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Alte Feuerstätten

Sie fragen mich, warum ich als alter Junggeselle hier sitze, einsam und vergrämt –? Sicher hätte ich auch wie andere Männer heiraten können! Und warum es denn gar keine Frauengeschichten über mich gebe –?

Natürlich hätte ich heiraten können, und eine Frauengeschichte hat es bei mir auch einmal gegeben. Das ist so lange her, daß es bald nicht mehr wahr ist; nur ich weiß davon und vielleicht Ria. Aber das glaube ich nicht, sie wird längst nicht mehr daran denken.

Ich nannte sie – bei mir – Ria, ihr richtiger Name war Erika von Schütz, und ihr Vater war der Besitzer einer großen Begüterung im Osten. Sie waren beide sehr hochfahrende Leute, oft sah ich Vater und Tochter an mir vorüberreiten, aber sie erwiderten nie den Gruß ihres armen Inspektors, der im Beamtenhaus Grütze mit Magermilch essen mußte, während sie eine Tafel mit ich weiß nicht wieviel Gängen absolvierten. Ich nahm es ihnen nicht übel, daß sie so hochmütig waren und über mich fortsahen, damals empfand man es noch als selbstverständlich, daß es Reiche und Arme gab, und Armsein war eigentlich eine Schande.

Nein, ich verehrte Erika von Schütz vielleicht sogar doppelt wegen ihres Hochmuts, sie, die ich innerlich bei mir Ria nannte und die mein Herz erheben machte, wenn ich sie nur von weitem sah. Übrigens erschien sie mir ganz unerreichbar. Später, als ich schon länger auf der Begüterung arbeitete, verwendete sie mich zu mancherlei Botengängen: Ich mußte ihr Reitpferd auf und ab führen, ein Briefchen über Land einem gewissen Herrn zustellen, und einmal hatte ich sogar Wache zu stehen vor dem Gartenhaus, als sie mit diesem gewissen Herrn darin war, damit der Vater sie nicht überraschte.

Wenn sie bei solchen Gelegenheiten mit mir sprechen mußte, nahm ihr Gesicht einen gelangweilten, ja fast geekelten Ausdruck an, als sähe sie eine Spinne oder sonst ein ihr widerliches Tier. Und doch liebte ich sie – ich liebte sie mit der ganzen Kraft meines heißen jungen Herzens, und jedes ihrer so verächtlich hervorgestoßenen Worte war holdeste Musik in meinen Ohren. Einmal sagte sie bei solcher Gelegenheit ganz überraschend zu mir: »Wissen Sie eigentlich, daß Sie in Ihrer Art eigentlich ein ganz hübscher Bursche sind, Wrede?« Und gleich darauf wie angewidert: »Aber das werden Ihnen die Hofmädchen oft genug gesagt haben! Gehen Sie, gehen Sie bloß, Mensch, wagen Sie nicht, mich derart anzustarren! Und Punkt vier liefern Sie mir den Antwortbrief ab, verstanden –?!«

Damit ließ sie den Gaul so kurz kehrtmachen, daß er mich mit seiner Hinterhand fast umgestoßen hätte, und ritt ab, einen schmalen Fußweg durch die Büsche des Parks, daß die Ruten ihr um die Ohren pfiffen, aber darum beugte sie ihren Nacken noch lange nicht! Dies war übrigens die einzige Gelegenheit, bei der sie mit mir ein persönliches Wort sprach, mir zeigte, daß sie mein Gesicht je angesehen hatte. Sonst tat sie immer so, als könne sie sich nicht genau auf mich und meinen Namen besinnen. Bei jeder andern hätte ich das albern gefunden, aber sie kleidete es – freilich, ich war auf Gedeih und Verderb verliebt in sie! Oft ging ich spät abends noch in den Stall und brachte ihrem Pferd meine Stullen oder Zucker, um wenigstens jeden Tag etwas für sie zu tun.

Eines Tages bekam ich Krach mit ihrem Vater, dem Herrn Woldemar von Schütz, oder vielmehr, er machte Krach mit mir. Ich sollte einem Arbeiter zu viel Lohn ausgezahlt haben. Er entließ mich fristlos, kaum, daß er mir erlaubte, die Nacht noch auf dem Gut zu schlafen. Ich konnte ihn zwar einen Augenblick später von seinem Irrtum überzeugen, aber er fand, es sei besser, wir ließen es bei der sofortigen Entlassung.

