die Höhe der linken Schulter und beschädigte den Knochen. Er ließ den Degen fallen und entsprang, von Schmerzen betäubt. Mit wenig Schritten erreichte ich ihn wieder, hob den Dolch ihm über den Kopf, und da er sich niederbückte, traf die Klinge zwischen Hals und Nacken und drang so tief in die Knochen hinein, daß ich mit aller Gewalt sie nicht herausziehen konnte; denn aus dem Hause der Antea sprangen vier Soldaten mit bloßen Degen heraus, und ich mußte also auch ziehen und mich verteidigen. Ich ließ den Dolch zurück und machte mich fort, und um nicht erkannt zu werden, ging ich zu Herzog Alexander, der zwischen Piazza Navona und der Rotonda wohnte. Ich ließ mit ihm reden, und er ließ mich bedeuten, daß, wenn ich nicht verfolgt würde, sollte ich nur ruhig sein und keine Sorge haben; ich sollte mich wenigstens acht Tage inne halten und an dem Werke, das der Papst wünschte, zu arbeiten fortfahren.

Die Soldaten, die mich verhindert und den Dolch noch in Händen hatten, erzählten, wie die Geschichte gegangen war und was sie für eine Mühe gehabt, den Dolch aus dem Nacken und dem Halse des Verwundeten herauszubringen, den sie weiter nicht kannten. Zu ihnen trat Johann Bandini und sagte: Das ist mein Dolch, ich habe ihn Benvenuto geborgt, der seinen Bruder rächen wollte. Da bedauerten die Soldaten, daß sie mich nicht ganz gewähren lassen, ob ich ihm gleich so schon in reichlichem Maß seinen Frevel vergolten hatte.

Es vergingen mehr als acht Tage, daß der Papst mich nicht nach seiner Gewohnheit rufen ließ; endlich kam der bolognesische Kämmerer, mich abzuholen, der mich mit vieler Bescheidenheit merken ließ, daß der Papst alles wisse, aber mir demungeachtet sehr wohl wolle. Ich solle nur ruhig sein und fleißig arbeiten.

Der Papst sah mich mit einem grimmigen Seitenblick an: das war aber auch alles, was ich auszustehen hatte. Denn als er das Werk sah, fing er wieder an, heiter zu werden, und lobte mich, daß ich in kurzer Zeit so viel getan hätte; alsdann sah er mir ins Gesicht und sagte: Da du nun geheilt bist, so sorge für dein Leben! Ich verstand ihn und sagte: ich würde nicht fehlen.

Sodann eröffnete ich gleich eine schöne Werkstatt unter den Bänken, grad gegen Raphael del Moro über, und arbeitete an der Vollendung des oftgedachten Werks. Der Papst schickte mir alle Juwelen dazu, außer dem Diamanten, den er wegen einiger Bedürfnisse an Genueser Wechsler verpfändet und mir nur einen Abdruck davon gegeben hatte.

Durch fünf geschickte Gesellen, die ich hielt, ließ ich noch außerdem vieles arbeiten, so daß in meiner Werkstatt ein großer Wert an Juwelen, Gold und Silber sich befand.

Ich war eben neunundzwanzig Jahr alt und hatte eine Magd zu mir ins Haus genommen, von der größten Schönheit und Anmut. Sie diente mir zum Modell in meiner Kunst, und ich brachte die meisten Nächte mit ihr zu; und ob ich gleich sonst den leisesten Schlaf von der Welt hatte, so überfiel er mich doch unter solchen Umständen dergestalt, daß ich nicht zu erwecken war. Dieses begegnete mir auch eine Nacht, als ein Dieb bei mir einbrach, der unter dem Vorwand, er sei ein Goldschmied, meine Kostbarkeiten gesehen und den Plan gefaßt hatte, mich zu berauben. Er fand zwar verschiedene Gold- und Silberarbeiten vor sich, doch erbrach er einige Kästchen, um auch zu den Juwelen zu kommen.

