Miguel de Cervantes Saavedra
Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha - Zweites Buch
Miguel de Cervantes Saavedra

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55. Kapitel

Von allerlei Dingen, die Sancho unterwegs begegneten, nebst etlichen andern solcher Art, daß man sich nichts Wundersameres erdenken kann

Der Umstand, daß Sancho sich so lange mit Ricote aufgehalten, gestattete ihm nicht, an diesem Tage das Schloß des Herzogs zu erreichen, wenn er auch so weit gelangte, daß er nur noch eine halbe Meile davon entfernt war; da aber überraschte ihn die Nacht, und es wurde rasch stockfinster. Da es indessen Sommer war, machte das ihm keinen großen Kummer, und so wendete er sich abseits vom Weg in der Absicht, den Morgen zu erwarten. Da fügte es sein unglückliches, mißgünstiges Geschick, daß er, während er gerade eine Stelle suchte, wo er es sich bequem machen könnte, mit seinem Esel in eine tiefe, ganz dunkle Grube fiel, die sich zwischen sehr alten Bauten befand. Im Hinunterfallen befahl er sich Gott von ganzem Herzen, da er dachte, er würde im Stürzen erst in der tiefsten Unterwelt haltmachen. Aber so war es doch nicht, denn in drei Mannslängen Tiefe kam der Esel auf den Grund, und Sancho saß noch auf ihm, ohne die geringste Verletzung oder Schädigung erlitten zu haben. Er befühlte sich am ganzen Körper und hielt den Atem an, um zu sehen, ob er unversehrt oder ob ihm irgendein Loch in den Körper geschlagen sei; da er sich aber heil und ganz fand und völlig gesund am Leibe, so konnte er gar nicht fertigwerden, Gott dem Herrn zu danken für die Gnade, die er ihm erwiesen, denn er hatte wirklich gemeint, er sei in tausend Stücke zerschlagen. Dann tastete er mit den Händen an den Wänden der Grube herum, um festzustellen, ob es möglich wäre, ohne fremde Hilfe herauszukommen; aber er fand sie überall glatt und ohne irgendeine Stelle, um sich daran festzuhalten, worüber er sehr betrübt war, besonders als er den Grauen jammervoll und schmerzlich klagen hörte; und das war kein Wunder, und er jammerte nicht aus Übermut, denn wirklich war er ziemlich übel zugerichtet.

»Ach!« rief jetzt Sancho Pansa aus, »wie ganz ungeahnte Ereignisse begegnen doch bei jedem Schritt denen, so auf dieser elenden Welt leben! Wer hätte gedacht, daß der Mann, der gestern als Statthalter einer Insul thronte und seinen Dienern und Untertanen gebot, sich heute in einer Grube begraben sehen würde, ohne einen Menschen zu haben, der ihm beistünde, oder einen Diener oder Untertan, der ihm zu Hilfe käme? Hier werden wir vor Hunger umkommen müssen, ich und mein Esel, wenn wir nicht vorher sterben, er, weil zermalmt und zerschlagen, und ich, weil voll Herzeleid. Jedenfalls werde ich nicht soviel Glück haben wie mein Herr Don Quijote von der Mancha, als er in die Höhle jenes verzauberten Montesinos hinabstieg und eindrang, wo er Leute fand, die ihn besser pflegten als in seinem Hause, so daß es gerade aussah, als wäre er an einen gedeckten Tisch und in ein gemachtes Bett gekommen. Dort sah er schöne und liebliche Erscheinungen, und ich, wie ich glaube, bekomme hier nur Kröten und Schlangen zu sehen. Ich Unglückseliger, welch ein Ende haben meine Narreteien und Hirngespinste gefunden! Aus dieser Stätte, wenn es dereinst dem Himmel beliebt, mich hier auffinden zu lassen, wird man meine Gebeine sauber, gebleicht und abgenagt heraufholen und mit ihnen die meines Esels, und daran werden wir vielleicht erkannt werden, zum mindesten von denen, die gehört haben, daß Sancho Pansa sich nie von seinem Esel und sein Esel sich nie von Sancho Pansa getrennt hat. Nochmals sag ich: O wie elend sind wir, daß unser mißgünstiges Geschick uns nicht vergönnt hat, in unsrer Heimat und inmitten der Unsrigen zu sterben! Und wenn auch dort unser Unglück keine Abhilfe fände, so hätte es doch nicht an einem Freunde gefehlt, der teilnehmenden Schmerz empfunden und uns in der letzten Stunde unsres Bewußtseins die Augen zugedrückt hätte. O mein Kamerad und Freund, welch schlechten Lohn habe ich dir für deine treuen Dienste gezahlt! Vergib mir und bitte das Schicksal, so gut du eben kannst, uns aus den jämmerlichen Drangsalen zu erlösen, darin wir uns beide befinden, und ich verspreche, dir eine Lorbeerkrone aufs Haupt zu setzen, daß du geradeso aussehen sollst wie ein gekrönter Poet, und dir doppeltes Futter zu reichen.«