»Was ich einmal gesagt habe, bleibt. Ich mag es überhaupt nicht, daß Leute bei mir lange in Arbeit sind: Sie gewöhnen sich, das taugt nicht. Nur neue Besen kehren gut. Sie dürfen übrigens den Rest ihres Monatsgehaltes aus der Gutskasse entnehmen.« Damit ließ er mich stehen.

Ich war sehr verstimmt; ich hatte mir kein Geld erspart, und Stellungen auf dem Lande waren zu der Zeit nur schwer zu kriegen. Als mich kurz darauf das gnädige Fräulein anrief und zu einem Botengang in den Park bestellte, antwortete ich ihr patzig, ich hätte dafür keine Zeit mehr. Ich müßte meine Bücher abschließen und meine Sachen packen, ich ginge! Damit hängte ich den Hörer an und war zum ersten Male froh, ihr auch einmal meinen eigenen Willen gezeigt zu haben, nicht immer ihr demütiger Sklave gewesen zu sein!

Sie ließ mich aber nicht lange in meinen Triumphgefühlen; eine Viertelstunde später war sie bei mir auf dem Zimmer, sah verächtlich auf meine Packerei und setzte sich dann auf die Fensterbank. Sie warf mir eine Zigarette zu, brannte sich auch eine an und sagte grenzenlos hochmütig: »Was ist eigentlich in Sie gefahren, Wrede –?! Wenn ich sage, Sie gehen, so gehen Sie, und wenn ich verlange, Sie bleiben, so bleiben Sie eben hier! Also bleiben Sie hier und machen Sie weiter meinen Postillon d'amour!« Dazu lächelte sie verächtlich.

Auge in Auge mit ihr war mir mein Mut fast ganz entschwunden; ich sagte ihr aber doch, daß es für mich schwierig sei, ihrem Vater und ihr zugleich zu gehorchen. Er habe mich auf die Straße gesetzt, und sie befehle mir zu bleiben!

»Soso!« sagte sie. »Herr von Schütz hat Sie also entlassen? Warum denn –? Sicher wieder eine Mädelgeschichte –!«

Ich sagte ihr den Grund.

»So –?« antwortete sie und betrachtete mich nachdenklich. »Für Sie ist es natürlich schwierig, da einen Ausweg zu finden, zu bleiben und zu gehen. Für mich nicht. Seien Sie heute abend um zehn im Park, an der üblichen Stelle, und bringen Sie Ihren Koffer mit. Vielleicht weiß ich eine Stellung für Sie!«

Ich stammelte ein paar Worte des Dankes. Aber sie unterbrach mich sofort. »Ach was!« rief sie. »Können Sie denn nicht hören? Ich habe ›vielleicht‹ gesagt. Es ist sehr gut möglich, daß ich Sie die ganze Nacht im Park stehenlasse und daß Sie mich nie wiedersehen. Aber nehmen Sie jedenfalls von allen hier Abschied – auch von Ihren Mädels!«

Bei diesen Worten trug ihr Gesicht wieder diesen angewiderten Ausdruck. Ich versicherte ihr, daß es bei mir keine Mädelgeschichten gäbe, und das war wirklich die Wahrheit. Ich hatte, seit ich Ria kennengelernt, nur in ihr die Frau gesehen, alle andern lebten nicht für mich. Aber sie hörte nicht auf meine Worte. Sie ging aus dem Zimmer, als sei ich Luft, ja, sie ging so nahe an mir vorbei, als sähe sie mich nicht – ich mußte rasch zurücktreten. Dann war ich wieder allein mit meiner Packerei. Ich legte die angerauchte Zigarette, die sie mir geschenkt hatte, vorsichtig in meine Brieftasche.