Ein Hund, den mir Herzog Alexander geschenkt hatte und der so brauchbar auf der Jagd als wachsam im Hause war, fiel über den Dieb her, der sich mit dem Degen so gut verteidigte, als er konnte. Der Hund lief durch das Haus hin und wider, kam in die Schlafzimmer meiner Arbeiter, deren Türen bei der Sommerhitze offenstanden, und weckte die Leute teils durch sein Bellen, teils indem er ihre Decken wegzog, ja bald den einen, bald den ändern bei dem Arme packte. Dann lief er wieder mit erschrecklichem Bellen weg, als wenn er ihnen den Weg zeigen wollte; sie wurden diesen Unfug müde, und weil sie auf meinen Befehl immer ein Nachtlicht brannten, so griffen sie voll Zorn nach den Stöcken, verjagten den guten Hund und verschlossen ihre Türen. Der Hund, von diesen Schelmen ohne Hülfe gelassen, blieb fest auf seinem Vorsatze, und da er den Dieb nicht mehr in der Werkstatt fand, verfolgte er ihn auf der Straße und hatte ihm schon das Kleid vom Leibe gerissen. Der Dieb rief einige Schneider zu Hülfe, die schon auf waren, und bat sie um Gottes willen: sie möchten ihn von dem tollen Hund befreien; sie glaubten ihm, erbarmten sich seiner und verjagten den Hund mit großer Mühe.

Als es Tag ward, gingen meine Leute in die Werkstatt, und da sie die Türe erbrochen und offen und die Schubladen in Stücken fanden, fingen sie an, mit lauter Stimme Wehe über den Unfall zu schreien. Ich hörte es, erschrak und kam heraus. Sie riefen mir entgegen: Wir sind bestohlen! alles ist fort! die Schubladen sind alle erbrochen! Diese Worte taten so eine schreckliche Wirkung auf mich, daß ich nicht imstande war, vom Fleck zu gehen und nach der Schublade zu sehen, in welcher die Juwelen des Papstes waren. Mein Schrecken war so groß, daß mir fast das Sehen verging; ich sagte: sie sollten die Schublade öffnen! um zu erfahren, was von den Juwelen des Papstes fehle. Mit großer Freude fanden sie die sämtlichen Edelsteine und die Arbeit in Golde dabei; sie riefen aus: Nun ist weiter kein Übel! genug, daß dieser Schatz unberührt ist, ob uns gleich der Schelm nur die Hemden gelassen hat, die wir auf dem Leibe tragen; denn gestern abend, da es so heiß war, zogen wir uns in der Werkstatt aus und ließen unsere Kleider daselbst.

Schnell kam ich wieder zu mir, dankte Gott und sagte: Gehet nur und kleidet euch alle neu, ich will es bezahlen. Ich konnte mich nicht genug freuen, daß die Sache so abgelaufen war; denn was mich so sehr, gegen meine Natur, erschreckte, war, daß die Leute mir gewiß würden schuld gegeben haben, ich habe die Geschichte mit dem Dieb nur ersonnen, um den Papst um seine Juwelen zu bringen. Gleich in den ersten Augenblicken erinnerte ich mich, daß der Papst schon vor mir gewarnt worden war. Seine Vertrautesten hatten zu ihm gesagt: Wie könnt Ihr, Heiligster Vater, die Juwelen von so großem Werte einem Jüngling anvertrauen, der ganz Feuer ist, mehr an die Waffen als an die Kunst denkt und noch nicht dreißig Jahre hat? Der Papst fragte, ob jemand von mir etwas wisse, das Verdacht erregen könne? Franziskus del Nero antwortete: Nein! er hat aber auch noch niemals solche Gelegenheit gehabt. Darauf versetzte der Papst: Ich halte ihn für einen vollkommen ehrlichen Mann, und wenn ich selbst ein Übel an ihm sähe, so würde ich es nicht glauben.

Ich erinnerte mich gleich dieses Gesprächs, brachte, so gut ich konnte, die Juwelen an ihre Plätze und ging mit der Arbeit geschwind zum Papste, dem Franziskus del Nero schon etwas von dem Gerüchte, daß meine Werkstatt bestohlen sei, gesagt hatte. Der Papst warf mir einen fürchterlichen Blick zu und sagte mit heftiger Stimme: Was willst du hier? was gibts? Sehet hier Eure Juwelen! sagte ich, es fehlt nichts daran. Darauf erheiterte der Papst sein Gesicht und sagte: So sei willkommen! und indes er die Arbeit ansah, erzählte ich ihm die ganze Begebenheit, meinen Schrecken, und was mich eigentlich in so große Angst gesetzt habe. Der Papst kehrte sich einigemal um, mir ins Gesicht zu sehen, und lachte zuletzt über alle die Umstände, die ich ihm erzählte. Endlich sprach er: Geh und sei ein ehrlicher Mann, wie ich dich gekannt habe!


 << zurück weiter >>