So wehklagte Sancho, und sein Esel hörte ihm zu, ohne ein Wort zu erwidern; so groß war die Trübsal und Bedrängnis, in der sich das arme Tier befand.

Endlich, nachdem er die ganze Nacht unter erbärmlichem Weheklagen und Jammern verbracht, kam der Tag, bei dessen Licht und Glanz Sancho erkannte, es sei das Unmöglichste unter allen Unmöglichkeiten, ohne Beihilfe aus diesem tiefen Loch herauszukommen. Jetzt begann er aufs neue zu jammern und laut zu schreien, um zu versuchen, ob ihn jemand höre; aber all sein Schreien war die Stimme des Predigers in der Wüste, denn es war in der ganzen Gegend niemand, der ihn hätte hören können, und nun hielt er sich wirklich für tot und begraben. Der Graue lag auf dem Rücken da, und Sancho brachte ihn endlich wieder auf die Beine; er konnte sich aber kaum aufrecht halten. Sancho nahm aus dem Zwerchsack, welcher das Schicksal des Sturzes mit ihm geteilt hatte, ein Stück Brot, gab es seinem Esel, dem es nicht schlecht schmeckte, und sprach zu ihm, als ob er es verstünde: »Jegliche Not erträgt sich mit Brot.«

Jetzt entdeckte er an einer Seite der Grube ein Loch, groß genug, daß ein Mann darin Raum fand, wenn er sich duckte und zusammenkauerte. Sancho Pansa machte sich sogleich an die Stelle, bückte sich und kroch hinein und sah, daß die Höhlung geräumig und weit war; und er konnte das sehen, weil durch die Decke derselben – wenn man es so nennen konnte – ein Sonnenstrahl hereinfiel, der alles deutlich zeigte. Er sah auch, daß sie sich nach einer andern geräumigen Höhlung hin ausdehnte und erweiterte, und als er dies bemerkte, kehrte er wieder zu seinem Esel zurück und begann mit einem Steine die Erde im Loch abzugraben, so daß er in kurzer Zeit Raum genug schaffte, daß sein Esel mit Leichtigkeit hineinkommen konnte, wie er es denn auch tat. Sancho nahm den Esel am Halfter und begann in dieser Höhle voranzuschreiten, um zu sehen, ob er an einer andern Stelle einen Ausweg fände; manchmal tappte er im Dunkeln, manchmal ohne Licht zu sehen, aber niemals ohne Furcht.

So wahr helfe mir Gott, der Allmächtige! sagte er zu sich selber, hier habe ich Pech ganz ungeheuer, und hier hätte mein Herr ein prächtig Abenteuer. Er wahrlich, er würde diesen Abgrund, dies Kerkerloch für einen blühenden Garten und für Galianas Palast halten und nicht zweifeln, daß er aus dieser Finsternis und Bedrängnis sich zu einem blumenreichen Gefilde hinausfinden würde; aber ich, der ohne Glück ist, dem guter Rat fehlt und rechter Mut abgeht, ich denke, bei jedem Schritt wird sich unter meinen Füßen ein neuer Abgrund, tiefer als der vorige, auftun und mich ganz hinunterschlingen. Sei willkommen, Unglück, wenn du allein kommst.

So und mit diesen Gedanken war er wenig über eine halbe Meile, wie ihm schien, fortgewandert, nach deren Zurücklegung er eine dämmernde Helle erblickte, die schon das Tageslicht zu sein schien und die durch irgendeine Öffnung hereinfiel, die ihm zeigte, daß dieser Weg, den er für den Pfad ins andre Leben hielt, doch irgendwo zutage ausgehen müsse.