Natürlich hütete ich mich, von irgend jemandem Abschied zu nehmen – es hätte doch wohl einige Fragerei gegeben, wohin ich so spät noch in der Nacht wollte. Um zehn Uhr war ich pünktlich auf meinem Platz im Park, vorbereitet darauf, die halbe oder die ganze Nacht zu warten. Aber so schlimm wurde es nicht, ich sah sie zwar nicht selbst, aber ihr Mädchen, eine ältliche, wegen ihrer scharfen Zunge gefürchtete Person, kam bald und führte mich ins Herrenhaus. Im Erdgeschoß schien eine Gesellschaft zu sein, alle Fenster waren strahlend erleuchtet. Ich hörte Musik, Gelächter, den hellen Klang von Gläsern. Ich wurde über die kaum beleuchtete Dienertreppe in den Seitenflügel des ersten Stockwerks geführt, in eine Art kleines Abstellzimmer, in dem ausrangierte, verstaubte und defekte Möbel ohne Ordnung zusammengestellt waren. Aber ich war nicht enttäuscht dadurch, wußte ich doch, sie wohnte in demselben Flügel. Ich war auf ein langes Warten gefaßt, aber ich war jetzt doch sicher, ich würde sie diese Nacht noch sehen. Und überhaupt: ich war mit ihr unter dem gleichen Dach, schon das machte mich glücklich.

Lange Stunden saß ich in dieser Rumpelkammer und träumte von dem Glück, sie gleich durch die Tür hereinkommen zu sehen. Ab und an trat ich ans Fenster und sah auf den nächtlichen Park. Die nächsten Bäume waren angestrahlt von dem Licht aus den Parterreräumen: Sie feierten unten immer noch. Aber oben am Himmel die Sterne hatten einen andern festlichen Glanz, ein Ewigkeitslicht über uns kleinen Menschen. In diesen Wartestunden habe ich am besten begriffen, was das heißt: lieben. Ich hatte keine Vergangenheit mehr und keine Zukunft. Ich lebte nur in diesem Warten, das mich selig machte. Ich erwartete nichts als ein paar hochfahrende Worte und einen Botenauftrag, vielleicht allenfalls auch eine Adresse, wohin ich mich wegen einer neuen Stellung zu wenden habe.

Aber das alles interessierte mich nicht. Ich war mit ihr in einem Hause, in diesem Zimmer würde sie zu mir kommen! Oh, wie schön ist es, jung zu sein und noch ohne den peinigenden Stachel des Besitzenwollens lieben zu können! Heute bin ich ein alter Mann, der einiges erreicht hat in seinem Leben, aber wenn Sie mich fragen, wann ich je glücklich war in meinem Leben, so sage ich Ihnen: Es waren jene Wartestunden im Herrenhaus, da ich auf meiner Liebe schwerelos schwebte wie die Seerose auf den Wassern des Teiches!

Ich bin über meinem Warten dann schließlich eingeschlafen, die Jugend verlangte ihr Recht. Ich erwachte davon, daß mir jemand spielend, streichelnd durchs Haar fuhr. Ein unsagbarer Glücksschauer durchrieselte mich. Ich setzte mich auf dem alten Liegesofa hoch und starrte Ria bewundernd an. Sie trug ein tief ausgeschnittenes Abendkleid, der weiße Glanz ihrer Schultern und Brust blendete mich, als hätte ich zu stark in die Sonne gesehen.

»Ach, Werner, Werner!« sagte Ria und hatte ihre liebkosenden Finger noch immer in meinem Haar. »Es geht auf den Morgen, und statt mich zu erwarten, schläfst du! Ich dachte, wenigstens du liebst mich wirklich –!«

Ich war so verwirrt, daß ich kein Wort zu antworten wußte. Sie aber umfaßte mich mit beiden Armen und küßte mich auf den Mund. Sie zog mich ganz nahe an ihre atmende Brust, ich roch ihren süßen Duft, unter ihrem Kuß schwanden mir fast die Sinne ... Wir hielten uns aneinander wie zwei Ertrinkende, die doch nur ihr Versinken beschleunigten. Die Wasser unserer Liebe schlugen über uns zusammen!