Hier verläßt ihn Sidi Hamét Benengelí und kehrt in seiner Erzählung zu Don Quijote zurück, welcher freudig bewegt und selbstzufrieden den festgesetzten Tag des Kampfes erwartete, den er mit dem Räuber der Ehre der Tochter von Doña Rodríguez ausfechten sollte, da er gedachte, dieser Maid die Unbill und das Unrecht zurechtzubringen, das ihr angetan worden. Als er nun eines Morgens ausritt, um sich in dem zu üben und zu versuchen, was ihm in der Kampfesnot obliegen werde, die ihm bevorstand, und indem er Rosinante in kurzen Galopp setzte und ihn springen lassen wollte, setzte das Pferd seine Füße so dicht an den Rand einer Höhlung, daß es unfehlbar hineingestürzt wäre, wenn der Ritter es nicht mit aller Gewalt zurückgerissen hätte. Jedoch gelang es ihm, das Pferd zu parieren, es fiel nicht, und indem er dann sich etwas näherte, um die Höhlung zu betrachten, ohne abzusteigen, hörte er von innen lautes Schreien; er horchte aufmerksam, so daß er hören und verstehen konnte, wie jemand rief: »Hallo da oben! Ist denn kein Christenmensch da, der mich hört? Kein barmherziger Rittersmann, der Mitleid hat mit einem lebendig begrabenen Sünder, mit einem unglücklichen Statthalter, der ausgestatthaltert hat?«

Don Quijote kam es vor, als hörte er Sancho Pansas Stimme, und darüber in Staunen und Bestürzung, rief er: »Wer ist dort unten? Wer jammert so?«

»Wer kann hier unten sein, wer soll hier so jammern«, war die Antwort, »als Sancho Pansa, der auf unbekannten Wegen verirrte, von wegen seiner Sünden und seines Pechs Statthalter der Insul Baratária, gewesener Schildknappe des ruhmvollen Ritters Don Quijote von der Mancha?«

Als Don Quijote dies hörte, verdoppelte sich seine Verwunderung, und seine Bestürzung wuchs mehr und mehr, da es ihm in den Sinn kam, Sancho Pansa müsse tot sein und seine Seele erleide an diesem Orte die Qualen des Fegefeuers; und von diesem Wahn überwältigt, rief er: »Ich beschwöre dich bei allem, wobei ich als katholischer Christ dich beschwören kann, sage mir, wer du bist! Und wenn du eine Seele in Fegefeuers Qualen bist, sage mir, was für dich zu tun du von mir begehrest; denn dieweil es meines Berufes ist, den Bedrängten in dieser Welt beizustehen und zu helfen, so will ich auch den Hilfsbedürftigen aus der andern Welt beistehen und zu Hilfe eilen, die sich mit eigner Kraft nicht helfen können.«

»Hiernach«, kam die Antwort herauf, »müßt Ihr, der Ihr mit mir sprecht, mein Herr Don Quijote von der Mancha sein, und auch nach dem Ton der Stimme ist es sicherlich kein andrer.«

»Ich bin Don Quijote«, versetzte der Ritter, »ich bin's, dessen Beruf es ist, männiglich in seinen Bedrängnissen hilfreich zu sein und Beistand zu leisten, so den Lebendigen wie den Toten. Darum sage mir, wer du bist, der du mich in Bestürzung versetzest; denn bist du mein Schildknappe Sancho Pansa und bist gestorben und es hat dich der Teufel nicht geholt und du weilest durch Gottes Barmherzigkeit im Fegefeuer, so hat unsre heilige Mutter, die römisch-katholische Kirche, Gnadenmittel genug, um dich aus deinen Qualen zu erlösen, und ich meinesteils will ihre Hilfe für dich in Anspruch nehmen, soweit meine Habe reicht. Darum künde mir alles und sage mir, wer du bist.«

»Ich schwör's bei dem und jenem«, erscholl es von unten, »ich schwör's bei der Geburt von ... nun, von wem Euer Gnaden will, ich schwör es, Señor Don Quijote von der Mancha, daß ich Euer Schildknappe Sancho Pansa bin und daß ich all meiner Lebtage noch nicht gestorben bin; vielmehr habe ich meine Statthalterschaft aufgegeben wegen allerhand Sachen und Ursachen, deren Erzählung längere Zeit erfordern würde, und bin dann in diesen Abgrund gefallen, in dem ich liege und der Graue mit mir, der mich nicht Lügen strafen wird, denn zum weiteren Wahrzeichen steht er selber hier bei mir.«

Ja, noch mehr; es schien, als ob der Esel verstünde, was Sancho gesagt, denn augenblicklich begann er so kräftig zu iahen, daß die ganze Höhle widerhallte.