Nach einer Weile sagte sie: »Komm, wir wollen essen!«

Sie führte mich in ihr Schlafzimmer. Dort war ein Tisch für uns beide gedeckt, Wein stand in einem Kühler. Plötzlich war ich aus einem armen Feldinspektor mit Magermilchgrütze ein großer Mann geworden. Aber ich fand das ganz selbstverständlich, nichts konnte mich noch überraschen, seit das größte Wunder geschehen war, daß sie mich liebte!

»Laß es dir schmecken, Werner!« sagte sie. »Nein, stoße vorher auf die Braut an! Du siehst mich so an – wußtest du nicht, daß ich heute nacht Verlobung gefeiert habe?«

»Ist es –«, fragte ich und nannte den Namen des Mannes, zu dem ich so viele Briefe getragen.

»Nein!« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist ganz jemand anders. Du kennst ihn nicht. Aber es ist auch gleichgültig, wer es ist – zur Hölle mit ihm!« Und sie warf ihr Glas gegen den Spiegel, daß die Scherben klirrend zu Boden fielen. »Hier sind wir beide – und nach uns die Sintflut!«

So begannen jene verzauberten Tage und Nächte, in denen ich meinte, in einem Traum oder Märchen zu leben. Ria war vollkommen verändert, sie schien nur für mich zu leben. Kein hochfahrendes Wort mehr, keine Bemerkung, die mich hätte kränken können. Am Tage war sie viel draußen, sie kam oft nur für einen Augenblick, weckte mich mit einem Kuß aus meinem Schlummer oder meinen Träumereien und ging wieder. Oder wir plauderten auch eine Viertelstunde miteinander, nie über Dinge unseres Alltags, sondern wir erzählten uns von glücklichen Südseeinseln, von einer Robinsonade zu zweien, von einem Weltuntergang, der uns beide allein übrigließ.

Wir waren die beiden einzigen auf der Welt geworden, und ich sah außer ihr höchstens manchmal ihr ältliches, scharfzüngiges Mädchen, das aber nie ein Wort zu mir sprach, das im Zimmer aufräumte und mich nie sah. Wie lange dieses Glück gedauert haben mag –? Ich weiß es nicht mehr, mein Freund, ich habe die Tage und Nächte nicht gezählt, alles ging mir ineinander über, bis ich sie wieder in meinen Armen hielt. Es kann eine Woche gedauert haben oder zwei – seit wann zählt der Sommer seine Rosen –?! Oh, ich bin glücklich gewesen, übermenschlich glücklich! Es hat für ein ganzes Leben gereicht, wie Sie sehen; ich schwärme noch heute davon wie ein Gymnasiast – trotz des bitteren Endes!

Eines Tages, als ich über den Flur zum Badezimmer ging, stand plötzlich der Herr Woldemar von Schütz vor mir. Ich hatte nie mehr an ihn gedacht, wie auch er wohl meine Existenz völlig vergessen hatte. Einen Augenblick stand er wie eine Gans, wenn's donnert, dann fing er seiner Gewohnheit gemäß zu schreien an – er hatte mich wohl aus dem Zimmer seiner Tochter kommen sehen. Er fuchtelte mir mit der Reitpeitsche gefährlich unter der Nase.

Aber sofort war auch das ältliche Dienstmädchen da. Sie bat schnell und eindringlich, er möge mir doch nichts tun. Sie gestehe frei und offen, sie habe mich als ihren Liebhaber ins Schloß geschmuggelt. Auch sie sei nur ein Mensch, es werde aber auch bestimmt nicht wieder vorkommen. Er möge mir bloß nichts tun, ich würde auch auf der Stelle gehen ...

Ich muß gestehen, sie war ein bewundernswürdiges altes Biest, wie sie sich ohne Zögern vor ihre Herrin stellte. Sie mußte ihre einzelnen Sätzchen in die kurzen Pausen, die ihr seine Brüllerei ließ, einschieben, aber sie tat das äußerst geschickt. Äußerst geschickt war auch ihre immer wiederholte Bitte, er möge mir doch nichts tun! Sie wies ihn dadurch deutlich darauf hin, wie er seiner Wut ein Ventil verschaffen könnte. Ein teuflisch geschicktes Weib! Schließlich begriff der Herr von Schütz. Er zog mir mit der Reitpeitsche eins über das Gesicht, daß sofort die Haut platzte. Und dem ersten Schlage folgten viele: Der Appetit kommt beim Essen. Ich wurde in aller Form aus dem Herrenhaus geprügelt. Ich fing an zu laufen. Er lief hinter mir drein, und die geschwungene Reitgerte pfiff auf meinen Rücken.