»Ein prächtiger Zeuge!« sprach Don Quijote; »das Iahen kenne ich, als ob ich ihn selbst erzeugt hätte, und ich höre auch deine Stimme, Sancho mein, warte eine kurze Weile, ich reite ins Schloß des Herzogs, das hier in der Nähe ist, und bringe Leute herbei, um dich aus dieser Grube zu ziehen, in die dich deine Sünden gestürzt haben müssen.«

»Reitet zu, gnädiger Herr«, sprach Sancho, »und kehrt um Gott des Einzigen willen bald zurück; ich kann's nicht mehr aushalten, hier lebendig begraben zu sein, und ich sterbe schier vor Angst.«

Don Quijote verließ ihn und eilte nach dem Schlosse, um dem herzoglichen Paar den Unfall Sancho Pansas zu erzählen, worüber sie sich nicht wenig wunderten, wiewohl es ihnen sofort klar war, daß er in einen Ausläufer jener Höhle gefallen sein müsse, die vor undenklichen Zeiten dort gegraben worden; aber sie konnten sich nicht vorstellen, wie er seine Statthalterschaft verlassen habe, ohne daß sie Nachricht von seiner Ankunft erhielten. Endlich holte man, wie man im Scherze sagt, Stricke und Galgenstricke herbei, und mit vieler Hände Hilfe und mit schwerer Mühsal zog man den Esel und Sancho Pansa aus den Finsternissen dort unten ans Licht der Sonne herauf.

Ein Student sah das mit an und sagte: »Auf solche Weise sollten alle schlechten Statthalter aus ihren Statthaltereien heimkehren wie dieser Sünder aus den Tiefen des Abgrunds, halbtot vor Hunger, ganz blaß, und ohne einen blassen Pfennig in der Tasche, wie mir es vorkommt.«

Sancho hörte es und sprach: »Acht oder zehn Tage sind's her, Freund Lästermaul, seit ich die Statthalterschaft über die mir verliehene Insul antrat, und während all dieser Tage habe ich mich keine Stunde auch nur an Brot satt gegessen. Während dieser Zeit haben Ärzte mich verfolgt und Feinde mir die Knochen zusammengetreten; ich habe keine Nebenverdienste erhascht und keine Gebühren in die Taschen gesteckt, zu alledem hatte ich keine Gelegenheit. Und da dies so ist, habe ich meiner Meinung nach keineswegs verdient, auf solche Weise vom Amte zu kommen. Aber der Mensch denkt, und Gott lenkt, und Gott weiß, was das Beste ist und was einem jeden gut ist; und in die Zeit muß man sich schicken; und keiner darf sagen: Von dem Wasser werd ich nimmer trinken, denn glaubst du, im Haus gab's Speck die Mengen, gibt's nicht mal Stangen, ihn dranzuhängen; und Gott versteht mich, und damit genug, und mehr sage ich nicht, wenn ich es auch könnte.«

»Ärgere dich nicht, Sancho«, erwiderte Don Quijote, »laß dich nicht kränken, was du auch hören magst, denn sonst würdest du nie fertig. Lebe du weiter mit deinem guten Gewissen und laß die Leute sagen, was sie sagen wollen, und wenn man den Leuten die Zunge anbinden will, ist's gerade, als wollte man das freie Feld mit Türen zuschließen. Wenn der Statthalter in Reichtum aus seiner Statthalterschaft scheidet, so sagen sie ihm nach, er sei ein Dieb gewesen, und wenn er in Armut scheidet, er sei ein Tunichtgut und ein einfältiger Mensch gewesen.«

»Wahrlich«, entgegnete Sancho, »diesmal werden sie mich eher für einen Dummkopf als für einen Dieb halten müssen.«

Unter solcherlei Gesprächen gelangten sie, von Gassenjungen und viel andrem Volk umringt, zu dem Schlosse, wo der Herzog und die Herzogin bereits auf einer Galerie standen und Don Quijote und Sancho erwarteten; dieser aber wollte nicht eher hinaufgehen, um den Herzog zu begrüßen, ehe er den Grauen im Stall untergebracht hatte; denn er sagte, sein Tier habe eine gar schlechte Nacht in seiner Herberge verbracht. Dann erst ging er hinauf, sich den Herrschaften vorzustellen, kniete vor ihnen nieder und sagte: »Ich, meine Gnädigsten, bin hingegangen, weil es Eure Hoheit so gewollt, ohne daß ich es verdient hätte, Statthalter zu werden auf Eurer Insul Baratária; nackt und bloß zog ich ein, war nackt und bloß geboren, so hab ich nichts gewonnen, nichts verloren. Ob ich schlecht oder gut regiert habe, dafür hab ich Zeugen um mich gehabt, die mögen sagen, was ihnen gutdünkt. Ich habe Zweifelsfragen gelöst, Prozesse entschieden, und immer bin ich vor Hunger fast gestorben, denn so wollte es der Doktor Peter Stark, gebürtig aus Machdichfort, der insulanische und statthalterische Leibarzt. Der Feind hat uns bei Nacht überfallen, und nachdem er uns in große Bedrängnis gebracht, sagten die Leute von der Insul, sie hätten durch die Kraft meines Armes Befreiung und Sieg errungen; Gott schenke ihnen ebenso ein gesundes Leben, wie sie die Wahrheit sagen. Schließlich habe ich im Verlauf dieser Zeit die Lasten und Pflichten erwogen, die das Regieren mit sich bringt, und habe für mein Teil gefunden, daß meine Schultern sie nicht tragen können, daß es keine Bürden für meinen Rücken und keine Pfeile für meinen Köcher sind; und darum, ehe die Statthalterschaft mich über Bord werfen sollte, hab ich die Statthalterschaft über Bord geworfen und habe gestern morgen die Insul verlassen, wie ich sie gefunden, mit den nämlichen Gassen, Häusern und Dächern, wie sie sie bei meiner Ankunft hatte. Ich habe von niemandem was geborgt und mich auf keine Erwerbsgeschäfte eingelassen. Zwar gedachte ich ein paar nützliche Verordnungen zu erlassen, habe aber keine erlassen, aus Besorgnis, sie würden nicht befolgt werden, wo es dann dasselbe wäre, sie zu erlassen oder sie nicht zu erlassen. Ich habe die Insul, wie gesagt, ohne eine andre Begleitung verlassen als die meines Grauen; ich fiel in einen tiefen Graben und tappte in ihm weiter, bis ich diesen Morgen mit dem Licht der Sonne den Ausgang sah, der aber nicht so leicht war; und hätte mir der Himmel nicht meinen Herrn Don Quijote gesendet, so wäre ich bis zum Ende der Welt dort unten geblieben. Mithin, Herr Herzog und Frau Herzogin Gnaden, steht hier Dero Statthalter vor Euch, der schon in den wenigen zehn Tagen seiner Regierung die Erkenntnis sich erworben, daß es keinen Wert für ihn hat, Statthalter zu sein, ich sage nicht bloß über eine Insul, sondern über die ganze Welt. Und mit dieser Erklärung küsse ich Euer Gnaden die Füße und mach es wie die Knaben bei ihrem Spiel, wenn sie sagen: Spring du aus der Reih und laß mich hinein! Geradeso spring ich aus der Statthalterei heraus und trete wieder in den Dienst meines Herrn Don Quijote, wo ich zwar mein Brot mit Angst und Schrecken esse, aber mich doch wenigstens satt esse; und mir, wenn ich nur satt bin, mir ist's einerlei, ob von Rüben oder von Rebhühnern.«

Hiermit beschloß Sancho seine langatmige Rede, wobei Don Quijote beständig in Angst war, er würde sie mit tausend Ungereimtheiten vollpfropfen; als er aber sah, daß er sie mit so wenigen zu Ende führte, dankte er dem Himmel in seinem Herzen. Der Herzog umarmte Sancho und sagte ihm, es tue ihm in der Seele weh, daß er die Statthalterschaft so rasch aufgegeben, aber er würde es schon so einrichten, daß ihm ein Amt von geringerer Beschwer und größerem Erträgnis zuteil werde. Auch die Herzogin umarmte ihn und befahl, ihn gut zu pflegen; denn man sah es ihm an, er hatte unter arger Mißhandlung und noch ärgerer Verpflegung zu leiden gehabt.


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