Schließlich gelangte ich aus dem Haus. Auf der Terrasse lungerten die Hunde. Er schlug mich weiter und hetzte die Hunde auf mich mit einem scharfen Zischlaut. Schließlich sah er zu, wie ich mich mit Fußtritten und Schimpfen der Köter zu erwehren suchte, immer dem Parkausgang zustrebend. Es muß für einen Zuschauer sehr komisch ausgesehen haben, wie ich mich da mit sechs, acht Hunden herumschlug. Vor allem ein kleiner bissiger Dackel machte mir zu schaffen, der mir immer wieder in die Hacksen fuhr.

Der Herr von Schütz geruhte auch, das komisch zu finden, er fing schallend zu lachen an. Und plötzlich stand Ria neben ihm, meine geliebte Ria, die vor ein paar Stunden noch in meinen Armen gelegen hatte, und auch sie lachte. Sie lachte herzlich und unbekümmert über ihren Liebhaber in Nöten, ja, sie ermunterte die Hunde noch: »Faß, Waldmann! Gib's ihm tüchtig, Harras! Oh, das war ein gemeiner Tritt, armer Rex!«

Und dann lachte sie wieder. Ich hatte dies Lachen noch in meinen Ohren, als ich in der Küche eines unserer Arbeiter stand und mein blutig brennendes Gesicht mit einem nassen Lappen kühlte. Ich hatte dieses Lachen noch Wochen und Monate in den Ohren; ich höre es noch jetzt, da wir beide alte Leute geworden sind, Ria und ich.

Ja, sie lebt noch, ich weiß es zufällig. Aber sie denkt wahrscheinlich nie mehr an das kurze Zwischenspiel mit dem kleinen Inspektor Wrede. Vielleicht besteht ihr ganzes Leben aus solchen kleinen Zwischenspielen. Es gibt viele Frauen, die nie zu einem großen Erlebnis kommen, weil sie sich zu sehr den immer wechselnden Kleinigkeiten hingeben.

Ich hätte sie später wiedersehen können, die Ria. Es hätte nur einer kleinen Nachhilfe von meiner Seite bedurft, der und der Bekannte hätte mich einladen müssen, und wir hätten einmal wieder einander gegenübergestanden: die Herrin und ihr Sklave. Aber was sollte das? Ich bin nicht dafür, in den alten Feuerstätten herumzustochern, die von Asche bedeckte Glut zu neuer Flamme zu entfachen. Das Feuer brennt nie wieder wie in unserer Jugend. Und dann: ich habe einmal ein großes Glück genossen, alles danach konnte nur geringer sein. So das eigene Ich opfernd, so wunschlos liebt man nur einmal im Leben!

Und weiter: Sie werden zugeben müssen, lieber Freund, es war etwas beunruhigend, dieses Erlebnis. Trotz allen genossenen Glückes empfand ich von da an ein tiefes Mißtrauen gegen die Frauen mit ihren unberechenbaren Launen, ihrer Sprunghaftigkeit. Ich konnte mich nie wieder überwinden, mein Herz in die Hand eines solchen Wesens zu geben. So bin ich denn allein geblieben, ein alter, einsam gewordener Junggeselle mit nur einem einzigen Liebeserlebnis in einem langen Leben. Vielleicht werden Sie mich nicht verstehen – aber was wollen Sie: So bin ich nun einmal! Keiner kann aus seiner Haut – und niemand will das auch.

 

Der Erzähler sah nachdenklich in sein Weinglas, erhob es, er sprach: »Du warst herrlich, Ria! Wie eine Göttin entstiegst du den Wolken und beglücktest einen armen Sterblichen! Dann kehrtest du auf den Olymp zurück!« Er trank das Glas leer und warf es gegen den Spiegel: Klirrend fielen die Scherben zu Boden. »Zur Hölle mit allen Weibern!« sprach er.

 


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